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Nachgefragt und Lesebericht: Pierre Lemaitre, Drei Tage und ein Leben

Aufgezeichnet von Heiner Wittmann
19.10.2017

Gerade erschienen, aufgeschlagen und sofort ohne aufzuhören gelesen. Pierre Lemaitre, »Drei Tage und ein Leben«. Haben wir gestern noch den Anfang dieses Romans, die Fakten hier vorgestellt: Aufgeschlagen: Pierre Lemaitre, Drei Tage und ein Leben, so können wir hier nur daran erinnern, Rémi, der kleine Nachbarjunge ist tot. Im Wald von Saint-Eustache: " Wir hatten in letzter Zeit schon öfters Bücher, diie man vor der letzten Seite nicht aus der Hand Legt. Die gerade erschienene Übersetzung von Tobias Scheffel, des Romans von Pierre Lemaitre, »Drei Tage und ein Leben« gehört auch zu ihnen. „Roman“ steht hinter dem Titel, das ist aber nicht alles. Auf der französischen Wikipedia zu diesem Roman, der 2016 in Frankreich erschien, steht „Trois jours et une vie est un roman psychologique et noir de…“, der ihre Aufmerksamkeit allerspätestens total in dem Moment vereinnahmt, als Antoine im Wald auf den Nachbarsjungen Rémi Desmedts trifft, dessen Vater den Hund Odysseus der eigenen Familie, nachdem er überfahren worden war, mit einer Kugel erlöst und in einem Sack hinten im Garten zum Bauschutt legt.

Nachgefragt und Lesebericht: Pierre Lemaitre, Drei Tage und ein Leben

Nachgefragt: Pierre Lemaitre, Drei tage und ein Leben

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Der Einzelgänger Antoine ist total verstört und fühlt sich von dem Bild des Sacks mit dem toten Hund im Garten verfolgt. Nichts geht mehr für ihn. Die Einkäufe, die als Aufgabe auf dem Mitteilungsbrett zu Hause ihm aufgetragen werden, erledigt er, ohne die Verkäufer anzusehen, noch mit ihnen zu sprechen. Er geht in den Wald, wo er alleine eine Baumhütte gebaut hat und zerstört sie und weint fassungslos. Dann steht auf einmal Rémi vor ihm.

Jeder Leser wird die Geschichte bis hierhin wahrscheinlich genauso erzählen. Das sind die Fakten, die Ereignisse und die Einsamkeit von Antoine. Der Fortgang der Geschichte ist keineswegs zwingend. Es gäbe verschiedene Szenarien. Aber Antoine ist zu aufgewühlt und als er dann noch merkt, dass Rémi seine Wut irgendwie nicht teilt, sondern sich nur irrsinnig erschrocken über die so offenkundige Wut von Antoine zeigt – der Erzähler fügt hinzu, Rémi glaube, Odysseus sei nur gerade mal wieder weggelaufen, schlägt Antoine zu: „Blind vor Zorn packte er einen Stock…“ und versteckt dann die Leiche.

à suivre

 

Der Leichnam wird gefunden werden, es wird Nachforschungen geben. In der kleinen Stadt Beauval kennt jeder jeden. Da bleibt eigentlich nichts verborgen. Schaut man genauer hin, gibt es so manches, von dem man beim Spaziergang durch dieses Städtchen nichts ahnt. Ob das überall so ist? Lemaitre stellt ihre Bewohner nacheinander vor, sie sind alle in irgendeiner Form im sozialen Netz von Beauval gefangen, es gibt aber auch Konventionen, die verletzt werden. Die Charaktere sind meisterhaft gezeichnet und empfindsame Naturen müssen sich nicht hineindenken in die Ereignisse, der Sog der Geschichte, des Dramas belegt sie mit Beschlag.

Ein Bericht der Fakten würde hier so viele Seiten füllen wie dieses Buch vorzuweisen hat. Dazu kommt natürlich die Ebene, auf der die Spannung geschaffen wird. Aber auch auf dieser Ebene werden wir hier kein Wort über den Fortgang der Ereignisse verlieren. Wenn es ein Mord war, wird der Mörder auch gefunden werden. Es gibt noch eine weitere Dimension dieses Romans. Außer der Handlung, der Aufbau der Spannung gibt es auch die Art und Weise, wie die Gespräche der Protagonisten der ersten Reihe mit denen der Nebenfiguren verknüpft werden. Da wird man sich schon täuschen lassen und die Ordnung dieser Personen bald wieder revidieren.

Der Leichnam wird gefunden werden, es wird Nachforschungen geben. In der kleinen Stadt Beauval kennt jeder jeden. Da bleibt eigentlich nichts verborgen. Schaut man genauer hin, gibt es so manches, von dem man beim Spaziergang durch dieses Städtchen nichts ahnt. Ob das überall so ist? Lemaitre stellt ihre Bewohner nacheinander vor, sie sind alle in irgendeiner Form im sozialen Netz von Beauval gefangen, es gibt aber auch Konventionen, die verletzt werden. Die Charaktere sind meisterhaft gezeichnet und empfindsame Naturen müssen sich nicht hineindenken in die Ereignisse, der Sog der Geschichte, des Dramas belegt sie mit Beschlag.

Ein Bericht der Fakten würde hier so viele Seiten füllen wie dieses Buch vorzuweisen hat. Dazu kommt natürlich die Ebene, auf der die Spannung geschaffen wird. Aber auch auf dieser Ebene werden wir hier kein Wort über den Fortgang der Ereignisse verlieren. Wenn es ein Mord war, wird der Mörder auch gefunden werden. Es gibt noch eine weitere Dimension dieses Romans. Außer der Handlung, der Aufbau der Spannung gibt es auch die Art und Weise, wie die Gespräche der Protagonisten der ersten Reihe mit denen der Nebenfiguren verknüpft werden. Da wird man sich schon täuschen lassen und die Ordnung dieser Personen bald wieder revidieren. Ein Trick des Autors, und um aus dem Leser einen Einwohner von Beauval zu machen. Bald kennen sie die Personen und erwarten dies oder jedes von ihnen. Die einen brechen plötzlich aus, warum und wieso wird gar nicht immer gesagt. Sind es die Verhältnisse im Städtchen, die sozialen Beziehungen, die dazu die Motive liefern? Oder sind es die stets bekannten Versuchungen, die, wenn ihnen nachgegeben wird, und nicht nur in Beauval, den Lauf der Dinge immer ändern, sans appel? Wendungen drehen im Leben nicht immer nur aufgrund von Ereignissen, Entscheidungen einzelner, oft kommt ein ganzes Bedingungsgefüge zusammen, das über das Schicksal Einzelner entscheidet, ein Schicksal, über das ihnen die Kontrolle entgleitet. Auch in diesem Roman gibt es Entscheidungs-, Handlungsmöglichkeiten für die Protagonisten. Sie können dies und jenes tun. Und warum sie es tun? Verantwortung, Angst, Furcht, Gier, Selbstlosigkeit, Sorgen, Stolz. Was treibt die Bewohner von Beauval und sonst irgendwo an?

Sie kennen das schon, spannende Bücher lassen Sie an Ihrer Zielstation vorbeifahren. Sich Zeit nehmen für diesen Roman? Fangen Sie einfach an zu lesen, Sie werden vor der letzten Seite nicht aufhören.

Heiner Wittmann

 

Drei Tage und ein Leben

Roman

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Beteiligte Personen

Pierre Lemaitre

Pierre Lemaitre, 1951 in Paris geboren, ist Autor mehrerer preisgekrönter Romane und Kriminalromane. Sein 2014 erschienenes Buch, »Wir sehen uns dort oben...

Pierre Lemaitre, 1951 in Paris geboren, ist Autor mehrerer preisgekrönter Romane und Kriminalromane. Sein 2014 erschienenes Buch, »Wir sehen uns dort oben«, wurde mit dem wichtigsten französischen Literaturpreis, dem Prix Goncourt, ausgezeichnet. Nun liegt sein neuer, hochgelobter Roman »Spiegel unseres Schmerzes« in deutscher Übersetzung vor.

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