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Lesebericht: Guillermo Arriaga, Der Wilde

2. November 2018 | Autor: Heiner Wittmann

Heute abend ins Kino? Oder doch lieber zu Hause bleiben? Unsere Redaktion hätte da eine Leseempfehlung für Sie: Guillermo Arriaga, > Der Wilde, aus dem Spanischen übersetzt von Matthias Strobel. Die fast 750 Seiten halten mehrere Abende vor, eine Zugfahrt passt in diese Lesephase auch noch rein. Dicke Bücher sind wie verlängertes Kino, man taucht völlig ab und in diesem Buch ist es Guillermo Arriga gelungen, einen Roman zu verfassen, der durch seinen Aufbau, seine Konstruktion, weitere parallel verlaufende Geschichten, den zahlreichen und trotzdem wohl dosierten Rückblenden – oder auch Vorblenden – eine diesem Roman ganz eigentümliche Spannung verschafft, die den Leser (unerbittlich) bei der Stange hält. Die aufeinanderfolgenden Abschnitte verraten weitere Mosaiksteine, die den Charakter der Personen vervollständigen und die Handlung vorantreiben. Die Informationen werden nicht ausgeschmückt, sondern präzise nach und nach ergänzt, wobei die Hauptperson Juan Gillermo seine Überzeugungen behält, auch wenn um ihn herum das Leben seiner Liebsten nach und nach verlöscht. Er gerät in eine Spirale extrem roher Gewalt, die schon durch den Kampf mit seinem ihm schließlich unterlegenen Zwillingsbruder im Mutterleib programmiert wurde.

Juan Gillermo kommt in Mexiko-Stadt zur Welt. Ein Viertel am Stadtrand, der Junge gewöhnt sich an das Leben auf den Dächern, er macht dauerhafte Bekanntschaft mit der Gewalt auf der Straße und kommt mit seinem Bruder Carlos in eine Privatschule, die seine Eltern sich gerade so eben leisten können. Er gerät in den Einfluss von religiösen Fanatikern, die seinen Bruder ermorden. Kurz darauf wird die Großmutter tot in ihrem Sessel gefunden und dann stürzen seien Eltern mit ihrem Auto in eine Schlucht. Später nimmt Juan Rache für den Tod seines Bruders.

Die Schnelligkeit der Geschichte wird nur unterbrochen, wenn es ans Sterben geht und der Tod ist in diesem Buch allgegenwärtig aufgehalten nur von einem von der „Aufzählung glücklicher Augenblicke“: „Als (Hund) King sich von dem Messerstich erholte,  – Als meine Eltern mir zum vierten Geburtstag eine Schildkröte schenkten, etc. “ S. 269 f. Ansonsten sind jede Art von Prügeleien bis zum Mord allgegenwärtig, genauso wie das intensive Liebesleben von Juan und Chelo beide beglückt.

Spurensuche. Das Buch ist eine einzige Anklage gegen die Gewalt und kennt als Gegenmittel nur neue Gewalt. Kein Wunder, das Geld, Drogen und Hass eine endlose Spirale bilden, aus der es kein Entkommen gibt. Will der Autor die Gewalt anklagen oder zeigt er doch die wenigen Wege auf, ihr zu entkommen? Juan rettet den Hund Colmillo vor der Einschläferung, aber er hat sich das Wilde in Person ins Haus geholt, das dort ein ständiges unbeschreibliches Chaos anrichtet, das Juan ständig mit seinem eigenen Blut bezahlen muss. Welche anderen Wege gäbe es der Gewalt zu entrinnen? Die guten Jungs, die regelmäßig beten, könnten vielleicht den Weg weisen, wenn sie nur nicht in ihrem religiösen Wahn auf die Idee gekommen wären, um für Ordnung zu sorgen, Carlos, Juans älteren Bruder zu töten. Juan fühlt sich schuldig an seinem Tod und sinnt auf Rache, einen anderen Ausweg gibt es für ihn nicht. Und als eine Gelegenheit sich bittet, schlägt er erbarmungslos und brutal zu, tötet aber trotz seines Vorsatzes nicht

Der Wilde,“Nujuaqtutuq“,  das ist der Name den ein Inuit dem Wolf gibt, den er in den Schneewäldern im Yokon im Nordosten Kanadas jagt. Schließlich begegnet er ihm, kann ihn dann aber doch nicht töten. Die Parallelität dieser beiden Handlungsstränge stützen und beeinflussen sich gegenseitig. So als wenn die eine für die andere die Erklärung im Hintergrund bilden würde.  Das Gute immer im Kampf mit dem Bösen, das sich immer wieder Bahn trifft. So als ob es das Gute ohne die Präsenz des ständig Bösen gar nicht geben könnte. Lichtvolle Momente gibt es hier nur, wenn das Böse Überhand genommen hat, irgendwie erschöpft ist. Das ist nur ein Ergebnis von Gewaltexzessen, wenn die Gegner zu erschöpft sind.

Der Schulverweis Juans mit allen Konsequenzen ist die Folge des Knutschens mit Fuensanta, das seine Mitschüler wegen des Sturzregens draußen zu Gesicht bekamen. Er sieht seine junge Freundin nie wieder. Die Anfänge der unbeschwerten Jugend werden schnell durch das Milieu durchkreuzt, in dem sein Bruder Carlos Geld verdient und nicht schlecht. Drogen, richtige Geschäftsmodelle realisiert er und gerät in immer größere Gefahr. Einmal in dieser Spirale gibt es kein Entrinnen. Und Juan glaubt noch, sich mit Chelo retten zu können, da erfährt er von ihr, dass sie das Baby, dessen Vater Carlos geworden wäre, abgetrieben hat. Für Juan bricht nun endgültig die Welt zusammen: „Ich lebe in einer Welt der Gespenster, Chelo. Bitte bring mir keine neuen mehr. Ich kann nicht mehr.“ S. 117

Wissen Sie, wie das ist? Man nimmt ein Buch abends zur Hand, eine erste Maulprobe nach Gustave Flaubert, das rollt, das passt, der Anfang ist gut. Dann kommt der nächste Arbeitstag:

@G_Arriaga Der Wilde

Wenn man die ersten Seiten gelesen hat, ist es extrem schwer, die tägliche Büroarbeit zu machen, ohne dauernd nach diesem Roman zu schielen. Ich muss das Buch ins Auto legen, damit unsere Redaktion heute im Büro arbeiten kann.

> https://t.co/vPFfv4UN7G pic.twitter.com/BLtFyC1HQA

— blog-klett-cotta (@KlettCottaBlog) October 31, 2018

und dann ein Feiertag. Lektüre den ganzen Tag.

Fazit. Wohin führen diese Gewaltexzesse, die gebrochenen Knochen, das viel zu viele Blut? Muss man sich dem stellen, mitmachen, Rache üben oder wegschauen? Juan kann sich dem Strudel kaum oder gar nicht entziehen. Es nicht die Liebe zu Chelo, die ihn dann noch rettet, es ist ihr wildes so ungestümes Verhältnis, mit dem es ihr doch irgendwie gelingt, auf den Lauf der Dinge etwas  Einfluss zu bekommen um das Hochschaukeln der Gewalt zu unterbrechen. Der Roman ist so verfasst, als würden auf der Leinwand immer zwei oder mehr Filme gleichzeitig ablaufen. Das geht natürlich nicht so einfach, aber im Kopfkino funktioniert das und damit ist auch der Zusammenhang der Geschichten untereinander gesichert. Der Trick besteht wirklich darin, die aufeinanderabfolgenden Geschichten als einen Romanfluss erscheinen zu lassen. Der Wilde und das Wilde sind überall präsent, lassen sich nur schwerlichst bekämpfen und verhindern doch nicht dass das Gute zumindest auch da ist.

Guillermo Arriaga,
> Der Wilde
Aus dem Spanischen von Matthias Strobel
(Orig.: El Salvaje)
1. Aufl. 2018, 746 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-608-96177-5

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