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Lesebericht und Interview: Meike Stoverock, Female Choice. Vom Anfang und Ende der männlichen Zivilisation

Aufgezeichnet von Heiner Wittmann
8.3.2021

Die männliche Zivilisation geht ihrem Ende entgegen, das sieht Meike Stoverock in ihrem gerade bei Tropen erschienenem Band » Female Choice« mit dem Untertitel Vom Anfang und Ende der männlichen Zivilisation voraus.

Schluss mit den Möglichkeiten der Männer, Frauen, die sie begehren auszuwählen. Das was mit dem Beginn der Sesshaftigkeit begann mit allen weiteren Privilegien für den Mann, damit ist es vorbei. Nun so ganz zurück will Meike Stoverock doch nicht, aber sie rüttelt dennoch an allen Grundfesten der männlichen Zivilisation, um das Zusammenleben von Frau und Mann auf eine völlig neue Basis zu stellen. Die Frau soll in ihre ursprünglichen Rechte wieder eingesetzt werden, sie soll sich die passenden Männer für ihren Nachwuchs aussuchen können und es gibt auch einige kleinere Kompensationen für die Männer, die dann heute leer ausgehen würden.

Lesebericht und Interview: Meike Stoverock, Female Choice. Vom Anfang und Ende der männlichen Zivilisation

Gespräch mit Mike Stoverock, Female Choice

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Es gilt die Männerzivilisation, die vor ca. 10.000 Jahren mit dem Beginn der Sesshaftigkeit und der damit einhergehenden Rollenverteilung begann, komplett zu reformieren und den Männern die seitdem entstandenen  Gewohnheiten wieder zu nehmen. S, 13:  Vom Nomaden zum Bauern und Haben und Sein sind zwei Kapitel, die jedem Geschichtsbuch Ehre machen würden, Epochenüberblicke, die Schüler in ihren Geschichtsbüchern so schwer finden. Hier sehr lesenswert, präzise und einsichtig dargestellt, wenn hier auch manche Bewertungen, der Perspektiven der Autorin geschuldet sind.

Es geht wirklich um das Urprinzip der Partnerwahl, das ursprünglich nur von den Frau abhing: »Female Choice«. Mit ihrer Unterdrückung begann die Männerzivilisation, das Fundament unserer heutigen Staaten. (S. 13) das ist die Grundthese dieses Buches und es geht um nichts anderes, als diese Männerzivilisation endgültig zu überwinden. Warum eigentlich? Hier wird die Autorin richtig deutlich und erinnert an die mit der Female Choice verbundene „Sexuelle Selektion“: „Die Sexuelle Selektion durch die wählerischen Weibchen ist gleichzeitig das Werkzeug und der Ursprung evolutionärer Anpassungen, es ist die Stellschraube, an der sich der Erfolg von Individuen und Arten entscheidet.“ (S. 13) Wohlgemerkt, die Autorin will das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen, aber sie wünscht, dass wir über eine „neue Zivilisation“ nachdenken, „in der männliche und weibliche Bedürfnisse gleichermaßen berücksichtigt sind.“ (S. 23)

„Männer und die männliche Welt“ lautet die Überschrift des Kapitels, in dem Stoverock eine Geschichte der Männergesellschaft vorträgt, die sie auch als eine „einseitige Färbung“ (S. 56 ) bezeichnet, die es zu überwinden gelte, damit einher gehe auch die Neuverteilung der Macht, die im wesentlichen nur einige wenige Männer begünstigt.

Stoverock legt auch Erklärungen vor, wie es zum Aufschwung der Männerzivilisation kommen konnte. das lag im Grunde genommen an den für beide Geschlechter so unterschiedlichen Fortpflanzungskosten (vgl. S. 83), woraus sich so sehr stark abweichende Reproduktionsstrategien entwickelt haben.

Die Entstehung der Ehe war eine weiter eine weitere Etappe au dem Weg zu Männerherrschaft, die Mann und Frau kontrolliert. Damit entwickelt sich auch die Angst der Frauen vor unehelichen Kindern. Es geht nicht mehr darum, möglichst viele zu zeugen; Sex it einer Frau wird für den Mann zu einer wirtschaftlichen Gefahr.  Damit ist der Übergang von der Female Choice zum Male Choice vollzogen. Stoverock erinnert an den deutschen Kriminologen Christian Pfeiffer, der Anfang 2018 meine, Frauen zivilisieren Männer, wo echt etwas dran sei, meint die Autorin.

„Jahrtausende bleiben Frauen reine Statistinnen in der Geschichte,“ (S. 206),  diese Aussage ist der Optik der Autorin und ihrem Anliegen geschuldet, man kann ihr auch gar nicht widersprechen, das fehlende Wahlrecht, das verbot, Berufe zu ergreifen, fehlende Eigentumsrechte u.v.m. ( ib.) bestätigen die grundsätzliche Kritik Staverocks an der Geschichte der Männergesellschaft. Aber sie bestätigt auch den mutigen Einsatz Olympe de Gouges für die Rechte der Frauen während der französischen Revolution und die Autorin nennt auch weitere Frauen, die allerdings erst gegen Ende „einige gesellschaftliche Durchschlagskraft“ (S. 207) erreicht haben. Aber auch in anderen Epochen, z. B. in der Renaissance gab es durchaus Frauen, die wussten, wie sie ihre Stimme erheben konnten.

Die Pille zur Geburtenverhütung gewährt der Frau eine neue Freiheit, eine neue Identitätsbildung: „Was die Landwirtschaft für die Männer geleistet hat, nämlich das Leben zu erleichtern und mit Möglichkeiten zu füllen, leistet jetzt die Pille für die Frau.“ (S. 216)

Die Pille ist der Hebel: Ein neues Ziel tut sich auf: „die vollständige Dekonstruktion des männlichen Systems.“ (S. 217). Ein Blick nach Norwegen mit seiner vorbildlichen Familienpolitik lohnt sich: S. 220-223. Die Überwindung des Abtreibungsverbot als Domäne der androzentrischen  Zivilisation ist ein weiterer Schritt: S. 246-257.

Eine neue Zivilisation soll nach den Vorstellungen der Autorin entstehe, dazu gehören auch neue Formen der unverkrampften Sexualerziehung, die schon in der Familie beginnen muss. Dann gibt es aber doch einigen Stoff zum Nachfragen bei der Mike Stoverock:  „Sex für alle. Wege aus der Incel-Falle“ (S. 278 ff.)

Eine Rückkehr zum Nomadentum hat Stoverock nicht im Sinn, aber der Gedanke die Mutter-Kind-Einheit politisch und gesellschaftlich wieder in den Mittelpunkt zu stellen (S. 306) – mit allen Konsequenzen fügen wir hinzu – ist eine wichtige Forderung. Der Autorin ist bewusst, dass Besitz und Geld mit Ihrer Förderung der Männergesellschaft am schwierigsten zu reformieren ist, das ginge wohl nur über eine politische Regulierung des Marktes, wo mit auch die Verteilung zwischen Arm und Reich betroffen ist sowie eine gut Erziehung, die ein „Eskalieren natürlicher Triebe“ (S. 337)  verhindert. Stoverock ruft dazu auf, die „alternativlos scheinende  Grundbedingungen der jetzigen Weltordnung zu hinterfragen“.

Radikal klingt ihr Ansatz, bei der Lektüre bleibt dieser Eindruck bestehen, aber die historische Herleitung ihre Überlegungen und Argumentationen regen zum Weiterdenken und zur Diskussion an. Was zunächst danach klingt, eine 10.000-jährige Geschichte revidieren zu wollen, erweist sich als eine Aufforderung, die bedingungslose Männerherrschaft in Frage zu stellen. Ganz so bedingungslos ist diese Herrschaft allerdings nicht, ohne weibliche  Beteiligung wäre sie gar nicht möglich, aber es geht der Autorin um eine gerechtere Verteilung der Ansprüche und Rechte, die auch aus den biologischen Grundlagen und deren Entwicklungsbedingungen hergeleitet werden können.

Heiner Wittmann

Female Choice

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Beteiligte Personen

© Annette Hauschild, OSTKREUZ

Meike Stoverock

Meike Stoverock studierte Biologie mit Schwerpunkt Evolutionsökologie und promovierte im Bereich Epidemiologie. Die komplexen Wechselwirkungen zwischen Le...

Meike Stoverock studierte Biologie mit Schwerpunkt Evolutionsökologie und promovierte im Bereich Epidemiologie. Die komplexen Wechselwirkungen zwischen Lebewesen und ihrer Umwelt sind ihr besonderes Steckenpferd. Seit der #Aufschrei-Aktion 2013 beteiligt sie sich immer wieder an Geschlechter- und Gesellschaftsdebatten.

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