trustedshops
Käuferschutz
/ 5.00
|

Nachgefragt und Lesebericht: Luisa Neubauer, Alexander Repenning Vom Ende der Klimakrise Eine Geschichte unserer Zukunft

Aufgezeichnet von Heiner Wittmann
4.9.2019

Bei Tropen ist der Band von Luisa Neubauer und Alexander Repenning »Vom Ende der Klimakrise. Eine Geschichte unserer Zukunft« erschienen.

Luisa Neubauer, die bekannteste deutsche Klimaaktivistin, und der Soziologe Alexander Repenning entwerfen hier die Geschichte unserer Zukunft. Mittlerweile sind die Prognosen in Sachen Klima sehr genau und erschreckend. Kritisierte man bisher die Klimaforscher für überzogene Vorhersagen, wo wird jetzt allmählich klar, dass jetzt der Vorwurf an sie lauten muss, sie waren  mit ihren Prognosen bisher zu vorsichtig.  Neubauers und Repennings‘  Ansagen lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Wenn wir jetzt nicht den Kurs ändern, schaffen wir uns selbst ab, so lautet eine ihrer Thesen.

Nachgefragt und Lesebericht: Luisa Neubauer, Alexander Repenning Vom Ende der Klimakrise Eine Geschichte unserer Zukunft

Nachgefragt: Luisa Neubauer, Alexander Repenning, Vom Ende der Klimakrise Eine Geschichte unserer Zukunft

Bitte akzeptieren Sie das Marketing-Cookie.

Das Buch soll aufrütteln und zum Nachdenken bringen: „Was tun, wenn man mitten in der größten Krise der Menschheit steckt und niemand handelt?“ steht als Leitfrage am Anfang ihres  Buches. Neubauer und Repenning zeigen sich überzeugt davon, das Lösungsansätze für die drohende Klimakatastrophe mehr oder weniger bewusst verschleppt oder ignoriert wurden und immer noch werden. Zugleich zählen sie im ersten Kapitel alle Folgen dieser Klimakrise auf, die uns bereits heute beschäftigen: Die zunehmenden Flüchtlingsbewegungen, Krise der repräsentativen Demokratie, ökologische Krise, Bodendegradation, Artensterben, zunehmende Umweltverschmutzung, um nur einige Beispiel zu nennen. (vgl. S. 16 f.)

Reppenning und Neubauer erzählen beide, wie sie noch vor dem Abitur mit den Fakten der Klimakrise in Berührung kamen und wie sie begannen, sich für die Klimafrage zu interessieren: Neubauer: „Wir müssen aus unserer Komfortzone“ (S. 20) heraustreten. Bis zum Ende des Jahrhundert muss mit einer Steigerung der Jahresmitteltemperatur zwischen 2,8 und 4,7 Grad gerechnet werden. Dabei gibt es auf dem Weg dahin mehrere Points of no return, (= „klimatische Kipppunkte“ S. 62, S. 127, 133) wie sie unserer Redaktion auch im Interview am 4. September 2019 erklärte: Der Beginn des Auftauens der Permafrostböden ist ein solcher Punkt, hat es erst einmal begonnen, setzt er einen Dominoeffet in Gang, der nicht mehr zu stoppen ist.

Ob das aktuelle Hochwasser in Venedig schon ein Vorbote dieses Klimawandels ist? Der unmittelbare Zusammenhang ist sehr wahrscheinlich, zumindest zeigt es uns, auf welche Szenarien wir uns gefasst machen müssen.

Betrachtet man, was getan werden müsste, um der globalen Erderwärmung Einhalt zu gebieten, werden die Maßnahmen immer radikaler ausfallen müssen, je länger gewartet wird, denn beide Autoren sind davon überzeugt, dass die Weltwirtschaft heute darauf angelegt ist, dass die von ihnen beklagte Zerstörung anhält. (S. 31) Sie nennen die Gesellschaft, die uns umgibt, nicht zukunftsfähig (S. 37) und zeigen mit dem Beispiel der Insel Nauru mitten im Pazifik, wie Raubbau und Umweldsünden, dieses Inselparadies vernichtet haben: S. 38-44.

Gegenüber dem Versagen der Politiker berichten beiden Autoren, wie sie ihre Zukunft selber in die Hand nehmen wollen und wie sie ihre ersten Demos organisiert haben. Neubauer erzählt von ihren Treffen mit Great Thunberg und ihre Evaluierungen der Ergebnisse des Weltklimarates. Anthropozän heißt das neue Zeitlader , das vom zerstörerischen Einwirken des Menschen auf seine Umwelt geprägt ist. (S. 51)

Man hätte diese Krise verhindern können, S. 52 ff., weil die Warnungen schon frühzeitig ausgesprochen wurden, zu denen beide Autoren viele Belege nennen. Und das Pariser Abkommen #COP21, das sie eine „diplomatische Meisterleistung“ nennen und das eine Begrenzung der Erderwärmung „well below two degrees“ anvisierte:

> Artikel zu #COP21 auf dem Frankreich-Blog

Neubauer und Repenning werfen der Politik vor, der Jugend die Zukunft zu klauen. Möglichkeiten wurden nicht nur von der Politik auch von den größten Energiekonzernen der Welt verpasst. Und der Kampf gegen das Waldsterben in den achtziger Jahren und der Erfolg im Kampf gegen den Abbau der Ozonschicht sind BeispielE erfolgreicher Mobilisierung, die beide jetzt in einem ungleich größeren Stil erfolgreich gegen den Klimawandel inszenieren möchten.

Der Weg dahin ist angesichts der vielen Versäumnisse kompliziert, da jetzt die Information über die Auswirkungen der Krise und die Reaktionen gegen sie eigentlich gleichzeitig erfolgen müssten, damit die erforderlichen Aktionen überhaupt noch eine Chance haben, Wirkungen zu zeitigen: Darum geht es im 3. Kapitel „Uns fehlt eine Utopie“: Es gibt eigentlich kein Narrativ, dass die Folgen des kommenden Klimawandels uns drastisch vor Augen führt. Die letzten heißen Sommer, die statistisch gesehen, die Erwärmung hinreichend belegen, werden irgendwie dann doch nicht als Alarmzeichen bewertet. Folglich ist die Klimakrise auch eine „Verantwortungskrise“ besonders seitens der Politik, die mit einer „Kommunikationskrise“ eng verbunden ist. Elf Jahre blieben bis zum 1,5 Grad Ziel, wird es nicht erreicht, erleben wir den klimatischen Point of No-Return.

Beide Autoren suchen nach Gründen, wieso die Politik das Thema Kampf gegen den Klimawandel so sehr verschleppt hat. Sie machen dabei auch einen Schuldigen aus: das ist das ungezügelte Vertrauen in den Markt, der alles schon richten werde. Nein, sagen beide, Angebot und Nachfrage helfen nicht weiter, der „fossile Kapitalismus“ (S. 141 ff.) wird diese Klimakrise nicht in den Griff bekommen. Deshalb ist die Klimakrise auch eine „Wohlstandskrise“ (S. 161), die Berichte über den Klimawandel stören nur und es fehlt im gesellschaftlich-medialen Diskurs in den uns bekannten Narrativen zur Zukunft die Klimakrise, sie ist merkwürdig abwesend, weil bislang die Fakten nicht ernstgenommen wurden und die Wissenschaftler eher zu vorsichtig klangen, aber in ihren Prognosen sogar weit unter dem lagen, was uns mittlerweile erwartet. Betrachtet man den Aufmerksamkeitsgrad der Politik bezüglich des Klimathemas, so ist doch seit der > #COP21 in Paris ein Umdenken zu erkennen, das aber den beiden Autoren noch nicht weit genug geht.

Die Lektüre dieses Buches ist so ungemein anregend, weil hier nicht nur die harten Fakten aufgezählt werden, sondern beide Autoren ihren Erkenntnis- und Verständnisweg so spannend nachzeichnen. Die ersten Inforationen und der Vergleich mit den Aktionen der Politik! Dabei merkten sie früh, dass da etwas nicht stimmt: „Wir leben auf Kosten anderer“, (S. 167) lautet eine ihrer Ansichten, die Ausbeutung anderer zugunsten unseres Wohlstandes in den Blick nimmt. Folgt man der Argumentation der beiden Autoren, wird klar, wie sehr die Wirtschaftsströme u. a. auf ungebremstem CO2-Austoß beruhen.

„Informiert Euch!“ (S. 207 ff). Wenn die Politik nicht in der Lage ist, ein der kommenden Katastrophe entsprechendes Narrativ zur Verfügung zu stellen, müssen, so die beiden Autoren, wird das selbst in die Hand nehmen. Jeder kann mit dem Kampf gegen den Klimawandel selber beginnen, indem er sich nicht mehr darauf verlässt, der Nachbar oder die Politiker im fernen Berlin werden es schon richten: „Fangt an zu träumen:“ S. 225-231.

Ihr Buch ist ein Aufruf an uns alle, an Politiker, Unternehmer, Bürger, jeder muss aktiv werden. Aber wie? Beide Autoren zeigen mit »Vom Ende der Klimakrise« Lösungsansätze auf, die bereitliegen und endlich in die Tat umgesetzt werden müssen. Sie zeigen aber auch, mit welcher Haltung wir dieser Ausnahmesituation begegnen können: unerschrocken, aber besonnen.

Heiner Wittmann

Vom Ende der Klimakrise

Eine Geschichte unserer Zukunft

7,99 €
7,99 € (A)
In den Warenkorb
Lieferbar
Versandkostenfrei nach D, A, CH; inkl. Mwst.

Beteiligte Personen

Alexander Repenning

Alexander Repenning, geboren 1989 in Hamburg, unterstützt die Klimastreiks von Fridays for Future seit ihren Anfängen. Er engagiert sich für politische Pa...

Alexander Repenning, geboren 1989 in Hamburg, unterstützt die Klimastreiks von Fridays for Future seit ihren Anfängen. Er engagiert sich für politische Partizipation, Klimapolitik und globales Lernen und schrieb u.a. für attac und den Blog Postwachstum. Für die Right Livelihood Foundation, den Alternativen Nobelpreis, arbeitet er daran, Aktivismus und akademische Welt stärker zusammenzubringen. Er lebt in Berlin.


© Axel Martens

Luisa Neubauer

Luisa Neubauer, geboren 1996 in Hamburg, ist eine der weltweit bekanntesten Klimaaktivistinnen. Die Geographiestudentin lebt in Göttingen und Berlin. Zul...

Luisa Neubauer, geboren 1996 in Hamburg, ist eine der weltweit bekanntesten Klimaaktivistinnen. Die Geographiestudentin lebt in Göttingen und Berlin. Zuletzt erschien von ihr und Alexander Repenning Vom Ende der Klimakrise (2019) und mit Bernd Ulrich Noch haben wir die Wahl (2021). Seit 2020 hostet sie den Klimapodcast 1,5 Grad.

Das könnte Sie auch interessieren

Science Communication-Medaille 2023

Science Communication-Medaille 2023

Wir gratulieren Katrin Böhning-Gaese zum Gewinn der diesjährigen Science Communication-Medaille!

Interview mit Bernd Ulrich

Interview mit Bernd Ulrich

Luisa Neubauer, Bernd Ulrich: Noch haben wir die Wahl. Ein Gespräch über Freiheit, Ökologie und den Konflikt der Generationen