Es stehen Aufgaben oder Entscheidungen an. Auch ganz harmlose. Jemanden anrufen: „Ach nee, Du könntest ja stören…“. Ein Geburtstagsgeschenk kaufen: „Hat sie das verdient?“ oder ein Schüler will sich melden: „Pass auf, dass Du nichts falsches sagst“ oder „Bist Du sicher, dass Du das kannst?“ oder „Das kannst Du doch nicht.“ Sie steht vor dem Kleiderschrank, gleicht geht die Oper los: „Dieses Kleid geht nicht, dafür bist Du zu dick.“ Er will beim Fußball mitspielen und hört. „Die Anderen werden bestimmt sagen, das kannst Du nicht.“ Ein Besprechungstermin steht an, eigentlich müssten die Fakten auf den Tisch: „Denk bloß nicht, du wärst wichtig!“ Eine Bewerbung muss geschrieben werden: „Die letzte Bewerbung war nicht erfolgreich, warum sollte diese erfolgreich sein?“ Haben Sie schon jemals so eine Stimme vernommen, wenn sie auch nur ein Gefühl war, etwas, das Ihnen ein negatives Argument unterschob, dieses oder jenes mal eben nicht zu tun oder was anderes zu lassen? Irgendwas brachte Sie dazu, linksherum, statt rechts herum zu gehen, diesen nicht anzurufen, obwohl sie das eigentlich jetzt gerne gemacht hätten. Das Fatale ist, diese innere Stimme ist immer irgendwie destruktiv, sie spüren zwar, dass es da etwas gibt, was sie relativieren will, man könnte fast sagen bändigen oder gar zähmen möchte, egal wie, immer wieder kommen solche Momente vor: Ihr Kollege drückt Ihnen eine Digitalkamera in die Hand: „Wir brauchen von der Veranstaltung ein paar Fotos.“ Sie hören „Du kannst damit nicht umgehen,“ und sagen, „Damit kann ich nicht umgehen,“ anstatt: „Wo muss ich draufdrücken, etc.“ Wenn irgendeines dieser Beispiele auf sie zutrifft, dann hätten wir da was für Sie:
Angelika Rohwetter stellt in ihrem Buch mit dem Untertitel „Strategien und Übungen für ein gutes Selbstwertgefühl“ > Innere Kritiker, Verfolger und Zerstörer vor. Ein Ratgeber, der alleine nicht helfen kann, aber, und das erklärt die Autorin auf einleuchtende Weise (S. 10-12) zum Entdecken, Mit- und Nachdenken anregt. Mit praktischen Übungen, wie man die innere Mannschaft am besten kennenlernt: Den Inneren Kritiker, der vorgibt, unser Gutes zu wollen, aber immer nur negative Vorschriften macht, den Ungeschickten Verteidiger (S. 26 ff. et passim), der die Aussagen des Inneren Kritikers relativieren will: „Mit dem PC kannst Du auch nicht so gut umgehen, und Peter kann sowieso besser photographieren.“ Keine Hilfe, weil Sie wieder nicht oder immer noch nicht ihr Talent zum Photographieren entdecken können. Das Gute Objekt (S. 30 ff.) Sind Sie mal früher von Personen in besonders hilfreicher Weise unterstützt worden? Haben Sie Erinnerungen an etwas, was dann sehr gut gelaufen ist? Jemand, der für Sie in einer brenzligen Situation eingesprungen ist? Dann kommen Sie diesem „guten Objekt“ schon näher. Dann sind da noch die Inneren Kinder (S. 34 ff.) mit ihren vielfältigen und mehr oder weniger intensiven Erinnerungen. Reaktionen auf manche Situationen, die sie heute erleben, fallen mehr oder weniger heftig aus, und das hat seine Gründe in Kindheitserfahrungen (vgl. S. 35 f). Was manche überhaupt nicht aufregt, vielleicht, weil sie es gut einordnen können, bringt andere zur Weißglut, weil sie schon früher schon mal darüber gestolpert sind und irgendeinen Nachteil davon hatten. Und es gibt noch eine weitere Instanz das ICH, das alle andern Instanzen umfasst. (vgl. S. 37)
„Nimm Dich nicht so wichtig.“ „Musst Du Dich immer in den Vordergrund spielen?“ erinnern Sie sich noch an diese Sätze? Dabei fällt mir Max Stirners Buch ein: > Das Einzige und sein Eigentum“ (1844), dessen erstes Kapitel: „Ich hab‘ Mein‘ Sach‘ auf Nichts gestellt“ so anfängt: „Was soll nicht alles Meine Sache sein! Vor allem die gute Sache, dann die Sache Gottes, die Sache der Menschheit, der Wahrheit, der Freiheit, der Humanität, der Gerechtigkeit; ferner die Sache Meines Volkes, Meines Fürsten, Meines Vaterlandes; endlich gar die Sache des Geistes und tausend andere Sachen. Nur Meine Sache soll niemals Meine Sache sein. »Pfui über den Egoisten, der nur an sich denkt!«“ Nach allem sollen wir uns richten, alles soll unsere Sache sein, aber wir selber werden von unseren Lehrern und möglicherweise auch von den Eltern und folglich auch von uns darüber vergessen. In der Straßenbahn, im öffentlichen Raum, auf Plätzen, in Cafés, ja sogar in der Schule erleben wir ständig, wie Kinder zurechtgewiesen werden, tu dies, tu das nicht, sei vorsichtig, pass auf, hör auf damit, jetzt nicht, komm darunter, sei nicht so albern, sei mal leise, das ist jetzt nicht dran, hör mal zu, bei so vielen Anweisungen, kann man eigentlich ständig nur heulen… fällt Ihnen auf, wie wenig Kinder in der Öffentlichkeit mal richtig lachen, irgendwelches dummes Zeug machen, albern sind und die Erwachsenen mitlachen? Wie wenig Lehrer sind mir im Gedächtnis, die mich dazu ermunterten und anleiteten, den Lernstoff auszuprobieren, ohne Angst zu haben, jeder Fehler werde mit einer schlechten Note bestraft. Ist Eltern heute bewusst, dass sie dafür verantwortlich sind, aus ihren Kindern starke Kinder zu machen? Ihnen glückliche Momente (vgl. S. 36) zu verschaffen? Oder gar > Neuanfänge zu wagen?
Dieses Buch stellt die Mannschaft der inneren Instanzen vor, die die Oberhand gewinnen, wenn Sie sie nicht ein wenig im Zaum halten. Erst wenn Sie diese Mannschaft kennengelernt haben, und die Verhältnisse unter ihren Mitglieder im Dialog mit Ihnen selbst beobachten können, können Sie auch manches ändern. Die Kardinalfrage lautet . Kann man sich von der Herrschaft des Inneren Kritikers und des Ungeschickten Verteidigers befreien? Ja, folgen Sie den Übungen, die Angelika Rohwetter vorschlägt. Und nebenbei gibt es viele Einsichten und Erfahrungen, die die Autorin mitteilt, um ihr Anliegen zu verdeutlichen. Viel hängt von guten Beziehungen ab, die schon dem Kind vermittelt werden. Heimweh haben eher die, die zu Hause ein schwieriges Elternhaus haben (vgl. S. 64) Für die Schwierigkeiten beim Aufbauen von Beziehungen ist der Innere Kritiker verantwortlich. Er verstärkt Bindungsprobleme aus der Kindheit. (vgl. S. 71) Noch ein Beispiel. Der Innere Kritiker lässt uns oft Nein sagen, sagen Sie doch mal fröhlich ja… das gibt auch mal Belohnungsstoffe (vgl. S. 74).
Ganz konkret wird Angelika Rohwetter, wenn sie Ihnen beibringt, die Mitglieder dieser inneren Mannschaft, einzeln zum Gespräch zu bitten. So wird der Innere Kritiker gezähmt. Auf Seite 91 ff. finden Sie einen pfiffigen Test, den sie später nochmal machen, und sie werden die Veränderungen erkennen.
Angelika Rohwetter
> Den inneren Kritiker zähmen
Strategien und Übungen für ein gutes Selbstwertgefühl
1. Aufl. 2015, 160 Seiten, broschiert
ISBN: 978-3-608-86049-8
Friederike Potreck-Rose
> Von der Freude, den Selbstwert zu stärken
Fachratgeber
11., erweiterte Aufl. 2015, 130 Seiten, broschiert, mit Hör-CD
ISBN: 978-3-608-86047-4