Lesebericht: Paul J. Kohtes / Nadja Rosmann,
Mit Achtsamkeit in Führung

Führungskräfte sind ständig unterwegs, sind oft nicht zu sprechen, sie sind voll guter Vorsätze, oft im Stress, von der Routine getrieben, keine Zeit, sich selber mal zwei Minuten zu beobachten, ständig unter Strom, sich selbst den Sachzwängen unterwerfend, und wenn dann mal der Akku sich zum Ende neigt, suchen sie hektisch einen Coach, um die Dinge wieder auf die Reihe zu bekommen.

Wir hätten da was für Sie.

Der erste flüchtige Blick auf das Cover ließ uns Mediation lesen… Dazu passte das Bild aber gar nicht. Nein, der Untertitel des Bandes von Paul J. Kohtes, Nadja Rosmann > Mit Achtsamkeit in Führung lautet „Was Meditation für Unternehmen bringt. Grundlagen, wissenschaftliche Erkenntnisse, Best Practises“. Um Meditation geht es, die in der Geschäftswelt auch „Achtsamkeit“ (vgl. S. 15) genannt wird. Meditation? Sich hinsetzen oder irgendwo entlang gehen und sonst gar nichts tun? Das passt nun überhaupt nicht zu modernen Bildschirmarbeitsplätzen, wo der Blick stets in die Ferne des Internets oder auf umfangreiche Zahlenkolonnen gerichtet sind, die dort ständig defilieren und permanent die vielen Workflows des Unternehmens dokumentieren. Da schickt es sich einfach nicht, mal einen Moment gar nichts zu tun. Was wird man dabei alles verpassen, und außerdem könnten einen die Kollegen sehen oder gar der Vorgesetzte.

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„Bessere Konzentration, erhöhte Aufmerksamkeit, verringerte Stressresonanz“, darum geht es in dem Buch von Paul J. Kohtes und Nadja Rosmann. Und damit werden Führungskräfte angesprochen. Ihnen wird vorgeschlagen, mal einen Moment innezuhalten und dieses Buch aufzuschlagen und dabei einen Moment darüber nachzudenken, wie es wäre, wenn ihr Unternehmen einmal über das Thema Meditation nachdenken würde. Die Perspektiven der Meditation klingen verlocken: Unternehmen können „die äußeren Zwänge, die sie sich zu eigen gemacht haben, … durchschauen und wenn sich durch dieses Loslassen eine neues Gefühl der Freiheit einstellt, dann eröffnen sich Möglichkeiten, die vorher nicht absehbar waren.“ (S. 17) Ohne Meditation heißt das Change Management und man beauftragt gerne teure Berater dafür.

Die beiden Autoren stellen einen kurzen Abriss der historischen Entwicklung von Aufmerksamkeitsspraktiken vor: S. 20-33. Im Kapitel „Wirkungen von Meditation aus Sicht der Wissenschaft“ werden Konzentration, Achtsamkeit und Stressmanagemnt im Zusammenhang mit der Vermeidung von Krankheitsbildern erläutert: Besser Selbsterkenntnis und die Kultivierung positiver Gefühle (S. 41) stehen dabei im Vordergrund. Wie funktioniert das? Die Meditation hilft dem Einzelnen persönliche Erfahrungen zu relativieren und als veränderbar wahrzunehmen. Es gibt Abteilungen in Unternehmen, die jahraus jahrein vom Rhythmus des Kalenders sich treiben lassen, ohne sich von derartigen Konditionierungen lösen zu können: „Achtsamkeitspraktiken stimulieren die Fähigkeit des Gehirns, neue Synapsen zu bilden und Neuronen zu generieren,“ (S. 40) das heißt, Neues das Führungskräfte motiviert und sich besser entfalten lässt, bedarf eines Anstoßes, eines Kicks, der „Wahrnehmungs- und Handlungsfreiheit“ (S. 41) erfordert.

Meditation kann nicht einfach so eingeführt werden, indem man die Mitarbeiter auf ein Fortbildungsseminar schickt. Zuerst muss man sich das Unternehmen, seine Strukturen – seine Unternehmenskultur ansehen. Paul J. Kohtes und Nadja Rosmann untersuchen daher im Kapitel „Unternehmenskultur und Wertehorizonte“ die „Meditation im Spannungsfeld unternehmerischer Interessen und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen“: S. 76-102. Fast ein eigenes Buch! Hier werden kurzgefasst interessante Anregungen gegeben, mit denen Organisationen betrachtet und analysiert werden können. Paul J. Kohtes und Nadja Rosmann erklären die Unterschiede zwischen traditioneller Unternehmenskultur mit ihrer ausgeprägten Statushierarchie, die oft immer weiter ausgebaut wird, auch wenn flache Hierarchien als nützlich und wertvoll bereits anerkannt worden sind, und moderner Unternehmenskultur, die Individuen gerne fördert aber auch die Entwicklung zum Einzelkämpfer und die „Tendenz zur Selbstüberschätzung“ begünstigt. (vgl. S. 83). Behutsam zeigen die Autoren, wie Fehlentwicklungen in festgefahrenen Unternehmenskulturen durch Meditation korrigiert oder positiv beeinflusst werden können. Es geht um neue Formen der „Integrationsfähigkeit“ (S. 87).

Wie entdeckt man die Widersprüche in Organisationen? „Meditation lässt Menschen genauer hinsehen, sich selbst und die eigenen Motivationen klarer erkennen und die Außenwelt schärfer wahrnehmen,“ (S. 101) lautet die Empfehlung der beiden Autoren. Das ist wie in der Literatur, wenn die Dinge beim Namen genannt werden, verlieren sie ihre Unschuld, der Leser betrachtet sie sofort unter einem anderen Licht, und so beginnt jeder Veränderungsprozess, erklärt Sartre in Was ist Literatur? (1947). In diesem Buch sagt er auch: „Il faut appeler un chat un chat“, man muss die Dinge bei ihrem Namen nennen. Das ist oft schwierig und viele trauen sich nicht,
> Wider den Gehorsam zu handeln. Das haben wir schon immer so gemacht, und neue Gedanken sind bloß ärgerlicher Sand im Getriebe der täglich so erfolgreichen Routine, die Mitarbeiter mit neuen Vorschlägen nicht stören oder aufhalten dürfen. Diffuse Angst ist auf beiden Seiten vorhanden, und vielleicht umso mehr, je stärker und festgefügter eine Organisation hierarchisiert ist. Am besten machen Führungskräfte den Anfang und denken unter Anleitung über die Entwicklung ihrer Unternehmenskultur nach. Kein tagelanges Durchleuchten der Organisation mit externen teuren Beratern. Die Meditation verordnet ein Innehalten, schafft Freiräume, selber einen anderen Blick auf die eigene Organisation zu entwickeln, das ist kurzgefasst die Botschaft von Paul J. Kohtes und Nadja Rosmann. Leistungshemmnisse wie Stress und ständigen Zeitmangel abbauen und im Unternehmen ein neues Miteinander zu entdecken, darum geht es.

Wendet man sich der Meditation zu: „Damit geraten zwangsläufig Bereiche in den Blick, die im Geschäftsleben bisweilen knapp unterhalb der Wahrnehmungsschwelle verbleiben, beispielsweise die latente Spannung zwischen privaten und unternehmerischen Direktiven,“ (S. 101) kommentieren beide Autoren. Für beide ist Meditation ein Master-Tool, „das eines mit Sicherheit bewirkt: den Schleier der Vorstellungen, die wir darüber haben, wie die Welt ist beziehungsweise, wie sie sein muss, zu lüften.“ (S. 103)

Es folgen Szenarien, wie Meditation in Unternehmen eingeführt werden kann. In einem 2. Teil werden Best practices vorgestellt: Beratungsunternehmen, die Firmen und Organisationen auf dem Weg in eine erfolgreiche Meditation begleiten.

Paul J. Kohtes, Nadja Rosmann
> Mit Achtsamkeit in Führung
Was Meditation für Unternehmen bringt. Grundlagen, wissenschaftliche Erkenntnisse, Best Practises
1. Aufl. 2014, 276 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-608-94865-3