Lesebericht: Steve Ayan, Lockerlassen

ayan-lockerlassenDenken Sie zu viel? Dann lesen Sie dieses Buch: Steve Ayan > Lockerlassen. Warum weniger Denken mehr bringt:Der Untertitel dieses Buches von Steve Ayan > Lockerlassen, das schon in der zweiten Auflage 2016 bei Klett-Cotta erschienen ist, kann missverstanden werden. Es geht nicht um weniger Überlegung und Nachdenken sondern um die missliche Konzentrierung per dauerndem Nachsinnen auf das eigene Ich. Habe ich das richtig gemacht? Hätte ich nicht…? Oder sollte ich das oder das jetzt machen? Was denkt der /die über mich?

Bei manchen kommt das Gedankenkarussell überhaupt nicht zur Ruhe, dreht sich mal langsamer, mal schneller und wirkt – und das ist entscheidend – wie eine Fremdbestimmung über den eigenen Willen: „So paradox es klingen mag: In vielen Fällen habe wir tatsächlich mehr davon, wenn wir uns und unserem Tun weniger Aufmerksamkeit schenken.“ S. 15 Natürlich kann man das Nachdenken nicht einfach abschalten, so leicht geht das nicht. Aber, und davon ist der Autor dieses Buches überzeugt, man kann wieder die Herrschaft über sein Denken gewinnen und dieses (Selbst-)“Bewußtseinsfimmel“ S. 17 reduzieren. Die menschliche Natur will ja auch etwas ganz anders: Sartre erklärt in L’être et le néant (1943), der Mensch überschreitet ständig seine Situation (vgl. Gerhard Seel, > « La morale de Sartre . Une reconstruction », Le Portique [Online], 16 | 2005, Online since 15 June 2008, connection on 31 January 2017. URL : http://leportique.revues.org/737, Absatz 13 und 14) Der Mensch sei sich immer voraus und dadurch definiert er sich, lehrt der > Existenzialismus Sartrescher Prägung.

Kennen Sie das, wenn jemand ständig sagt, ich mache mir Sorgen, ich fürchte, dass… und dazu eine Unsicherheit ausstrahlt. Ist eine Perspektive erstmal gesichert oder hat die Person ihr Vergnügen an neuen Situationen und am Ausprobieren wiedergefunden, hören die Sorgen auf, und dahin will Ayan seine Leser bringe: „Die Krux am Zu-viel-Denken ist tatsächlich, dass viele es nicht für ihr Problem, sondern für ihre Lösung halten.“ S. 21 „Mut zur Selbstvergessenheit“ schlägt Ayan vor. Richtig gute Ideen gibt es beim Rasieren oder beim Umgraben oder bei einem Waldspaziergang oder man findet etwas, was man gar nicht gesucht hat: > Serendipität – oder bei Ayan, S. 31-33 – gibt es im ersten Kapitel. Dann kommt im zweiten Kapitel die Unterscheidung zwischen Geist und Körper dran, der mehr mitdenkt, als der Geist findet. Drittes Kapitel: Wird alles durch Abwägen besser? Am besten man lässt den Teig ruhen, die Angelegenheit präsentiert sich am andern Tag in einem ganz anderen Licht. Das vierte Kapitel erklärt das ständige Überschreiten. Assoziationen sind das Stichwort. Komischerweise kommen in den Pausen des Denkens oft die allerbesten Ideen, womit wir wieder beim ruhigen Moment des Rasierens sind.

ayan-lockerlassenSerendipität. Wann waren sie zum letzten Mal in einem > Buchladen und haben dort einfachmal geguckt und dies oder jenes Buch in die Hand genommen? Das muss man Ihnen nicht sagen, aber rund 40-50 % der Bücher, die Sie dort erwerben können, sind in der Lage Ihren Entscheidungen und damit Lebensumständen einen Kick wohin auch immer zu geben. Überraschende Begegnungen, ganz so, als ob sie rechts oder links herumgehen. Gedanklich lässt sich das alles nicht erzwingen, durch Nachsinnen und Nachdenken schon gar nicht, sondern durch ihr eigene Aktion. Sie fühlen sich unwohl und denken dauernd nach und hadern mit sich und der Welt. Ein Gespräch mit einem Freund, einer Freundin, der Besuch eines Cafés, der Gang ins Kino, die Verabredung zu einem Museumsbesuch, eine Kurzreise, ein Ausflug können alles auf den Kopf stellen, so als wenn sie einen spannenden Roman lesen und plötzlich merken, dass Sie ein paar Stationen zu weit gefahren sind. Wenn Sie das wegen etwaiger Folgen und Konsequenzen nicht besonders aufregt, dann haben Sie das Buch von Ayan richtig gut verstanden.

Sich auf neue Ideen einlassen. Neugierig sein. Das ist ein Modus, der Sie für die Serendipität empfänglich macht. Ziehen sie keine voreiligen Schlüsse, (vgl. S. 41) lassen Sie die Dinge auf sich wirken, genießen Sie Kunst und Literatur: „Serendipität heißt, Unsicherheit anzunehmen, statt sich davor zu fürchten und sich davon verrückt machen zu lassen,“ fasst Ayan diese Gedanken zusammen. Ablenkung ist ein eigener Abschnitt bei Ayan: S.48 ff.

Ayan meinte nicht weniger denken, sondern kreativer, abschweifender denken, Lust am Ausprobieren. Lesen Sie das „Intermezzo: Der Forscher“ S. 57 ff.

Embodiment: Wie reagiert der Körper auf Gedanken, was macht er aus ihnen und sie aus ihm? Lesen Sie bis S. 87 und es geht ihnen gleich ein bisschen anders. Übrigens Selbstaufmerksamkeit kann eingübte Mechanismen durcheinander bringen. So ist das auch, wenn zu viel nachgedacht wird: „Auf Analyse folgt Paralyse,“ zitiert Ayan Sian Beilock. Also schließen Sie die Tür ab und denken Sie darüber nach, ob Sie es auch wirklich tun. Rechts um, zweimal, Tür wirklich zu? Wenn Sie in der Garage im Auto sitzen: Ist die Tür zu? Wieviel Prozent der Nichtleser dieses Buches steigen nochmal aus,um nachzugucken, ob die Tür auch zu ist?

In Ayans Buch lernen Sie auch Nützliches über die Intuitionsforschung. (S. 96) „Das war Intutition,“ hat Ihnen sicher schon mal jemand gesagt. Bis S. 133 lernen Sie hier u.a, wie Entscheidungen zustande kommen. Gibt es Pausen im Gehirn? Das Unbewußte? Lesen Sie das 5. Kapitel über unsere graue Masse, die jedem SuperPC haushochüberlegen ist. Und wir machen so wenig daraus? Im 5. Kapitel geht es um „Epiphanie – („Berauschende Momente spenden Kraft und Sinn.“ S. 214) oder Die Macht der guten Momente“ S. 173 ff.

ayan-lockerlassenSie haben es eilig. Dann finden sie eine Zusammenfassung aller guten Gedanken dieses Buches auf S. 213-219.

Steve Ayan
> Lockerlassen
Warum weniger Denken mehr bringt
2. Druckaufl. 2016, 244 Seiten, Klappenbroschur
ISBN: 978-3-608-98049-3