Merkur 802 – März 2016

merkur-802Gestern gelesen: > MERKUR 802. Unser > monatliches Lesefest. Nein das ist keine Verlagswerbung. Früher bekam ich den MERKUR von meinem Bruder, der ihn abonniert hatte, und die Themen der Hefte passten immer irgendwie zu den Vorlesungen und Seminaren in Paris und Bonn. Also, jetzt ist vorgestern das Heft 802 angekommen – mit einem Schwerpunkt Gäste, Fremde, Flüchtlinge. Der Reihe nach:

Herfried Münkler findet, daß geraubte Kunst zuweilen auch durch Raub gerettete Kunst sein kann: „Kulturgütertransfer“? Hätte man einiges dem barbarischen Zugriff des IS entziehen können? Patrick Bahners hat die so dicke wissenschaftliche Edition von Mein Kampf durchgesehen, und fragt, ob diese Edition notwendig ist. Kann man das Machwerk Hitlers so entschärfen? Wozu und zu welchem Zweck, könnte man Bahners Ansatz zusammenfassen. Auch nach der 12000. Fußnote würde man immer noch zu dem Schluss kommen, dass es sich um einen rassistischen und niederträchtigen Text handelt.

Ulf Erdmann Ziegler untersucht die letzten Diskussionen zur „Pädophilie“ und die Irrungen und Wirrungen in der Frühphase der Grünen.
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Christian Demand hat sich WohnÄsthetik vorgenommen und untersucht ihre Bezüge zu einer Ethik. Roman Köster denkt über Sinn und Unsinn ökonomischer Prognosen nach. Man muss aber nicht immer Wirtschaftswissenschaftler sein, um kommendes Ungemach zu erkennen. Die Geisteswissenschaften haben es auch drauf. Es gab auch sehr hellsichtige Prognosen: „Am 12. März 1928, mehr als ein Jahr vor dem schwarzen Donnerstag am 24. Oktober 1929 berichtet Paul Claudel seiner Regierung über die Arbeitslosigkeit in den USA. Er nennt eine Zahl von vier Millionen und eine steigende Arbeitsproduktivität pro Kopf.( Vgl. P. Claudel, La Crise. Amérique 1927-1932. Correspondance diplomatique, hrsg. v. J.-M. Thiveaud, Paris : suite Editions Métaillié 2009, S. 23-26.) Am 30. Mai 1928 erwähnt er nebenbei das klingt wie eine Warnung, dass Kredite immer leichter vergeben werden. Eine enorme Stadtentwicklung, das starke Wachsen des Autoverkehrs, neue Industrien rund um das Radio, das Kino mit seinem neuen Tonfilm und die Kunstseide bestimmen den ungeheuren Aufschwung der amerikanischen Wirtschaft. Claudel weiß, es gebe „Wirtschaftskrisen“ und „Wohlstandskrisen“, und es könne bald eine Sättigung mit neuen Produkten geben.
Viele Finanzmittel, die für die Landwirtschaft und die Industrie benötigt wurden, seien jetzt durch Finanztitel gebunden, die in Krisenzeiten schwer handelbar seien. Und dann folgt die hellsichtige Bemerkung: Es sei sicher, dass im Falle einer Krise, der Verkauf dieser Titel, die so spekulativ gehandelt werden, eine Katastrophe für die ganze Welt bedeuten würde. (vgl. S. 36)“ H. Wittmann, Die Weltwirtschaftskrise von 1929 und die französische Literatur, in: H. Beutin u.a. (Hg.) „Wir müssen die Wahrheit über die barbarischen Zustände sagen“. Welt-Wirtschafts-Krisen und ihre Auswirkungen auf Gesellschaft, Politik und Kultur. Mössingen-Talheim: talheimer 2014, S. 45-66, Hier S. .“

Kulturgeschichte: Jonathan Beckman rezensiert den Band von Colin Jones, The Smile Revolution in Eighteenth-Century Paris, Oxford University Press 2014.

Zum Schwerpunkt über Flüchtlingsdebatte.Daniel Thym lehrt in Konstanz Europa- und Völkerrecht. Er erklärt die Grundlagen des Asylrechts und erinnert daran, dass es aber keine internationalen Vereinbarungen über die Migrationsrouten gibt, was die aktuelle Lage so sehr erschwert.


Ergänzung zum Schwerpunktthema:

www.france-blog.info hat mit der Präsidentin de Commission nationale consultative des droits de l’homme CNCDH in Paris auch über Flüchtlinge gesprochen:> Les droits de l’homme en France. Christine Lazerges, Présidente de la CNCDH répond à nos questions – 5. Februar 2016


Martin Burckhardt „Selfie mit Kanzlerin“ geht mit der Politik in Berlin hart ins Gericht und spricht von eine „Koalition organisierter Verantwortungslosigkeit“ (S. 72) Man hat die Tore aufgemacht, die Neuankömmlinge werden begrüßt, man spricht überall von Integration und tut so, als wenn die Flüchtlinge natürlich hierbleiben wollen, als ob sie selbstverständlich bereit wären, auch auf den Stuttgarter Wahlkampfplakaten werden auf eine etwas unfreundliche Art zur Anpassung aufgefordert.

Burckhardt ist nicht unsensibel für die durch die Netzwerke organisierte „administrative Potenz“ (S. 72), die diese Netzwerke wirklich sozial machen; er übersieht, nicht, dass „staatliche Aufgaben an die freiwilligen Helfer delegiert werden.“ (S.73) Nicht dass der Staat alles machen muss, aber er hat bei der Organisation der Flüchtlingsbetreuung das Heft aus der Hand gegeben.

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Heute, am 4.3. 2016, ging es beim Treffen zwischen Präsident Hollande und Bundeskanzlerin Merkel um die europäische Reisefreiheit und die Abriegelung der Seegrenze zur Türkei: DER SPIEGEL zitiert die Kanzlerin aus Paris mit diesen Worten: „Wir stimmen überein, dass wir unsere Außengrenze schützen müssen – um die Reisefreiheit innerhalb Europas zu erhalten und aus Sicherheitsgründen“, > Gipfeltreffen in Paris: Merkel und Hollande wollen merkur-802europäische Reisefreiheit retten.

Susanna Elm schreib „Über Bürger und Fremde im Römischen Reich“ und zeigt nebenbei wie wichtig gute Geschichtskenntnisse auch für das Verständnis des Potenzials der eigenen Epoche immer ist. Jens Soentgens Überschrift lautet: „Ökologie und Philoxenie“. Hier steht einiges über Gastfreundschaft, das viele Bedenkenträger, wenigstens zur Kenntnis nehmen sollten.

Remigius Bunia schriebt zum dritten Mal über Brüssel-Reportagen; kompliziert ist das mit dem Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive. Harry Walter hat ein Foto herausgekramt und wir sehen Soldaten und Modellbauschiffe.

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