Das Heft beginnt in diesem Monat mit dem 2007 verstorbenen Soziologen Karl Otto Hondrich, der in seiner > Abschiedsvorlesung 2005 über Gestern und Heute sein persönliches Leben mit der Geschichte seines Faches verknüpfte. Er erzählt bewegende Erinnerungen an die Arbeitswelt und an die Neugründung der deutschen Demokratie, wobei er auch gleich ihr Verhältnis zum Begriff der Nation untersucht. Die ganze Erfahrung eines langen Forscherlebens wird hier ausgebreitet mit dem Nachdenken über die Frage, wie können wir, was sollen wir aus der Geschichte lernen: (S. 290 ff). Der Philosoph Otfried Höffe erläutert, wieso aus gutem Grund das alte Prinzip „Furcht“ des Staates durch die Subsidiarität („Eine neue Antwort des Staates auf die Zeiten der > Globalisierung„) abgelöst wird. Volker Gerhardt glaubt, das Zeitalter des Humanismus habe erst jetzt richtig begonnen: „Über die Unabdingbarkeit der Humanität“. Einmal mehr stehen ästhetische Fragen im Vordergrund: Barry Schwabsky berichtet über ein neues Buch, das die Geheimnisse der modernen Kunstwelt aufdeckt. Richard Klein schreibt über Marianne Faithfull in der Musikkolumne und Jochen Hörisch über musikalische Themen. Hans Vaget hat sich die vierzehn amerikanischen Jahre von Thomas Mann angesehen. Hans-Martin Gauger denkt an Golo Manns hundertsten Geburtstag.
Ein bemerkenswerter Artikel kommt aus der Feder von Franz Kromka. Warum hat der Neid Hochkonjunktur, will er wissen, und warum sind Neid und Wut nicht stärker verbreitet, möchte man fragen, wenn man den Bericht von Franz Hertl aus unserer Arbeitswelt gelesen hat. Ein neues Raumbewusstsein erkennt Beate Meierfrankenfeld in der Literatur der Gegenwart. Und da ist tatsächlich was dran. Sie hat da wirklich eine interessante Beobachtung gemacht und auf die Notwendigkeit, Parallelen zwischen der > Stadtarchitektur, der Raumplanung, der Architektur und der Literatur hingewiesen. So wie zum Beispiel Victor Hugo mit seinem Roman Notre Dame de Paris den neu entstehenden Denkmalschutz in Frankreich beeinflusste und beförderte, so kann auch heute ein Roman die Missstände in unseren Städten aufdecken. Dann versteht man auch, wie schwer es Stadtplanern fallen muss, neue Viertel am Reißbrett oder auf dem Bildschirm zu planen und hinterher mit Kultur anzureichern – oder man baut zuerst > eine Bibliothek… Bodo Mrozek ist einfach losgewandert und hat sich im Bücherregal zum Thema Wandern umgesehen und so viel gefunden, dass man glauben mag, die ganze Nation sei ständig unterwegs.
> Merkur