Gerade rechtzeitig zum Urlaubsanfang ist das Augustheft mit Themen aus der Soziologie und der Politik erschienen. Niels Werber hat einen interessanten Aufsatz über den Ansatz und die Entwicklung der Systemtheorie Niklas Luhmanns (> Niklas-Luhmann-Gymansium in Oerlinghausen) verfasst und dabei den von André Kieserling jetzt aus Luhmanns Nachlass herausgegebenen Band Politische Soziologie besprochen. Dabei erklärt Werber, wieso die moderne liberale Demokratie ist eine Demokratie des Wartenkönnens und der Verzögerung ist.
Remigius Bunia erkennt den Individualismus der westlichen Gesellschaften als seine Stärke an, aber er warnt auch vor dem Schitern des Konzepts des Individualismus. Der erste Satz seines Beitrags: „Individuelle kreative Leistung ist unpopulär, stattdessen lobt man lieber ‚Schwarmintelligenz'“. Das erinnert an die > Macht der sozialen Netzwerke, die keineswegs so sozial sind und durch vorgeplante Kontaktaufnahmeprozesse den Teilnehmern ein bisschen Individualität wegnehmen. Außerdem konstatiert Bunia eine „Krise der Gleichheit“ (En passant, darüber kann man auch viel Nachdenkenswertes in Alexis de Tocquevilles De la démocratie en Amérique, 1835, 1840, nachlesen.) „…nicht in der Ungleichheit der Einkommen, sondern in der Ungleichbehandlung unterschiedlicher Lebensentwürfe liegt die Ursache für die Spannungen, die wir beobachten…“ (S. 664) Die Kritik an der kollektiven Intelligenz wie z.B. Wikipedia sie repräsentiert, fasst Bunia in einem Satz zusammen: „Individualität aber besteht in der öffentlichen Förderung der bestmöglichen individuellen Fertigkeiten, nicht in der Erfindung neuer Funktionärseliten.“
Ego Flaig zeigt das der Hautfarbenrassismus keineswegs eine Erfindung Europas ist: „Wie die Hautfarbe zum Rassismus fand“. Algis Valiunas erinnert an den Meinungsstreit zwischen der Bloomsbury-Gruppe und Winston Churchill über die Frage, für welche Werte der Zivilisation man kämpfen soll.
Michael Rutschky lässt uns in sein Tagebuch anlässlich der deutschen Wiedervereinigung hineingucken. In der Literaturkolumne fragt sich David Wagner, was habe ich eigentlich gelesen? „Ich serendipitiere“. Jens Bisky berichtet über die die Diskussion über „schrumpfende Städte“ und die Internationale Bauaustellung. Stadtumbau Sachsen-Anhalt 2010. Rainer Paris porträtiert den französischen Soziologen Jean-Claude Kaufmann „Das zersplitterte Ich“ und dessen Identitätstheorie. Christian Demand hält die Säkularisationsthese für einen Mythos. Thomas E. Schmidt, „Das Dilemma des gerechten Zorns“ legt uns kritische Anmerkungen zur aktuellen Missbrauchsdebatte vor.
< Gwynne Dyer, > Schlachtfeld Erde. Klimakriege im 21. Jahrhundert.
Erscheint am 18. August 2010 bei Klett-Cotta.
Zwei weitere ganz unterschiedliche Aufsätze fragen nach unseren Reaktionen auf den Klimawandel und beleuchten die Frage von zwei ganz entgegengesetzten Seiten: Eduard Kaeser glaubt nicht, dass wir in das Klimageschehen wirklich eingreifen können. Aber Bjørn Lomborg nennt über die Kohlendioxidemissionsreduzierung hinaus andere Strategien, mit denen wir die klimatischen Veränderungen einwirken können.