Das dicke Heft des MERKUR, das Doppelheft 9/10 ist erschienen: Sag die Wahrheit! Warum jeder ein Nonkonformist sein, aber nur wenige es sind. Die Autoren dieses Heftes untersuchen den Außenseiter von allen Seiten. Kann man eine solche Rolle wählen? Machen andere einen zum Außenseiter? Und gibt es überhaupt noch einen Platz, auf dem man sich als Nonkonformist behaupten kann, wo alle so tun, als würden sie den Konformismus vermeiden wollen. Kann man sich von allen abgrenzen, die auch Nonkonformisten sein möchten? Eine mögliche Lösung besteht in der Wahrheit. Also haben sich die Herausgeber dieses Heftes die Überschrift „Sag die Wahrheit!“ ausgedacht. Diese Aufforderung, so schreiben sie in ihrem Vorwort: „…will auf einen existentiellen Nonkonformismus hinaus, der das Risiko des Aussprechens als Verpflichtung nimmt, nicht als Warnung.“ (S. 754)
Karl-Heinz Bohrer und Kurt Scheel haben es sich zum Ziel gesetzt, „ein Manual, eine Art Graciánisches Handbuch für den zeitgenössischen Nonkonformisten vorzulegen,“ (ib.) und das erste Blättern verspricht eine spannende Lektüre. Schon zum ersten Beitrag von Peter Bürger, der Paul Valéry, André Breton, Jean-Paul Sartre, Jean-Jacques Rousseau und Georg Wilhelm Friedrich Hegel nennt, ist ein gelungener Auftakt zu diesem Heft. Auch > Sartre hat die Person des Außenseiters anhand der Biographie von Jean Genet untersucht, nachdem er in seiner Phänomenologie der Freiheit L’être et le néant (1943) die Autonomie des Individuums hergeleitet hat und später anhand seiner vielen Porträtstudien dargelegt, unter welchen Bedinungungen, nämlich der Unabhängigkeit und der Freiheit, Künstler etwas Neues schaffen können. Dazu passt es eigentlich nicht, dass Bürger die unbedingte Selbstwahl einem „bloß imaginären Akt“ gegenüberstellt. Aber Bürgers Argumentation passt vorzüglich zum Merkur, weil sie zum Nachdenken und zuweilen auch zum Widerspruch herausfordert und so Gewinn beschert. Auf diese Weise können die Artikel resümiert werden, die ich hier schon gelesen habe. Jetzt müssen die anderen Bücher von Klett-Cotta ein paar Tage warten, die Lektüre dieses Doppelhefts geht vor. Das wird Ihnen auch so gehen, wenn Sie das neue Heft zur Hand nehmen. Wie gesagt in der > Buchhandlung Klaus Bittner in Köln liegt das Heft schon an der Kasse.
> MERKUR Herausgeber Kurt Scheel im Deutschlandradio über Nonkonformisten
> Merkur
> Karl Heinz Bohrer, > Hans Paeschke und der Merkur Erinnerung und Gegenwart
in: Merkur, Nr. 510/511, Sept./Okt 1991