Wieder ein Heft voller Anregungen für alle, die sich für Geschichte und Literatur interessieren: Der MERKUR 753, 2/2012 beginnt mit dem Aufsatz des Schriftstellers und Unternehmers Ernst-Wilhelm Händler Das Wissen der Ökonomie, in dem er „Theorie und Praxis, Formen und Grenzen“ des Wissens untersucht, das die Wirtschaftswissenschaft über sich produziert. Er nennt das eine „Realitätsverdoppelung“, die Naturwissenschaftler nicht kennen. Um ihr Sachgebiet beschreiben zu können, suchen sich die „Akteure der Ökonomie“ Sachverhalte heraus, verwandeln sie in „Mittel-Zweck-Ketten“, um sie wieder auf die eigentliche Realität der Wirtschaft anzuwenden. (S. 91) Grenzen, Unsicherheiten und Unwissenheit werden berücksichtigt, aber vor „Allmachtsphantasien“ sind Ökonomen nicht gefeit. – Gunter Schäble hat Die jüdischen Kämme. Vier kleine Obsessionen verfasst, um herauszufinden, wieso in Nazideutschland die Menschlichkeit abhandengekommen war. Und er zitiert Generalgouverneur Frank, der auf den /seinen Antisemitismus 1919 verweist und damit andeutet, dass alles nicht erst 1933 anfing.
Berthold Franke lässt die Kohl-Jahre Revue passieren: Wut auf Kohl und will wissen Warum es so schwierig ist, seinen Frieden mit Kohl zu machen. Am Kanzler der Einheit, der im richtigen Moment die Chance zur Wiedervereinigung ergriff, werden sich noch lange die Historiker reiben müssen. Große und kleine Fehler wurden beim Einigungsprozess gemacht. Gab es die Einheit nur gegen den Euro? Die Spendenaffären haben seine Kanzlerschaft trotz ihrer beeindruckenden Leistungen in Misskredit gebracht. – Der Facharzt für Psychiatrie Markus R. Pawelzik unter sucht die „aktuelle Burnout-Epidemie „Wie erschöpft sind wir wirklich?“ Es gibt diese Erscheinung, aber es gibt sie mit diesem Namen erst ab 1975. Es ist ganz so, als sei dieses Phänomen zu diesem Zeitpunkt mehr erfunden als beschrieben worden. Es nennt eine Sammlung von Stressfaktoren, die aber einzeln zuweilen sehr wohl notwendig sind. Burnout ist aber dennoch ein ernstzunehmendes Gesundheitsproblem (S. 120), dem man sich mit der Untersuchung und Differenzierung zwischen Gesundheit und Krankheit (ib.) nähern kann. R. Pawelzik greift die Frage auch mal von der anderen Seite auf und nennt die Interessengruppen, die von Burnout sprechen und ihre Versuchung „neue Geschäftsfelder“ (S. 132) aufzutun.
Andreas Dorschel untersucht den eskapistischen Moment der Musik und interpretiert Gustav Mahlers Rückert-Lied (1901) „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ aus seinem Liebesfrühling (1823/36): „Musik inkorporiert keine Dinge. Dieser Zug hält sie auf Abstand zu dem, was man die Wirklichkeit nennt.“ (S. 141) – Jürgen Osterhammel hat die Geschichtskolumne Themenwechsel verfasst und untersucht die Themenfindung der Historiker. – Hansjörg Küster stellt in seiner Ökologiekolumne Prinzipien der Ökologie vor. – Valentin Groebner rezensiert Suzanne L. Marchands German Orientalism in the Age of Empire. Religion, Race and Scholarship (Campridge University Press, 2009), die die Orientwissenschaften an den Universitäten untersucht hat. – Gary Gerstle hat Richard Whites Studie Railroaded. The Transcontinentals and the Making of Modern America (New York: Norton 2011) gelesen. White ist von der Geschichte des Dampfrosses in den USA gar nicht so begeistert und nennt davor einleuchtende Gründe.
Rudolf Helmstetter steuert dieser Ausgabe Fünf Gedichte bei: „Ein Engel geht durch Stall und Stube / und macht die Pferde scheu /schon fährt die Kutsche in die Grube / als wär‘ ich nicht dabei.“ (S. 166)
An vorletzter Stelle äußert sich Till Dembeck Zur deutschen Romantik, und zu guter Letzt sagt uns Rainer Hagen alles über Hals und Kragen.