Merkur – Juli 2007

Anfang des Monats ist das Juli-Heft des Merkur erschienen. Was heißt unabhängig denken? fragt Karl Heinz Bohrer und erklärt „Ein freier Geist muß nicht immer subversiv sein.“ Sein Gewährsmann heißt Montaigne, der wie Bohrer schreibt, „die Rücksichtslosigkeit gegenüber gelehrtem Wissen expressis verbis zum Prinzip erhoben“ hat. Es ist die Formel „Momentanismus der Existenz“, mit der Bohrer die Unrast Montaignes und seine stete Absage an alles Festgefügte beschreibt, was Bohrer auch als eine vorweggenommene Absage an die Adresse des deutschen Idealismus versteht. Damit ist auch die Modernität Montaignes gemeint, die nicht unbedingt nur am Inhalt seiner Essais erkannt wird, sondern auch an ihrer Form, mit der Montaigne eine neue Gattung begründete. Friedrich Schlegel darf auch aufgrund seiner Entdeckung der Autonomie des Ästhetischen mit dem Intellektuellen Montaigne auf eine Stufe gestellt werden. Nietzsche gehört zu ihnen, weil er die Unabhängigkeit des Denkens als die erste Tugend des Denkens überhaupt thematisiert. Alle drei stellten keine Sinnfragen, sondern Formfragen, denen heute nachzustreben wäre, so Bohrer.

Gustav Seibt berichtet über en Fürst im Gartenreich: Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740-1817) und breitet in seinem Beitrag eien Kultur- und Sozialgeschichte von Anhalt Dessau aus. Graham Robb hat in den Tagebüchern der Brüder de Goncourt geblättert: Schätze der Eitelkeit lautet die Überschrift seines Beitrags, der richtiggehend Lust auf einer erneute Lektüre dieser wunderbaren Tagebücher macht.

Siegfried Kohlhammer wendet sich der Geschichte zu: > ‚Die Vergangenheit gebrauchen zum Nutzen der Gegenwart!‘ und schreibt über das Nanking-Massaker (1937/38) und die chinesische Geschichtspolitik.

Kenan Malik und Andere debattieren über die Mode des Entschuldigens: Es tut mir leid. Das Bedauern wird leicht ausgesprochen, es spricht aber nicht frei meint Anthony Grayling. Alle möglichen historischen Situationen, Ereignisse und persönliche Erlebnisse werden von den Diskussionsteilnehmern untersucht. John Torpey weist auf eine steigende Verantwortung der Staaten, beispielsweise bei den Menschenrechten hin, womit die zunehmende Zahl der Entschuldigungen erklärt werden könne. Malik weist auf den erforderlichen Mut bei Entschuldigungen hin. Auch die Diskussion über das Thema der Kollektivschuld macht diesen Beitrag lesenswert, führt er doch exemplarisch die Bedeutung einer historischen Debatte vor.

Joseph H. Reihholf fragt in seiner Ökologiekolumne, ob fremde Arten die heimische Natur bedrohen? Martin Seel untersucht den Begriff der Präsenz im Rahmen von Ästhetik und Kunsttheorie: Über den Kulturellen Sinn ästhetischer Gegenwart – mit Seitenblicken auf Descartes und Christophe Fricker votiert Für Metrum und Blankvers! und „Die Neuen Formalisten in der amerikanischen Lyrik“.

Das > Inhaltsverzeichnis der aktuellen Ausgabe des Merkurs