MERKUR: Mai 2010

Die Verspätung dieses Leseberichts ist ganz einfach zu erklären. Die Artikel dieses Heftes vertragen kein einfaches Überfliegen. Erst nach der Lektüre aller Beiträge kann darüber angemessen berichtet werden. Henning Ritter zeigt anhand von Schopenhauers Ethik wie nahe „Philantropie und Grausamkeit“ einander sind. Und dann die Erinnerungen von Alfred Gulden ans Origen-Mysterien-Theater mit der einfachen Überschrift Nitsch proben: „Aktionen kann man in Aktionen erleben“. Dirk von Petersdorffs legt einen Essay, der die romantische Ironie – 1789 – mit der historischen Ironie (1989) verbindet, vor. Martin Urmanns erklärt Die Transformation des Tragischen mit Formen des Dionysischen bei Nietzsche und Hofmannsthal.

Man kann es dem Schreiber dieser Zeilen gar nicht ankreiden, dass er erst drei Wochen nach dem Erscheinen dieses Heftes darüber berichtet. Der MERKUR hat die wunderbare Eigenart, Themen aufzugreifen oder zu setzen, die nicht unmittelbar mediengerecht den tagesaktuellen Hype aufgreifen, sondern daran zu erinnern, dass auch ganz andere andere Themen unser Denken bereichern müssen. Diese einfache Horizonterweiterung ist vielen unserer Medien verloren gegangen.

Thomas Frahm beglückt diese Ausgabe mit acht Gedichten:

„Am Morgen, still und noch fast unzerstört,
die Tasse auf das Wachstuch abzustellen,
bevor dein Kopf entschieden hat, wem er gehört,
genügt.“

Dann kommen die Kolumnen. Horst Dreier beschäftigt sich mit dem Recht: Staatsbildung als Vorgang der Konfessionalisierung. Kathrin Passig hat ihrer Internetkolumne die Überschrift Abschied vom Besten gegeben. Hier geht es um Produktempfehlungen. So schön und pfiffig viele Tweets auch sein mögen, der ganze elektronische Aufwand kommt an gute Leseberichte sowieso nicht ran. Andererseits ist das in technischer Hinsic, und sie mir gleich ein paar CDs zeigt, die ich gerne hören würde. Einerseits freue mich mich darüber, aber ich ärgere mich auch, dass man meine Vorlieben behalten, gefiltert und gespeichert hat, und die Technik mich auf bestimmte Produkte reduziert.

Markus Knell rezensiert die Autobiographien zweier Ökonomen János Kornai und Vernon L. Smith. Karl Heinz Bohrer schreibt über Kurt Flasch Agonales Denken und Sanford Schwatz hat sich die Bilder von Luc Tuymans Graue Magie angesehen. Wolfgang Marx hat einen interessanten Beitrag über das Gewicht der Sprache Die Sprache ist eng wie das Bewußtsein mitgebracht. Und dann zu guter Letzt noch Helmut Niemeyer mit seiner Rückschau auf die Matrosenanzüge.

Und der Lohn für diesen etwas zu späten Lesebericht? Das Juniheft müsste bald in meinem realen Postkasten liegen. Über Evolution und Natur.

> online-merkur.de