Ernst Jünger: Neuausgaben

In diesem Monat erscheinen bei Klett-Cotta mehrere Neuausgaben von > Ernst Jünger (1895-1998)

> Alle Bücher von Ernst Jünger – mit den Sämtlichen Werken

juenger-zeitmauer

Nach der Lektüre von Ernst Jüngers Buch > > An der Zeitmauer schrieb Hermann Hesse: Das Buch, das mich in letzter Zeit am längsten beschäftigt hat, ist Jüngers ›Zeitmauer‹. Um es gleich zu sagen: es ist ein überaus gescheites und gutes Buch, mit dem man eigene Empfindungen und Gedanken durch einen kompetenteren Mann bestätigt sieht. […] Das Buch ist eine Untersuchung über das Unbehagen in der heutigen Menschheit, zumal der abendländischen.« Jünger verstand diesen Essay als eine Fortsetzung von > Der Arbeiter (1932) (Eine Neuausgabe > Der Arbeiter erscheint bei Klett-Cotta am 24.1.2014) 1959 schrieb Jünger in einem Brief: „Das Buch hat sich zu einer Fortsetzung von ›Der Arbeiter‹ entwickelt, führt allerdings in neue Richtungen. Das Thema ist ungefähr die Schilderung der Überwältigung der Weltrevolution durch Erdrevolution. Manches davon deutete sich bereits im Arbeiter an.« – Kein Urteil über die Astrologie (S. 24), aber ein Nachdenken über sie und das führt zu ganz grundlegenden Fragen: „Man sagt, dass der Charakter das Schicksal formt.“ (S. 45).


Erinnerung:


„Auch ohne die Absicht, einen Lesebericht über dieses Buch schreiben zu wollen, hätte ich es in einem Zug durchgelesen. Trotz mancher tages- und umständebedingter Störungen, war es eine spannende Lektüre an einem Stück. Friedrich Georg Jünger (1898-1977) und Ernst Jünger (1895-1998) hatten beide als Brüder und Schriftsteller zusammen fast ein Jahrhundert deutscher Geschichte, ein Kaiserreich, eine Weltkrieg, eine Republik und ihr Scheitern, die nationalsozialistische Diktatur mit einem erneuten Weltkrieg und wieder eine Republik miterlebt: > Brüder unterm Sternenzelt. Friedrich Georg und Ernst Jünger.“ H. W., Lesebericht: Jörg Magenau. > Nachgefragt: Jörg Magenau, Brüder unterm Sternenzelt. Friedrich Georg und Ernst Jünger
1. Aufl. 2012, 320 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, 8 Seiten Tafelteil s/w
ISBN: 978-3-608-93844-9


Dieses Buch ist ein Essay im besten Sinne des Wortes, ein Essay, der seinen Gegenstand umkreist, ihn von mehreren Seiten angeht, immer wieder neue Assoziationen aufgreifend die Perspektive öffnet und wieder auf den Punkt zu bringen versucht: „Der Mensch ist geboren, damit er sein eigenen Schicksal lebt.“ (S. 53) In der Geschichte werden wiederkehrende Abläufe diskutiert, Zyklen, die in die Nähe der Astrologie gebracht werden: S. 65. Welche Spur verfolgt Jünger? „Die Einteilungen des Weltgeschehens in Großzeiten sind unbefriedigend, heißt es bei ihm, (S. 87) und seine Argumente wenden sich an Historiker, soll man von „Epochen“, „Zeiten“ oder „Schichten“ sprechen? (S. 111) Wie entstehen Brüche und Wendungen? z. B. S. 121 ff. Oder Katastrophen? (S. 155 ff.) Schließlich spielen auch technische Aspekte in diesem Essay eine Rolle, insoweit sie dazubeitragen, Entwicklungen zu beeinflussen und zu modifizieren: S: 167 ff. Und „Inwieweit ist der Mensch für seine Evolution verantwortlich?“ (S. 217)

> An der Zeitmauer
Broschierte Ausgabe
Hintergrundillustrationen Cover: Niklas Sagebiel
1. Aufl. 2013, 256 Seiten, broschiert
ISBN: 978-3-608-96069-3

1052_07_Juenger_Sturm.indd

In der Novelle > > Sturm mit ihrer literarischen Schilderung der Kriegserlebnisse sah Karl-Heinz Bohrer »einen Schlüssel zu Jüngers geistiger Disposition überhaupt«. Eine Beschreibung der Kriegsereignisse, der Erlebnisse im Grabenkampf und das Nachdenken über sich: „Das Bemerkenswerte ist, das bei diesem Vorgange wirklich eine Veränderung der Persönlichkeit erfolgt.“ (S. 13) Jünger schärft seine Beobachtungsgabe und berichtet über die Kameraden, ihre Interessen, ihr Verhalten und ihre Schicksale. Sturm ist einer von ihnen. Auch er steht mit den anderen vor der Leiche des Selbstmörders: „Hier hatte ein Einzelner gegen die Sklavenhalterei des modernen Staates ausdrücklich protestiert.“ (S. 12)


Erinnerung:

Bei Klett-Cotta ist im Oktober 2010 zum ersten Mal das Kriegstagebuch von Ernst Jünger erschienen. Helmuth Kiesel hat den Band mit präzisen Anmerkungen versehen und herausgegeben.

„Bei Ausbruch des Krieges meldet sich der 19-jährige Ernst Jünger als Kriegsfreiwilliger und wird Soldat des Hannoverschen Füsilier oder Infanterie-Regiment Nr. 73. Er wird die großen Schlachten in Flandern, an der Somme und bei Cambrai mitmachen und beginnt sogleich ein Tagebuch. Am 4. Januar 1915 schreibt er: „Ich bin sehr neugierig, wie sich ein Shrapnellbeschießung ausmacht. Im allgemeinen ist mir der Krieg schrecklicher vorgekommen als er ist.““ H.W. Lesebericht.
> Nachgefragt: Ernst Jünger, Kriegstagebuch 1914-1918. Ein Gespräch mit Michael Klett über das Kriegstagebuch von Ernst Jünger

Ernst Jünger, > Kriegstagebuch 1914-1918
Herausgegeben von Helmuth Kiesel
Auflage: 1. Aufl. 2010
655 Seiten
ISBN: 978-3-608-93843-2


> Sturm. Novelle
Novelle, Hintergrundillustrationen
Cover: Niklas Sagebiel
1. Aufl. 2013, 80 Seiten, broschiert
ISBN: 978-3-608-96067-9

Bereits vor dem Krieg hatte Jünger das Abenteuer gesucht und hatte sich 18-jähriger zur Fremdenlegion gemeldet. Der autobiographische Roman > Afrikanische Spiele erzählt von Jüngers abenteuerlichem Ausflug als 18-Jähriger zur Fremdenlegion, kurz bevor der Erste Weltkrieg ausbrach: „Es ist ein wunderlicher Vorgang, wie die Phantasie gleich einem Fieber, dessen Keime von weither getrieben werden, von unserem Leben Besitz ergreift und immer tiefer und glühender sich in ihm einnistet. Endlich erscheint nur die Einbildung uns noch als das Wirkliche…“ Jünger staunt über sich selbst, als er in sich die Entscheidung zur Flucht und dem Eintritt in die Fremdenlegion entdeckt: „Das war der Grund, aus dem das Wörtchen ‚fliehen‘ seinen besonderen Klang für mich besaß…“

> Afrikanische Spiele
Broschierte Ausgabe
Roman, Hintergrundillustrationen Cover: Niklas Sagebiel
1. Aufl. 2013, 184 Seiten, broschiert
ISBN: 978-3-608-96061-7

die Prosastücke von Jünger erscheinen zuerst 1929 unter dem Titel
> Das abenteuerliche Herz, „ein Wendepunkt seines literarischen Schaffens“ steht auf der > Website von Klett-Cotta. Mit diesem Buch wandelt sich Jünger vom bekannten Kriegsschriftsteller zu einem Literaten:

„Es wäre mir unmöglich, für meine Person die starke Anteilnahme aufzubringen, deren Vorhandensein ich nicht leugnen kann, verliehen mir nicht zwei Umstände eine gewisse Sicherheit.

Einmal besitze ich das bestimmte Gefühl, einem im Grunde fremden und rätselhaften Wesen nachzuspüren, und dies bewahrt vor jener pöbelhaften Eigenwärme, jener Stickluft der inneren Wohn- und Schlafzimmer, die mir am »Anton Reiser« unangenehm ist. Es verleiht dem Zugriff eine größere Sauberkeit, wie der Gummihandschuh den Fingern des Operateurs. Ich habe dieses Gefühl, als ob ein aufmerksam beobachtender Punkt aus exzentrischen Fernen das geheimnisvolle Getriebe kontrollierte und registrierte, selbst in den verworrensten Augenblicken nur selten verloren. Ja es schien mir oft, als ob in sehr menschlichen Augenblicken, etwa denen der Angst, dort oben etwas vorginge, was ungefähr einem mokanten Lächeln verglichen werden könnte. Aber auch andere Zeichen – Trauer, Rührung, Stolz – glaubte ich zuweilen gleich Signalen einer inneren Optik an jenem Fixpunkt zu erkennen, den ich als ein zweites, feineres und unpersönliches Bewußtsein bezeichnen möchte. Von dort aus gesehen, wird das Leben von noch etwas anderem als von Gedanken, Empfindungen und Gefühlen begleitet, seine Werte werden gleichsam noch einmal gewertet, ähnlich wie ein bereits gewogenes Metall trotzdem von einer besonderen Instanz einen zweiten Stempel erhält. Von dort aus gesehen, erhält dieses Treiben auch erst einen fesselnderen Reiz als den innerhalb der Bezirke einer selbstbewußten Vitalität möglichen.
Dann aber weiß ich auch, daß mein Grunderlebnis, das, was eben durch den lebendigen Vorgang sich zum Ausdruck bringt, das für meine Generation typische Erlebnis ist, eine an das Zeitmotiv gebundene Variation oder eine, vielleicht absonderliche, Spezies, die jedoch keineswegs aus dem Rahmen der Gattungskennzeichen fällt. Aus diesem Bewußtsein heraus meine ich auch, wenn ich mich mit mir beschäftige. nicht eigentlich mich, sondern das. was dieser Erscheinung zugrunde liegt und was somit in seinem gültigsten und dem Zufall entzogensten Sinne auch jeder andere für sich in Anspruch nehmen darf.“ (Hervorhebungen, H.W.)

Neugier, die zur Beobachtung und innere Werte, die immer wieder zum Vergleich zum Verglecih anregen, so analysiert Jünger auf der ersten Seite, seinen Hang zum Schreiben.

1938 erscheint eine stark veränderte Fassung > Das Abenteuerliche Herz. Figuren und Capriccios

> Das abenteuerliche Herz Erste Fassung
Aufzeichnungen bei Tag und Nacht
Broschierte Ausgabe
Hintergrundillustrationen Cover: Niklas Sagebiel
1. Aufl. 2013, 152 Seiten, broschiert
ISBN: 978-3-608-96062-4

Ernst Jünger als Reiseschriftsteller neuentdecken

Im Jahr 1936 unternahm Ernst Jünger mit dem Hamburger Luxusdampfer »Monte Rosa« eine knapp zweimonatige Reise nach Brasilien. Die Stationen und Ereignisse hat er in einem Tagebuch festgehalten, das 1947 unter dem Titel > Atlantische Fahrt erschien.

Detlev Schöttker legt in einer sorgfältig edierten Ausgabe den Reisebericht neu vor. Der Band ist angereichert mit bisher unveröffentlichten Briefen und Fotos sowie einem Nachwort des Herausgebers. Die Neuausgabe enthält neben Jüngers Tagebuch bislang unveröffentlichte Reisebriefe Jüngers an seinen Bruder Friedrich Georg sowie unbekannte Eintragungen aus dem handschriftlichen Tagebuch.

„An Bord, 24. Oktober 1936. Ich versuchte in meinem neuen Buch zu lesen, von dem ich ein Stück aus Hamburg mitgenommen hatte, und warf es dann über Bord. Es tauchte, ohne eine Spur zu hinterlassen, in den kristallenen Schaum. Woher mag dieser Widerwille kommen, kaum daß die Arbeit abgeschlossen ist? Daraus, daß die Idee stets unerreichbar bleibt und vor dem Traumesglanz die Niederschrift verblaßt?“ S. 12

AM 6. November geht die Schiffsgesellschaft an Land: „Um sechs Uhr ging die Sonne auf. Es wurde sogleich sehr warm. Ich streifte gerade durch eine Rodung, auf der bereits ein neuer Bewuchs mächtiger Büsche aufgeschossen war. Sobald sie der erste Sonnenstrahl berührte, erscholl, als ob ein unsichtbarer Meister den Taktstock erhoben hätte, ein grelles, vielstimmiges Konzert. Die schrillen Atlantische Fahrt Laute überwogen – das Schnarren von Zikaden, der Anschlag heller Glockenklänge, das Schwirren, mit dem die Säge im Holze kreist. Dazu durchschnitten helle, langgedehnte Pfiffe den Morgen, als ob Lokomotiven anführen. Vergebens spähte ich nach den verborgenen Musikanten aus. Merkwürdig war auch, daß der Trubel so plötzlich verstummte, wie er sich erhoben hatte, als ob Gott Helios einen Motor angeworfen hätte, der nun unhörbar weiterlief.“ S. 22 f.

Und dann folgen viele Tagebucheinträge, mit denen er die Bedeutung Brasiliens für die Zukunft erkannte. Rio de Janeiro beeindruckte ihn besonders: „Die Stadt macht einen mächtigen Eindruck auf mich. Eine Residenz des Weltgeistes.“

> Atlantische Fahrt
»Rio – Residenz des Weltgeistes«
Herausgegeben und mit einem Nachwort
von Detlev Schöttker. Mit 8-Seiten Farbteil.
1. Aufl. 2013, 208 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, mit 8-Seiten Farbteil
ISBN: 978-3-608-93952-1