Lesebericht: Jean Améry, Die Schiffbrüchigen

Eckkehard Eickhoff - VenedigDiesen Roman hat Jean Améry, damals noch Hans Mayer, vermutlich in den Jahren 1934 oder 1935 verfaßt.

Améry beschreibt die Geschichte von Eugen Althager, einem Juden im Wien Anfang der dreißiger Jahre, der den Verfall der bürgerlichen Kultur und seinen eigenen Abstieg miterlebt, ihn kommentiert, sich versucht, zur Wehr zu setzen und schließlich sich darüber im klaren wird, daß er den wachsenden Gemeinheiten um ihn herum, nichts mehr entgegensetzen kann.

Die Lektüre des Romans wirkt in vielen Passagen wir eine Vorwegnahme einzelner Gedanken, die später in den Werken Jean Amérys wieder erscheinen und die zum Fundament seines Denkens gehören.

 

Zwei Beispiele:

Dies wird noch deutlicher mit einer Formulierung in der folgenden Passage, in der Améry auf den „Mißkredit der Aufklärung“ zu sprechen kommt:

Diese Passage erinnert mich an die vielen Folgen, die ich früher im WDR III in der Sendereihe „Am Abend vorgestellt“ gehört habe, in denen Améry amerikansche Schriftsteller vorgestellt hat. Er berichtete von seinem Judentum, von dem Gestapomann, der an die Tür klopfte und „mich im Dialekt meiner engeren Heimat“ ansprach. Er stellte Autoren aus der Jugend unseres Jahrhunderts vor, erinnerte an Torbergs Schüler Gerber oder an Hesses Unterm Rad. Als ich aber in seinem Buch die Passage las, in der er von dem Misskredit der Aufklärung sprache, genügte ein einziger Griff in mein Kassettenarchiv. Mein alter Kassettenrekorder spielte die Ansage ab und im ersten Satz seiner Rede zum 250. Geburtstag von Gotthold Ephraim Lessing benutze Jean Améry die gleiche Formulierung, wie in der oben zitierte Passage, als er in Wolfenbüttel mit den Worten begann: „Wie bitter nötig wir Männer wie ihn gerade jetzt, in Tagen, da die Aufklärung in Misskredit gerät und ein neuer Obskurantismus sich hervortut…“.

Jean Améry, > Die Schiffbrüchigen. Roman mit einem Nachwort von Irene Heidelberger-Leonhard, Klett-Cotta, Stuttgart 2007.

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