Bestens vorbereitet durch sein Buch Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung (Köln: Gustav-Kiepenheuer 2008) hat Adam Soboczynski jetzt seinen ersten Roman > Fabelhafte Eigenschaften verfasst, der bei Klett-Cotta erschienen ist. Liebesroman, Künstlerroman, Gesellschaftsroman, Komödie und noch so einiges mehr steckt in diesem Buch.
Das Motto dieses Buches hat Baudelaire kürzlich getwittert.
Das steht in einer Anmerkung zu den „Fusées“ von 1867.
Fabelhafte Eigenschaften ist aber zunächst ein Künstlerroman. Es geht um Hans Weinling und seine Tiere, die er immer am Strand malt. Kein Strand ohne Tiere. Menschen kommen bei ihm nicht vor. Manchmal oder eigentlich immer steht er versunken in seine Kunst oder seine Gedanken vor der Staffelei und wartet auf neue Einfälle. Aber er beherrscht auch „die Kunst der Verführung“ (S. 14) Bei einer Vernissage steht plötzlich Julia vor ihm, die sich gerade im Streit von Sebastian getrennt hatte. Julia hatte den Maler schon mehrmals vergeblich um eine Interview für ihre Zeitschrift gebeten. Nun war es soweit, sie spricht ihn an. Duzt ihn einfach. Dieses erste Kapitel zeigt eine Fülle von sehr guten Beobachtungen des Erzählers, die Marotten des Malers, die knappe Manier von Julia, wie sie sich auf den Maler stürzt. Beim Vorlesen dieses ersten Kapitels merkt man, dass man jetzt den ganzen Roman sogleich lesen muss.
Dann der Mailwechsel von Julia mit Sebastian, die ihm nochmal seinen fiesen Charakter vorhält. Sebastian liest gerade ein Manuskript eines Freundes, der sich ein wenig an der Wirklichkeit um Sebastian herum orientiert hat: Ein Maler, der Tiere am Strand malt, eine Frau die sich mit ihm zusammentut, deswegen einen anderen verlässt. Schließlich antwortet Sebastian ihr und hält auch ihr ihren schlechten Charakter vor.
Hans Werling hat eine Tante, Eva Hersohn, eine Augsburger Kunsthistorikerin, die kürzlich mit Helene Kerst nach Madrid gereist war. Kersts Ex-Mann sitzt zu Hause und schreibt schon ziemlich an einer Biographie über Hannes Maria Wetzlar.
Julia und Hans beziehen für ihre Stelldicheins ein Hotelzimmer, sie mag nicht in seinem Atelier, er nicht im Doppelbett, wo Sebastian lag, sein. Erst später verbringt Julia längere Zeiten in seinem Atelier: dieser „starre Blick auf das unfertige Bild!“ (S. 49) Vielleicht war dafür das Hotelzimmer doch ganz gut, dann entdeckt man nicht so schnell die Marotten seines Liebhabers, die zu seiner gewohnten Umgebung dazugehören. Sie zwingt sich, diese Beobachtungen nicht überzubewerten.
Kersts Bewegungen in der Öffentlichkeit erinnern an Musils Beobachtungen von Privatheit und Öffentlichkeit: „Es zeichnet die Öffentlichkeit aus, dass man, sobald man sie betritt, es mit Fremden zu tun hat und mit ihnen verkehrt und zwar in einem klar umrissenen Rahmen…“ (S. 67) Herrlich, die Art, wie Sebastian beim Anmachen kläglich durch dumme unverschuldete Zufälle scheitert. Tassen gehen zu Bruch, er verzupft sich ganz geschwind. Zufälle? Aber Sebastian trifft doch nochmal mit Charlotte zusammen.
Erste Zweifel tauchen bei Julia auf, ob sie und Hans wirklich zusammenpassen, das steigert ihr Verlangen aber nur noch. Auf dem Küchentisch, dabei geht einiges zu Bruch, kurz darauf zerschellt auch eine Flasche an Sebastians Kopf, als er Julia und Hans unverhofft besuchen will.
Wie gesagt, auch ein Künstlerroman, der Hans Wernling und seine Kunst von allen Seiten zeigt, und auch Werner Kerst in seiner Versunkenheit und Andacht vor seinem Werk über Wetzlar vorführt. Beide werden von der Wirklichkeit immer wieder unsachgemäß gestört und aufgehalten. Dann ist da noch sein Sohn Mark, der mit gebrochenem Fuß im Krankenhaus strandet und den Kerst nun besuchen muss.
Langsam reicht es Julia: „Zwei große Kragenbären standen regungslos auf ihren Hinterbeinen am Stand.“ (S. 124) Schließlich zerstört Hans das Bild und wendet sich zärtlich Julia zu: „Mausi, Herzchen, Bärchen…“ (S. 126) Julia weiß nicht so recht, > ob sie die Kunst Weinlings hassen soll.. jedenfalls macht sie sich erst auf zu einer Shoppingtour, ein anderes Kleid bringt sie vielleicht auf andere Gedanken.
Es ist doch ein Roman über die Kunst! Tiere fragt sich der Künstler? „Den Tieren gefiel es, wenn sie von der Natur in die Kunst überführt wurden. Die Menschen
hatten keine Natur, man beförderte sie durch die Kunst nur von einer schäbigen Künstlichkeit in die nächste.“ (S. 171) Jetzt übernachtetet er fast täglich bei Julia – bis zum nächsten Streit.
Adam Soboczynski
> Fabelhafte Eigenschaften. Roman
1. Aufl. 2015, 206 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-608-98030-1