Gemäß unserer > Lesereihenfolge waren zuerst die beiden Bücher von Brigitte Kronauer, die gerade unter dem Titel > Poesie und Natur/Natur und Poesie. Essays angekommen sind, zu lesen.
Und es war wieder so wie damals, als wir ihren Roman > Zwei schwarze Jäger zur Hand nahmen: Die ersten Seiten (als „Maulprobe“ frei nach Flaubert) gelesen und dann das ganze Kapitel und dann das ganze Buch bis zur letzten Seite vorgelesen, diesmal waren es zwei Bücher, fast alle Kapitel haben wir zu Haus vorgelesen, viel Stoff zum Diskutieren.
„… Dabei geht es nicht so sehr darum, wie er liest, sondern es geht um den Stil des Textes, den er liest. Man kann sehen (und als Foto festhalten), wie die Geschichte und die Eigenheiten des Stils die Zuhörer immer aufmerksamer werden lassen. Das kann man beobachten. > Gustave Flaubert machte auch eine „épreuve du gueuloir“, eine Maulprobe, um seine Texte seinen Freunden vorzulesen, sie mochten sie oder auch nicht.“ > Vorgelesen: Zwei schwarze Jäger
Um es gleich vorweg zu sagen. Dieses Bücherpaket, diesen beiden Büchern von Frau Kronauer, können Sie sich selbst schenken oder damit schon mal mit der Besorgung der Advents- oder Weihnachtsgeschenke anfangen. Geeignet für alle, die sich für Literatur, ihre Wirkung, ihre Funktion interessieren. Eine Ästhetik der Literatur verbirgt sich hinter dieser Sammlung von Texten. Geschickt verbindet Brigitte Kronauer die eigene Biographie mit ihrem Schreiben, zugleich erklärt sie die vielfältigen Möglichkeiten der Literatur, ihre Verbindung zur Politik und zur Natur. Es geht um die Definition des Romans, um das Spiel mit Wahrnehmungen und Erinnerungen. Und der ständige Griff in ihr Bücherregal, so werden ihre Aufsätze auch zu einer > Literaturgeschichte auch ihrer eignen Romane. Bescheiden: „Was ist schon ein Roman!“ (S. 121) Nein, eine verbindliche Romanform kenne sie nicht, (vgl. S. 125) eher eine Formenvielfalt, die sie mit ganz verschiedenen Romanen belegt. Und dann wenn die letzte Seite gelesen ist, das Buch zugeklappt ist, entdeckt man auf dem Rücken, der „U4“, das gerade Gelesene als Affirmation noch einmal: „Ich glaube mehr denn je, es ist die Literatur, die uns, den schwankenden Akteuren des 21. Jahrhunderts, die alten stabilisierenden Verbindungen zur Natur garantieren können.“
Nehmen wir den ersten Band >Poesie und Natur Poesie und Natur zur Hand: Der erste Beitrag unter der Überschrift Mit Rücken und Gesicht zur Gesellschaft heißt „Über Avantgardismus“ und enthält Brigitte Kronauers Antworten auf die Fragen, was bedeutet mir die Literatur, was kann der Schriftsteller mit der Literatur machen: „Literatur ist für den Schriftsteller die präziseste Weise, sich auszudrücken. Genauer: seine spezielle Perspektive auf die Wirklichkeit zu rekonstruieren, indem er den Ab- und Eindruck, den sie in ihm hinterlässt, formuliert, also seine eigene, seinen Erlebnissen entsprechende Wirklichkeit in die Gegenwart stemmt.“ (S. 22) Am besten lesen Sie diesen Aufsatz und vergleichen die Poetik Kronauers mit ihrem Roman > Nachgefragt: Brigitte Kronauer, Zwei schwarze Jäger oder mit ihren > Paraphrasen auf alte Graubündner Sagen. Dieser Text „Über Avantgardismus“ ist auch für Schüler in der Oberstufe geeignet, um ihnen die Möglichkeiten der Literatur zu demonstrieren.
Mit „Über Politik in der Literatur“ geht es weiter – zwei Stellen habe ich besonders markiert: „Literatur als Kunstform, ob mit unmittelbar politischem Inhalt oder nicht, öffnet dagegen den Blick auf verschwiegene, übergangene, auch geleugnete Seiten unserer eigenen Existenz, auf den Diktator, den Fanatiker, den verhängnisvoll zu Exzessen der Abstraktion Fähigen, den Mörder, Opportunisten und manchmal Großmütigen, Tapferen in uns selbst!“ (S. 48) und „Literatur hat sich immer, ich darf daran erinnern, meines Erachtens der Prüfung zu stellen, sofern sie vordringlich ein soziales, ökologisches, politisches Anliegen hat, warum sie es denn nicht unmittelbarer, in Form von Reportage, Kommentar, Interview artikuliert. Mit anderen Worten: Sie darf sich nicht zu eingekleideten Aufgabe, zu ein wenig emotional aufgemöbelten Illustration degradiere.“ (S. 58) Danach kommt Wirkliches Leben und Literatur, ein Text, in dem sie das Verhältnis von Wirklichkeit und Literatur untersucht. „Vom Umgang mit der Natur und wie sie mit uns umspringt“ enthält eine autobiographische Skizze, wie sie mit Literatur in Berührung kam. Im dritten Teil dieses Buches fragt Kronauer nach der Definition des Romans.
Jetzt kommt der zweite Band, der rote Band, >Poesie und Natur Natur und Poesie dran: Marder und Kaninchen. Schon im Artikel > Ausgepackt oder Leseprogramm habe ich versprochen, diese beiden Bücher von Brigitte Kronauer verleihe ich nicht mehr, die will ich behalten. allenfalls würde ich Ihnen daraus vorlesen. So wie vorgestern und vorvorgestern zu Hause. Also zuerst Marder und Kaninchen. Es ist ein Vergnügen, ihre Texte zu lesen, aber auch sie zu hören. Die Konstanz der Tiere „Überpersönliche Identitäten“ – eigentlich müssten hier als Illustration meine Zoobilder von früher folgen… Dias, einscannen… „Die Tiere trugen die Insignien und Indizien ihrer Wesensbeschaffenheit, sobald man sie erkannt hatte, unmaskiert bei sich und waren daher viel überzeugender und auch freundschaftlicher ohne Verwischungen als die zwielichtige schwankende menschliche Umgebung.“ (S. 12) Klasse. S. 7-24 höchstes Lesevergnügen.
„Tierlos“: Über Canettis Über Tiere: Kindheit und Tiere. Dann das Ökosystem Elbe: Die Niederelbe. „Schweiz meiner Seele“, im Flachland? gefolgt von Vom Riesengebirge bis Cuxhaven. Wir Avantgardisten ist eine Rückbesinnung auf das was wir meinen, wenn wir „Natur“ sagen. Dann nimmt sie uns mit in den Botanischen Garten in Klein-Flottbeck: Demokratie n ihrer schönsten Gestalt. Um es klar zu sagen: Landschaft ist nicht Natur. Sprechen Tiere? Klar! Herr Hagenbeck hirtet S. 76-109.
Wie gesagt, die beiden Bücher behalte ich. Mal gucken, wem ich daraus demnächst wieder vorlese.
Brigitte Kronauer
> Poesie und Natur/Natur und Poesie
Essays
1. Aufl. 2015, 295 Seiten, 2 Bände im Schuber, gebunden, Leinen, geprägt
ISBN: 978-3-608-98303-6
Zur Erinnerung: > Vorgefragt: Brigitte Kronauer, Gewäsch und Gewimmel