Lesebericht: Evi Simeoni, „Schlagmann“

Arne Hansen ist der Achter-Schlagmann, der wie eine Maschine seine Boots-Mannschaft zum Sieg führt. Im realen Leben war es Bahne Rabe aus Lüneburg, der 1988 im Achter für Deutschland die Gold-Medaille holte und auf so erschütternde Weise 2001 gestorben ist. Evi Simeoni hat in ihrem Roman > Schlagmann die Umstände des Hochleistungssports kritisch unter die Lupe genommen. Es geht nicht um die vielen verschiedenen Motive, die Sportler zu Höchstleistungen antreiben. Ihr geht es um einen persönlichen Fall, Arne Hansen, den Schweigsamen, der durch den Sport zu extremer Höchstform aufläuft und dann nach den ersten Widrigkeiten ins Bodenlose abstürzt. Seine Freundin Anja und sein Teamkollege waren Zeige seines Verfalls, aber sie konnten ihn nicht retten.

Der Journalist Paco Müller sucht nach bald 20 Jahren nach dem Tod von Hansen Kontakt zu Anja und Ali. Anja zögert, dann empfängt sie Müller zu regelmäßigen Sitzungen, und er darf sein Tonband wie auch bei Ali aufstellen. Anja berichtet von der Faszination, die Arne auf sie ausstrahlte: „Wenn er einen Raum betrat, fuhren die Köpfe herum.“ (S. 36) Alis Welt ist die des Ruderns: „Wenn die Welt ein Ruderverein wäre, käme ich am besten mit dem Leben klar.“ (S. 44) Rudern und Kraftanstrengungen bis über die Schmerzgrenze fordern ihren Tribut. Arne ist oft völlig abwesend, kaum ansprechbar, kapselt sich ab, entwickelt oder hat schon merkwürdige Gewohnheiten und schon immer eine Heidenangst vor einem überflüssigen Gramm Körperfett. Die seltene Male, wenn er redete, duldeten keinen Widerspruch.

Anja wirbt um ihn, und Arne geht zuerst kaum auf sie ein. Anja bleibt hartnäckig, fühlt sich immer mehr zu ihm hingezogen. Sie fährt mit ihm nach Holland an die See, und als sie sich dann endlich näherkommen erschrickt sie über seine „Inbrunst und Heftigkeit“ (S. 82)

Ihnen fällt auf, dass Arne wenig oder nichts isst: „Der Arzt hat mir das Training verboten. Also brauche ich auch nichts zu essen,“ (S. 86) stellt er fest. Im nachhinein ist Ali traurig und enttäuscht: „Er hat uns sich selbst rücksichtslos angetan.“ (S. 90) Über seine Familie und damit über seine Herkunft erfahren sie nichts. – „Ich bin der Schlagmann, ich,“ (S. 113) lautete sein prinzipielle Ansage.

Später setzt der Trainer Ali als Schlagmann ein. Arne lässt sich das nicht gefallen, es kommt zum Duell im Einer. Arne verliert, entdeckt dazu noch Anja zusammen mit Ali und verlässt wortlos das Trainingslager.

Der Leistungssport war für Arne eine Art Identität, die ihm sonst im Leben fehlte, erinnert sich Anja. Nach dem Abbruch seiner Sportlerkarriere begann Arne zu hungern: „Arnes Folterknecht war er selbst.“ (S. 183) Anja und Ali können Arne nicht zur Umkehr bewegen. Es folgen Zusammenbrüche, Klinikaufenthalte und sein Tod. Seine Freunde wissen was er ihnen gegeben hat: „Ohne Arne gäbe es den Ali von heute nicht, “ gibt Ali 2009 zu.

Evi Simeoni hat ein Buch geschrieben, das sehr zum Nachdenken anregt. Wie wirkt der Hochleistungssport auf Sportler, die am liebsten jenseits der möglichen körperlichen und auch psychologischen Grenzen siegen wollen? Trotz der Nähe zu Arne ist er Anja völlig fremd geblieben. Was spornte Arne zu diesen Höchstleistungen an? Jemand der sich über seinen Sieg und gar eine Goldmedaille nicht freuen kann, musste doch Besorgnis auslösen. Bei Arne gingen Sieg und Scheitern ineinander über. Simeoni erzählt mit großem Talent das Drama seines Endes.

»Ein spannender, kluger und sehr sportkritischer Roman.« FOCUS, 02.07.2012

Evi Simeoni
> Schlagmann
2. Aufl. 2012, 276 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-608-93969-9

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