Dieses Buch gebe ich nicht wieder her. Hier wird die Erzählung im Buch zum Film, seine Form macht es jedem erdenklichen E-Book weit überlegen. So ein schweres schön ausgestattetes Buch bei Tropen! Mit Umschlag und einem festen Deckel. Fast Hochglanz- aber schweres, hochwertiges Papier, viele Abbildungen, die – man merkt es schnell – unverzichtbarer Teil des ineinanderverwobenen Textes sind. Mark Z. Danielewski, > Das Fünfzig-Jahr Schwert. The Fifty Year Sword, New York 2012, übersetzt von > Christa Schuenke.
Sprechen wir zuerst über den Inhalt. Wir werden Zeuge einer Halloween-Party zu einem fünfzigsten Geburtstag in Osten von Texas. Wir lernen die Näherin Chintana kennen. Sie lebt verlassen und hasst ihre Rivalin Belinda (50). Fünf Waisenkinder gibt es dort, deren Sozialbetreuerin nur im Sessel sitzt. Satzfetzen typographisch aufgebrochen – das erinnert an Mallarmés Le Livre(1> mit bunten Anführungszeichen wieder in eine Ordnung gebracht, berichten die Ereignisse. Ein Geschichtenerzähler in Schwarz vor einer unheimlichen Kiste – „Die vielen Scharniere zeigten allesamt nach innen und zu ihm hin.“ (S. 72) zu seinen Füßen erklärt: „Ich bin ein böser Mann, mit einem finsteren Herzen,“ (S. 76) und „Weil ihr noch jung seid, will ich euch erzählen von meiner Suche nach einer Waffe.“ (ib.) Danielewski hat für uns ein schöne und grausame Horrorgeschichte verfasst. Fünf Stimmen und fünf Farben mit bunt gestickten Bildern geschmückt treiben die Geschichte voran. Und es gibt ein apodiktisches Ende um Mitternacht zur Geisterstunde, das alle Genre zu überwinden will. Nochmal von vorne. Der geheimnisvolle Erzähler nähert sich erzählend dem Inhalt der dunklen Kiste. Wie war noch der Titel dieses Buches? Was passiert, als er den Deckel anhebt ? S. 132 f. So klar steht so etwas selten in einem Buch. Tarff, Ezade, Inedia, Sithjiss und Micit sehen hinein und … nein, ich werde nicht alles verraten, die Erzählung ist auf ihrem Höhepunkt. Die Geschichte ist nicht aus, man fängt am besten gleich noch einmal an, denn mit dem Wiederlesen ist das wie mit einem erneutem Gang durch die gerade abgeschrittenen Museumssäle. Was man da nicht alles an Übersehenem entdeckt. Vielleicht verlief die Geschichte doch ganz als beim ersten Lesen? Noch geheimnisvoller? „Und das war nicht das letzte Mal. Im Gegenteil, es war erst der Anfang.“ (S. 136). Vielleicht muss ich es noch ein drittes Mal lesen, wie gesagt ich verleihe es nicht. > Aber hier steht es auch.
„Wenn Mark Z. Danielewski – Autor von > Das Haus und > Only Revolutions – eine Schauergeschichte erzählt, geht es um nicht weniger als eine Waffe in den Händen des Erzählers,“ steht zu Recht auf der Verlagsseite. „Ein literarisches Kunstwerk.“ Aber auch als Buch, wenn Autor, Verleger und Buchhändler es loslassen und in ihre Hände legen, ist das ganz ähnlich, denn sie alle wissen nicht, was der Leser aus dem Buch macht. Das Immer-Wiederlesen offenbart, wie Literatur funktioniert.
Es gibt eine schmale kursiv gesetzte Anleitung auf S. 10. Dann kann es losgehen. Die Wortfetzen sind notiert, wie gerade gehört, als wenn es eine Tonbandabschrift wäre. Der Erzähler ist gar nicht mehr mit dabei; der Leser wird zum Beobachter des Geschehens, denn die Form dieses schönen Buches trägt noch mehr als in anderen Büchern das hier geschilderte Geschehen. Eigentlich müsste man das Buch mit verteilten Rollen lesen, nur so erschließen sich die Sinnbezüge zwischen den vielen Statements, die typographisch bis auf einzelne Wörter heruntergebrochen werden.
> Ein Gespräch mit Mark Z. Danielewski über Das Haus
> Im Literaturhaus photographieren: Mark Z. Danielewski, Only Revolutions
> ‘The Fifty Year Sword’ by Mark Z. Danielewski – By Steven Moore,October 26, 2012 – Washington Post
> Das Fünfzig-Jahr Schwert
Roman, aus dem Englischen von Christa Schuenke (Orig.: The Fifty Year Sword)
1. Aufl. 2013, 288 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, zehnfarbig, Fadenheftung
ISBN: 978-3-608-50126-1
(1) Jacques Scherer, Le Livre de Mallarmé. Premières recherches sur des documents inédits, Paris: Gallimard, 1957; erweiterte Neuauflage 1978.