Lesebericht: Nickolas Butler, Die Herzen der Männer

Manchmal betritt man einen Buchladen, vielleicht seinen > Lieblingsbuchladen, und schaut sich bei den Neuerscheinungen um. Man blättert hier, liest dort die letzte Umschlagsseite, die U4, auf der Suche nach dem fesselnden Buch, man möchte doch gerne mal wieder so was richtig Spannendes lesen.

Klett-Cotta hätte da was für Sie. Es ist der Roman von Nickolas Butler, der in der Übersetzung von Dorothee Merkel > Die Herzen der Männer gerade bei Klett-Cotta erschienen ist

Eine vierteilige Geschichte von der Freundschaft zwischen Nelson und Jonathan. Sie kennen sich aus vielen Begegnungen im Pfadfinderlager, wo ihnen alle möglichen Regeln von Anstand, Moral und sonst auch viele Fertigkeiten beigebracht werden, die ihnen außerhalb vom Lager das Überleben erleichtern soll. Das rauhe Leben da draußen ist aber noch viel unwirtlicher und stellt beide auf harte Proben. Dennoch, bis in in ihr hohes Alter hält ihre Freundschaft. Beide gehen unterschiedliche Lebenswege. Einige Vor- und Rückblenden präzisieren, was ihnen so zustößt im Leben und wie sie damit fertig werden.

Schon im Lager leidet Nelson an der Einsamkeit, an der Art und Weise wie die Anderen ihn schneiden, weil sie sich von seinem Wissen so gar nicht beeindrucken lassen wollen. Und Nelson gibt damit gar nicht an; er passt einfach nicht zu den Anderen. Aber Jonathan hält zu ihm und hilft ihm in brenzligen Situationen. Diese freundschaftliche Treue zählt, die wird Jonathan für sein Leben aus dem Lager mitnehmen.

Schon im Lager zeichnen sich einige Veränderungen für später ab. Verbote werden von einigen missachtet. Nelson versucht das im guten Glauben zu verhindern, bekommt aber auch zu spüren, dass er damit auch nicht ganz richtig liegt.

Der erste Teil schildert eine Art Lager-Sozialgeschichte. Die Abhängigkeiten, wer was zu sagen hat, die inoffiziellen Anführer unter den Jungen, der Run auf die Auszeichnungen, der Lagercodex, der gute Menschen aus ihnen machen soll. Aber Nelson bekommt auch die Gemeinheiten der Anderen zu spüren und wieder ist es Jonathan, der seine schützende, freundschaftliche Hand über ihn hält. Jugendspiele, der Kampf um die Fahne, enden im Chaos, wieder ist es Jonathan, der Nelson in letzter Sekunde noch so gut hilft, wie es gerade eben noch geht. Aber auch diese Freundschaft ist in Gefahr, weil Nelson letzten Endes auch nicht immer so loyal zu seinem Freund ist, wie dieser es erwarten könnte: „Das alle einem im Stich lassen werden. Alle,“ stellt Nelson fest und trompet wütend mit der Signaltrompete, als ob er die Kavallerie eine Attacke reiten ließe.

Nelsons gut gemeinte Entscheidung in einer bestimmten Situation im Lager hat Folgen für das Leben dort draußen und diese Episode deutet schon gesellschaftliche Veränderungen und gar den Niedergang der so heftig gepredigten Lagermoral an.

Die nächste Generation erscheint und rückt ebenfalls ins Lager ein. Jetzt bringt Jonathan seinen Sohn Trevor ins Lager. Der staunt über das, was er so von Nelson hört. Vietnam? Nein, meint Jonathan, Trev solle ihn besser nicht danach fragen. Und auch Jonathan verändert sich mit der Zeit. Er nimmt Trevor an Orte mit, wo er in dem Alter möglicherweise nicht hingekommen ist.

Eines Tages kommt dann Trevors Sohn Thomas kommt ins Pfadfinderlager. Mittlerweile ist vieles anders geworden. Vielleicht liegt das auch daran, dass sein Vater nicht mehr lebt und daher Teil der Erinnerungen für den Sohn nur noch aus Hörensagen besteht. Dafür kommt aber seine Mutter Rachel mit ins Lager. Nelson ist schon 70…

Jetzt wachsen die Kinder mit Handys, SMS, Facebook, Snapshat auf. Die die Eltern müssen das alles wohl oder übel lernen, wenn sie mit ihren Kindern noch Kontakt haben wollen, (vgl. S. 334, 338) und auf den Tablets flackern künstliche Lagerfeuer. Und im Lager gibt es auch keinen Trompeter mehr; die Reveille morgens kommt aus dem Sirenen, die Nelson hat aufstellen lassen.

Nein, eine Zivilisationskritik trägt Butler nicht vor, es ist der normale Lauf der Zeit, den er schildert, aber es klingt doch ein wenig durch, dass die Protagonisten doch auch ein wenig oder ein bisschen mehr ihre Lage beeinflussen können. Ganz filigran. Und auch das trägt zur Spannung dieses Romans bei: Was ist der Zug der Zeit, was verursachen die handelnden Personen, wofür sind sie im Sinne des Autors berantwortlich? Das würde ich den Autor gerne fragen: Nachgefragt.

Nickolas Butler
> Die Herzen der Männer
Aus dem Amerikanischen von Dorothee Merkel (Orig.: The Hearts of Men)
2. Druckaufl. 2018, 477 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-608-98313-5