Letzte Woche haben wir mit der Lektüre von Sandro Veronesi Die Berührten angefangen.
> Das Leseprogramm fürs Wochenende. Aufgeschlagen: Sandro Veronesi, Die Berührten
Durchgelesen! Das war so, als ob man mittendrin und ständig mit dabei gewesen wäre. Zwei Wochen in Rom. Nach der Hochzeit verreisen die frisch getrauten, sein Vater mit seiner neuen Frau Virna, mit der er eine nun schon etwa 17-jährige Tochter hat. Belinda bleibt während der zweiwöchigen Hochzeitsreise alleine in Rom zurück und soll sich um die Katze kümmern, die einen Besuch beim Tierarzt braucht. Außerdem, soll sie, so der Wunsch von Mètes Vater während dieser beiden Wochen bei Mète wohnen, der das aber gar nicht komisch findet, und der ihr nur aus dem Weg geht, derweil das junge Paar aus der Ferne ständig per Telefon die Lage prüft und Mète auffordert, er soll sich doch um seine Halbschwester kümmern. Dieser versucht alles, dies nicht zu tun.
Wir werden hier nicht alle Personen aufzählen und auch nicht lange die subversiven Plakate erwähnen, die Mète mit seinem Freund an die Theatertüren der Stadt klebt. Aber das Vorlesen. Zum Antesten der Bücher lesen wir immer einige Zeitlang (zuhause) vor und manchmal dauert die Lesung länger, und diesmal verschwand eine ganze Rotweinflasche dabei. Das war ab S. 163 bis 200 oder mehr. Beschreibungen werden hier gekonnt Teil der Handlung. Und dann steht sie auf einmal vor ihm, in ihrem langen weißen Nachthemd: „Mète…“. Und da war die Katze wieder, die beide bei Ihrer Arbeit beobachtete: Belinda gebeugt über Dantes „Inferno“: „Die Katze verband sie mit ihrem unruhigen Hin-und-Her-Wandern und trug Liebkosungen von einem zur anderen. Bis etwas geschah.“ (S. 178) Dann wird wieder telefoniert. Wieder ein Auftritt der Katze: „Die Katze bahnte sich einen Weg zwischen Mètes Beinen, wobei sie sich ausgiebig an ihnen rieb, bevor sie auf das Bett sprang.“ (S. 182) Ein richtiger Sommerroman. Zum Eintauchen, weil er spannend ist: „Die Katze lief auf ihrem Bauch hin und her und beschloss, sich auf ihren Brüsten niederzulassen, die sich gegen das schwarze T-Shirt drückten.“ (S. 183) Später fragt Mète: „Was hat die Katze?“ – Belinda: „Keine Ahnung, ich müsste mit ihr zum Tierarzt.“
Drogen mit der jüngeren Halbschwester. Sie zerbröselt das Zeug und reicht ihm den Joint. War voher Mète ständig unterwegs auf vielen Partys, immer überall etwas am Laufen, so stellt sich jetzt alles für ihn auf denn Kopf. Nicht wegen der Drogen, die steckt er so weg. Wieder ist auf der Flucht, vor wem?, vor Belinda? so recht weiß er das selbst nicht. Er vermeidet es zu Hause einzutreten, läuft um das Viertel herum, so dass die Carabineri schon auf ihn aufmerksam werden.
Veronesis Stil, der in der Übersetzung von Michael von Killisch-Horn so richtig gut rüberkommt, zieht den Leser in die Geschichte. Von der leeren Rotweinflasche habe ich schon berichtet. Und danach noch knapp zwei Stunden spannendes Lesepensum. Durch die Beschreibungen, die sich in der Wir-Form an den Leser richtet, ist dieser unmittelbar immer mit dabei. Wir lernen Mète richtig gut kennen. Ob er sympathisch? Das ist hier nicht die Frage, aber als Hauptfigur ist prima dargestellt. Und tatsächlich findet jeder nach seinem Geschmack den Punkt, wo Mète der Getriebene wird. Ab wann ihm die Dinge entgleiten, oder man darf sich auch fragen, ob er überhaupt jemals Herr der Lage war?
Als sein Vater ihm den Einzug von Belinda ankündigt, freut ihn das so sehr nicht, aber er guckt schon gerne zu ihr hinüber. Aber sie ist ja seine Halbschwester, die auch eine Katze mitgebracht hat.
Kommen Sie zur Lesung?
12.06.2014 | 20:15 Uhr – Buchhandlung Hugendubel – Königsstrasse 5 -70173 Stuttgart
Sie sind nicht in Stuttgart?
Zwei weitere Lesungen von Sando Veronesi:
Di., 10.6.2014, 18 h 30: Moderation: Dr. Anna Rottensteiner – Cafè Katzung, 1. Stock, Saal Pauli Herzog-Friedrich-Straße 16 6020 Innsbruck
Mi 11.6. 20 h 00: Moderation: Silvia Mazzini – Deutsche Lesung: Miriam Japp – Babylon Berlin
Rosa-Luxemburg-Straße 30 – 10178 Berlin
Sandro Veronesi
> Die Berührten
1. Aufl. 2014, aus dem Italienischen von Michael von Killisch-Horn, 384 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-608-93993-4