Unser Gastautor > Oliver W. Steinhäuser ist Student der Hochschule der Medien in Stuttgart.
Was macht das Leben mit dir, wenn du es einfach geschehen lässt? Mit welchen Kuriositäten wartet das Dasein in dieser Welt auf, wenn man gedankenverloren in jeden neuen Tag startet, frei von jeglichen Konventionen?
Pierre Hunter, der Protagonist in > Das stille Land lebt genau dieses Leben. Er hat den Hang dazu, sich kopfüber in Situationen zu stürzen, die er vorab nicht abzuschätzen kann. Nachdem Pierres Jugend durch den Tod seiner Eltern und das Ende seiner Beziehung zu Rebecca ein jähes Ende nimmt, arbeitet er als Barkeeper im noblen Jack of Diamonds. Genau wie die Spontanität seines Lebens, so unverblümt wird der Rezipient mit auf die Reise genommen, stets mit der Devise, dass keiner weiß, in welche Richtung sich das Leben entwickelt und wohin es den Protagonisten Pierre Hunter trägt. Pierre lebt in den Tag hinein. Unbeschwert. Als ihm die rästelhafte Stella das Leben rettet, nachdem er beim Schlittschuhfahren im Eis eingebrochen ist, bekommt sein Lebensweg einen Knick. Stella hat ein leerstehendes Haus am See. Prompt verlieben die beiden sich ineinander. Pierres Ausflug nach Kalifornien zieht ihm den Zorn eines gefährlichen Mannes zu, der auf Rache sinnt und ihn verfolgt. Stella erwartet die beiden schon mit einem schaurigen Geheimnis.
Alle Ereignisse bauen auf einer These aus Pierres Collegezeit auf: „Jeder Erfolg schafft die Bedingungen für dessen eigenen Niedergang. Ein einfaches Beispiel wäre das Feuer, das verzehrt, wovon es sich ernährt, und dann erlischt.“ (S. 90)
Auf seinem Weg trifft er eine Reihe von Menschen, von denen einige die Chance bekommen, in seinem Leben mitzuspielen, mit ihm weiterzuziehen, um weitere lapidare Begegnungen zu machen. Alle tragen gleichermaßen dazu bei, dass Pierres Leben temporär die Laufbahnen eines geordneten Lebens verlässt, um ihn im Anschluss mit Eifer auf die Bühne eines der aufregendsten Theaterstücke schleudert: Das Leben.
Zwischen allem Unerwartetem ist „Das stille Land“ eine Aufforderung an jeden einzelnen von uns: „Dass unser Planet und dieses Leben, das jedem von uns geschenkt wurde, Möglichkeiten bieten, die wir nicht begreifen. Daher verspielen wir sie Tag für Tag. Ich vermute, er hatte diese Einsicht ganz allein gefunden und wollte sie mit jemandem teilen.“ (S. 208)
Und am Ende bleibt insgeheim der Wunsch eines jeden, sich einfach einmal treiben zu lassen. Das Leben geschehen lassen und dessen Einmaligkeit zu genießen.
Und schon wache ich auf. Verkatert. Verschlafen. Ich kann mich an nichts mehr erinnern und finde dieses Bild auf meiner Kamera:
Welch genialer Streich des Lebens!
Das stille Land – außer Rand und Band.
Tom Drury,
> Das stille Land
Roman, aus dem Amerikanischen von Gerhard Falkner und Nora Matocza (Orig.: The Driftless Area)
1. Aufl. 2015, 216 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-608-98022-6