Wieder ein Buch, das, um hier nochmal einen auf diesem Blog schon arg stapazierten Ausdruck zu bemühen, wahrlich nicht S-Bahn geeignet ist, Sie fahren garantiert zu weit. > Gucken Sie in das Buch, das stimmt. Gelesen am Freitagabend und Samstag! Dr. Georg Glabrecht ist Wirtschaftssenator in Bremen. Manchmal etwas träge, drückt er den roten Knopf, um wegen dienstlicher Verrichtungen – die für ein ein kurzes Schläfchen bedeuten – gänzlich ungestört zu sein.
Die Konferenz in Oslo bringt alles in Rollen: das MO, die Maritime Oper, mit der Bremen sich schmücken will. Und dann erscheint noch Adriana, die Mitarbeiterin, des norwegischen Investors, die dazu beiträgt, dass Glabrecht alle Vorsichtsmaßnahmen vergisst und sich auch in sie verliebt. Das Behördenleben und die Beschäftigung der Hierarchie unter ihm, das Warten bis die Vorgangsmappen allmählich weder nach oben kommen, richtig viel hat Glabrecht nicht zu tun und kann sich daran freuen, die Untergebenen zu beschäftigen und ihr „mimetisches Archkriechen“ zu beobachten.
Zusätzliche Investoren werden in Bremen gesucht und gefunden. Die eigene Ehe empfindet er nicht als sexuelle Auslastung und freut sich auf die Beziehung mit Adriana, als sie selber endlich nach ihrer Begegnung in Oslo ein Mail schickt. Das Gebräu, mit dem Glabrecht sich morgens weckt (S. 122), würde jedem anderen eher erheblich schaden als ihnen auf die Beine zu helfen. In seiner Behörde wird gerne mit hohlen Phrasen gearbeitet und man könnte meinen, dass Schömel in seiner Direktheit der Senatsbehörde in Bremen ein wenig Unrecht tut. Was er aber aufs Korn nimmt ist die alltägliche, ständige Versuchung allen Gelüsten vom Geld bis zum Sex zu erliegen und ihnen alles andere unterzuordnen. Ganz direkt wollte Schömel nicht sein, so hat er wenigstens den Operbau von Hamburg nach Bremen verlegt und die Personen ausgetauscht.
Das Muster ist auch ohne Bezug zu Bremen schnell erkennbar. Großprojekte werden erdacht, sehr oft mit etwas undurchsichtigen Prozessen auf den Weg gebracht, eine Vorfreude in der Bevölkerung oder bei den Wählern wird entfacht immer in der Hoffnung, dass nicht allzuviel nachgefragt wird. Und die Initiatoren hoffen sich wenigstens unbeschadet oft sogar in gutem Glauben bis gerade über die Schwelle, ab jetzt wird gebaut, hinüberretten zu können. Ob Großprojekte gar nicht anders ins Werk gesetzt werden können? Glabrecht hat von allem etwas, Nonchalance der gestellten Aufgabe gegenüber, obwohl er manche treffenden Formulierungseinfälle hat, die von seinen Untergebenen sogar als völlig seriös gedeutet werden, ohne dass sie die Distanz ihres Finanzsenators wirklich ahnen. Außerdem ist Glabrecht mit seinem Körper und seiner Sexualität wirklich sehr beschäftigt. Ein Seitensprung und ein dubioses Geldgeschäft, das man in seiner Position besser vermeiden, sollte gehören bei ihm mit dazu. Und dann die Privilegien seines Standes, die er nur zu gerne genießt, auch wenn er sicher ist, „verglichen mit anderen Politikern und Machthabern ein vergleichsweise kleines Arschloch zu sein.“ (S. 36)
Skandale haben oft die gleichen Ursachen. Schömel nennt sie alle konzentriert auf einmal und zeigt, wie alles eine Zeit lang gut gehen kann, weil es eben oft so ist. Als Finanzsentor kommt es Glabrecht kaum in den Sinn, dass er nur an der großen Verschwendung mitarbeitet, die er offiziell mit sinnvollen Investitionen begründen kann, solange bis dann doch einige besorgte Fragen gestellt werden.
> Wolfgang Schömel
> Die Große Verschwendung
Roman
1. Aufl. 2011, 239 Seiten
ISBN: 978-3-608-93903-3
Lesungen des Autors:
Dienstag, 01. 03. 2011 ab 20:00
Hamburg – Premiere: Der Autor liest aus seinem neuen Roman.
Moderation: Sigrid Löffler
Literaturhaus Hamburg, Schwanenwik 38 – 22087 Hamburg
Donnerstag, 10.03.2011 ab 20:30 – Berlin im Buchhändlerkeller
Berlin – Buchhändlerkeller, Carmerstr. 1 – parterre links – 10623 Berlin
Montag, 28.03. 2011 ab 19:00
St. Moritz-Bad im Hotel Laudinella
Brasserie littéraire: Moderation von Werner Irro.
Lesung, Gespräch, Apéro, Menü, Wein CHF 75
Reservation T +41 (0)81 836 06 02 – Hotel Laudinella, Via Tegiatscha 17
CH-7500 St. Moritz
Donnerstag, 07.04.2011 ab 20:00
In Kooperation mit dem Buchhaus Thalia, Obernstraße.
Schwankhalle, Buntentorsteinweg 112 – 28201 Bremen
Mittwoch, 13.04.2011 ab 19:00 Hamburg – Elbdeck
Moderation: Armgard Seegers (Abendblatt)
Elbdeck, Kehrwieder 9a, 20547 Hamburg
Donnerstag, 14.04.2011 ab 19:30 Hamburg im Christianeum
Otto-Ernst-Straße 34 -22605 Hamburg