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Lesebericht: Elisabeth R. Hager, Der tanzende Berg. Roman

Verfasst von Heiner Wittmann
20.9.2022

Elisabeth R. Hager berichtet in ihrem Roman »Der tanzende Berg«, wie es Marie Scheringer gelingt, in ganz kurzer Zeit, einen gerade verstorbenen Hund auszustopfen, damit die Tochter des Hauses ihn ihrem Vater, also dem Besitzer des Hundes King und nunmehr Jubilar des Abends zum Geburtstag überreichen kann.

Die Kapitelbezeichnungen sind nicht gleich einsichtig, aber der Leser wird erstmal mit Youni bekanntgemacht, der Freund von Marie Scheringer, die nach dem Unfalltod ihrer Eltern von ihrer Tante Hella und ihrem Mann aufgenommen wurde. Eine geheimnisvolle Kiste, die Marie Youni abgenommen und im Wald versteckt hat… und Younis Tod beschäftigen Marie, als Ursula Miller sich nach langer Zeit bei ihr wieder meldet, Ursula wurde Butz von Marie genannt und dabei soll es bleiben.

Lesebericht: Elisabeth R. Hager, Der tanzende Berg. Roman

2600 Euro, das Dreifache des normalen Preises soll die Schnelligkeit des Ausstopfen von King der Auftraggeberin wert sein. Soweit die Rahmenhandlung, die eine präzise Schilderung der beiden Hauptpersonen Marie und Butz umfasst. Sehr geschickt inszeniert Elisabeth R. Hager Rückblenden, die aneinandergereiht, von der Ankunft der Butz – „Die Butz war nicht nur Stark. Sie war ein Bär.“ (S. 125) – ergänzt werden, während detailgenaue Schilderungen das fortschreitende Ausstopfen von King Schritt für Schritt dokumentieren.

Am Ende wird dieser Roman zu einer anderen Gattung. Diese Bemerkung ist kein Freibrief für den Leser, die letzten Kapitel zuerst zu lesen. Er würde sich um ein ganz besonderes Lesevergnügen bringen. Also bitte die Kapitel von vorne nach hinten der Reihe nach lesen. Und wenn man den Gattungswandel verstanden hat, dann müsst man eigentlich das Buch noch einmal lesen, um die Passagen aufzufinden, die den Gattungswechsel ankündigen. Das sind ganz präzise Passagen, in denen die Autorin eindeutige Hinweise offenbart.

Die Gespräche zwischen Marie und der Butz lassen das Dorfleben auferstehen: „Zwei Frauen, die um einen Mann zirkulierten.“ (S. 155). Viele Einzelheiten aus ihren Erinnerungen fügen sich zusammen, Antipathien und Sympathien werden erkennbar, Jogg, Pichler und Baldur erscheinen, die Schlägerei in der Dorfkneipe ist kurz aber heftig. Die Beschreibungen und die Schilderung der Charaktere werden zu einem festen Bestandteil der Handlung. Und wieder wird über Youni gesprochen, Vorurteile haben sie alle, aber Genaues weiß niemand: Die Butz ist sauer: „Und jetzt wo er tot ist, kriegen nur die Besoffenen und die Dodel das Maul auf. Das pack ich nicht.“ (S. 212) Es ist nicht die Lösung, aber Tante Hella bringt das Getratsche auf den Punkt: “ I glaub, die Leut denken noch immer, wenn’s net reden über eine Sache, dann ist’s, als wär sie nie passiert.“ (S. 213)

Das Wiederlesen eines Buches offenbart wie beim erneuten Anschauen eines Kinofilms immer neue Aspekte, aber bei diesem Buch heißt Wiederlesen, einen faszinierenden Einblick in die Schreibwerkstatt dieses so sehr durchinszenierten Roman zu erhalten.

Heiner Wittmann

Der tanzende Berg

Roman

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Beteiligte Personen

Annette Hauschild

Elisabeth R. Hager

Elisabeth R. Hager, geboren 1981 in Tirol, ist Schriftstellerin, Klangkünstlerin und redaktionelle Mitarbeiterin der Abteilung Radiokunst von Deutschlandf...

Elisabeth R. Hager, geboren 1981 in Tirol, ist Schriftstellerin, Klangkünstlerin und redaktionelle Mitarbeiterin der Abteilung Radiokunst von Deutschlandfunk Kultur. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u. a. das Hilde Zach Literaturstipendium der Stadt Innsbruck 2018. Als Teil des Kollektivs „Writing with CARE / RAGE“ kämpft sie für die bessere Vereinbarkeit von Care-Arbeit und Schreiben. Sie lebt mit ihrer Familie zwischen Berlin, Tirol und Neuseeland. »Der tanzende Berg« ist ihr dritter ...

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