Lesebericht: Johannes Laubmeier, Das Marterl

Man kann diesen Lesebericht über den Roman von Johannes Laubmeier > Das Marterl gar nicht anders anfangen, als von der Suche des Autors nach einer verlorenen, nein hier ist es die vergangene Zeit, die ihm so präsent ist, zu erzählen. Die Erinnerung an den Unfalltod seines Vaters bringt den Erzähler nach einem England-Aufenthalt wieder in seine Geburtsstadt A. und in sein Elternhaus zurück. Mit viel Respekt erinnert er an seinen Vater, der für ihn immer noch so präsent ist. Kindheitserinnerungen und die Geschichte um seine Rückkehr durchdringen einander und offenbaren den geschickten Erzählstil des Autors.

> Nachgefragt: Johannes Laubmeier, Das Marterl

Mit dem Zug reist der Erzähler nach A. Am Bahnhof die ersten Erinnerungen an seine Kindheit, wie er damals dort als Taucher seinen Vater abgeholt hat. Der nahm ihn wenigstens ernst, so wie er sich erkundigte, ob der Tag in der Tiefsee erfolgreich gewesen war. Jetzt zieht der Erzähler seinen Rollkoffer durch die Stadt, nimmt wieder Kontakt mit ihr auf: Die Post, die evangelische Kirche, die Sparkasse, der Abstellplatz vom Motorrad. Dann öffnet er die Tür des Hauses, wo er früher gewohnt hat: Sein Kinderzimmer: „Heute ist der Raum eine seltsame Mischung aus Gästezimmer und dem, was von mir noch übrig ist.“ (S. 40)

Später sucht er die Kreuzung auf, an der sein Vater mit dem Motorrad tödlich verunglückte. Und die Geschichte verwandelt sich in eine Spurensuche nach dem Vater. Einzelne Gegenstände, seine Biographie, sein Arbeitszimmer.

Erinnerungen an eine Wanderung mit dem Vater in den Bergen, auf den Watzmann. Wieviele Einzelheiten er noch ganz genau weiß! Unwillkürlich denkt der Leser an seine ersten Ausflüge, von denen er noch eine Erinnerung in sich bewahrt.

Im Zimmer seiner Mutter entdeckt er einen Karton mit den Kondolenzkarten, die seiner Mutter an einer Paketschnur am Küchenfenster aufgehängt hatte, und legt sie auf dem Wohnzimmerfußboden aus. Die Akte über den Verkehrsunfall fällt ihm auch in die Hände: „Die Fahrbahn war trocken…“

Die Erinnerungen an Bekannte in der Stadt, bestimmte Orte wie einzelne Vorgänge setzen für den Erzähler und den Leser das Städtchen A. wie ein Puzzle zusammen. Der Besuch auf dem Friedhof und das Foto vom Grab seines Vaters, als Versuch, doch etwas zu bewahren.

Wie haben sich seine Freunde verändert. Lukas, mit dem er in der Band gespielt hat. Mit ihrer Tournee kamen sie bis nach Wien. Und bei Schwartzmann, kaufen sie ihr Bier, das sie sich damals mit einem Trick beschafft hatten. Wie früher gehen sie zur in den Biergarten zur Brauerei. Aber der große Junge empfindet nun Schwierigkeiten, seinen damaligen Freunden etwas über sich zu erzählen. Ist der zeitliche Abstand zu groß?  Die vielen Erinnerungen, der Erzähler weiß eigentlich gar nicht so recht, wieso er nach A. zurückgekehrt ist. Zu Hause räumt er auf und zieht mit seinen Sachen ins Gartenhaus, so als müsse er den Abstand zu allem bewahren.

Als er später den Schuppen seines Vaters genauer unter die Lupe nimmt, kommt ihm das wie eine archäologische Untersuchung vor, bei der behutsam eine Schicht nach der anderen abträgt. Kisten und Kästen mit Krimskrams, der an die Gewohnheiten und Vorlieben seines Vaters erinnert, der dort Fahrräder zusammensetzte: „Von allen Arten zu reisen ist das Radfahren ohne Gangschaltung wohl die ehrlichste“ (S. 255) Man hat immer Respekt vor dem nächsten Hügel, schwächelt man beim Treten in die Pedale, muss man schieben. An Marterln fährt er vorbei…

Die Entdeckung der Vergangenheit und wie die Eindrücke von damals bis heute überdauert haben oder wie sich verändert haben, darum geht es in diesem Roman, in dem der Erzähler die Erlebnisse des Jungen aus einer gewissen Distanz berichtet. Obwohl viele Erlebnisse mit seinem Vater nichts zu tun haben, ist dieser stets sehr präsent und die Suche nach Informationen über seinen Unfall zeigt, wie sehr der Verlust den Erzähler getroffen hat.

Johannes Laubmeier
Das Marterl
Tropen
1. Auflage 2022, 288 Seiten, Gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-608-50168-1