Sie haben nur eine eher kürzere Bahnfahrt vor sich? Dann ist > Ultraviolett von Serge Joncour in der Übersetzung von Nathalie Mälzer-Semlinger für Sie die genau das Richtige. Es wird für einige Tage ein Einblick in die Sommerferien einer Familie geboten, die den Juli in ihrem Haus auf einer Insel verbringt. Der Sohn der Familie, Philip ist auf Reisen, in den USA heißt es, seine Rückkehr wird spätestens am 14. Juli erwartet, wird er doch wie jedes Jahr das Feuerwerk pünktlich selber zünden wollen. An seiner statt taucht ein Unbekannter am Pool auf, der Julie und Vanessa gerad noch Zeit läßt, sich zu bedecken. Boris heißt der Ankömmling, der von einem Internat spricht und Vertrautheit mit Philip erkennen läßt.
Boris bleibt einfach mal da, bei den Eltern, den beiden Schwester und André-Pierre, der Schwager Philips und den Kindern. Die Mutter freut sich über den unverhofften Besuch, als Zeichen, dass ihr Sohn nun auch bald wiederkommen werde. Boris mischt die Familie so richtig auf und geht André-Pierre zunehmend auf den Geist. Die beiden Schwestern können dem Fremden nicht so recht widerstehen. Hinter der gediegenen Fassade tun sich manche Abgründe auf, von denen die verschiedenen Familienmitglieder mal mehr oder weniger wissen, aber von denen André-Pierre am meisten weiß. Das Internat und dessen Zucht und Ordnung führen bei den Zöglingen zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen. Einige Rückblenden, wie auf das Kennenlernen von Vanessa und André-Pierre präzisieren so manche Entwicklung und liefern zusätzliche Erklärungen.
Das Lesepensum für heute und die beiden nächsten Abende hat der Band so recht durcheinandergebracht oder besser gesagt abgekürzt, denn er ist so recht zum Durchlesen in einem Zug gemacht. Und das Ende habe ich gleich dreimal gelesen. War da etwas, was ich überlesen hatte? Serge Joncour hat hier die beschaulichen Ferien einer Familie erzählt, deren heile Welt nur Fassade ist, die Eltern wissen es nicht, der Vater ahnt es vielleicht; Philip ist immer noch nicht mit dem Studium fertig, weiß er zu berichten. Boris‘ Präsenz bringt eigentlich nichts durcheinander, sondern deckt auf, ohne dass die Anwesenden so recht merken, wie ihnen geschieht. Er wirft sie einzeln aus der Bahn (die Schwestern), macht das Boot Riva wieder flott (mit dem Vater) sagt die Unwahrheit über seinen Boots-Führerschein, probiert das Boot zum Gejodel der Kinder und zur Sorge ihrer Mutter aus. Der Roman präsentiert die Geschichte wie einen Fernsehfilm, in dem die Szenenabfolge oft kürzer als bei richtigen Kinofilmen verläuft. Der Erzähler zieht seinen Leser in den Roman hinein, der einen Leseaufschub nicht so recht duldet.
Zum > Film von Gilles Paquet-Brenner
Serge Joncour,
> Ultraviolett
Roman
Aus dem Französischen von Nathalie Mälzer-Semlinger
1. Aufl. 2008
174 Seiten
ISBN: 978-3-608-93793-0