Buchpremiere:
Johanna Dombois und Richard Klein
Richard Wagner und seine Medien

Am Sonntag, 3. Februar 2013 lud der Verlag Klett-Cotta zur Buchpremiere im Foyer im ersten Stock der Stuttgarter Oper: > Richard Wagner und die Medien. Für eine kritische Praxis des Musiktheaters. Was für ein gediegener Rahmen für dieses großartige Buch. Fadenheftung, 50 meist farbige Abbildungen! Ausgehend von „Richard Wagner und seinen Medien“ wird in diesem Buch auf sehr informative und kritische Art die Praxis des Musiktheaters untersucht.

In der Oper begrüßte der Lektor des Buches, Thomas Kleffner, die Gäste. Die Leitung des Gesprächs übernahm Sergio Morabito.

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In diesem Buch lernt man eine ganze Menge über Medien. Wenn heute Studenten sagen, sie möchten später mal „was mit Medien“ machen, sollten sie unbedingt dieses Buch lesen. Zum einen wird hier erklärt, was Medien sind, und an konkreten Musikbeispielen wird dargelegt, was Medien vermitteln können. Die Einleitung der beiden Autoren (S. IX-XIX) macht unmissverständlich klar, dass es in diesem Buch um viel mehr als nur Wagner geht. Jemand sagte mir, er habe es nicht so mit Wagner, als ich ihm das Buch zeigte. Würde er diese kleine Hürde überwinden, hätte er es hinterher umso stärker mit den Medien und wahrscheinlich obendrein auch noch erst recht sogar heftig mit Wagner. Ich gebe zu, im Buchladen wäre ich vielleicht auch (an der Dicke) dieses Buches vorbeigelaufen, obwohl das Cover richtig gut gelungen ist: Ein Blick in die Technik und in die Oper. Diese Kombination macht neugierig. Da sich dieser Blog vorgenommen hat über neu erschienene Bücher von Klett-Cotta zu berichten und dieses Buch endlich geöffnet vor mir liegt, wird klar, wie gut es den beiden Autoren gelingt, ihre Leser in ihren Bann zu ziehen. „Besonders die ‚Neuen Medien‘ sind für ein zeitgemäßes Wagnerverständnis wichtig, doch nicht alles kann sich um sie drehen. Eher darum, den Stellenwert des Neuen verständlich zu machen, indem wir die „alten Medien analytisch im Blick halten,“ (S. X) schreiben Dombois und Klein. Ein Buch macht sich seine Leser, sie müssen es erst nur erst mal aufschlagen

Und dann geht es richtig los. Lehnen Sie sich zurück. Sie sitzen in der ersten Reihe. 1. Kapitel „Encore: Das Lied der unreinen Gattung. Zum Regietheater in der Oper:“ „Keine Oper kann dem Konflikt zwischen Realismus und Theater ausweichen.“ (S. 9) – Auch wenn ich pro Kapitel einen Satz nur zitiere oder zusammenfasse, bin ich heute Abend noch nicht fertig. Da wird der Blog zum Ring. Dann rezensiert Johanna Dombois Ulrich Schreibers letzten Streich den Opernführer für Fortgeschrittene im 399. Jahr des Bestehens der Oper. Richard Klein berichtet über Carl Dahlhaus oder die Musikwissenschaft im Clinch mit dem Musiktheater. „Kein Schwank“ aus der Feder von J. Dombois erläutert, was heute Kommunikation ist. Danach erklärt sie die „Szenographie des Wagner-Vorhangs“: „Das Auge, das sich wechselnd öffnet und schießt.“ Danach geht es um „Die ‚complicirte Ruhe’Schlaf als Struktur in Wagners Theater“, worüber bisher kaum oder nichts geschrieben wurde. Richard Klein berichtet über das Vorspiel zu Rheingold Raumkonstruktionen.

Johanna Dombois

Johanna Dombois und Richard Klein bringen die Themen zusammen, die bei Wagner zusammengehören, in der Interpretation aber meist getrennt werden: Schrift, Musik und Theater. In 23 Beiträgen wird Wagners Werk als Modell für ein Musiktheater von heute entfaltet, in dem alte Wahrheiten wie Neue Technologien ihren Platz finden. Die Bandbreite der sprachlichen Formen – philosophische Abhandlung und Künstlertext, Essay und Manual, Dramolett, Rezension und Gespräch – steht dabei für das »Experimentelle im Repertoire« und ein Theater der Medien, das einmal keinen ruinösen Widerspruch zur Tradition der Werke bildet. Überall werden Einblicke in den inszenatorischen Alltag mit ästhetisch-politischer Kritik verzahnt. So formiert sich auf der Grundlage von Wagners Musiktheater eine Neubestimmung der Oper. Besonders empfehlenswerte Lektüre ist das Kapitel: J. Dombois: Wagner und die Neuen Medien. Zehn Thesen, S. 424-447. Ein Gespräch mit der Autorin, das per Video aufgezeichnet wird, ist für Mitte März verabredet. Wir sehen uns dann hier auf dem Blog wieder?

Richard Klein

Die „Klangdramturgie“ (S. 147-156) kommt nicht zu kurz. Klein erzählt auch über Wotan und analysiert dann „Die Tragödie der Zeit und das Problem des Politischen im Ring„. Auch einzelne Akte wie der III. Akt der Götterdämmerung. Ein bisschen unumgängliche Theorie, aber auch ein enorm profundes Wissen über die Aufführungspraxis zeichnet die Beiträge dieses Bandes aus, das beide Autoren bei der Besprechung und Bewertung vieler einzelner Szenen so eindrucksvoll zeigen. Wie kann man heute den Ring inszenieren? „Nach all den Jahren, Reden, Texten Proben ist eines klar: Der Ring lässt sich nicht mehr aus einem einheitlichen Gesamtkonzept heraus entwickeln.“ (S. 281), da wird Dombois ganz formell: „Opus magnum / Opera minima“. Dann folgt „Das Fließwerk und der Tod“, Klein erinnert an Schlingensief in Bayreuth. Klein bespricht danach Marc A. Werners „Antisemitische Fantasien. Die Musikdramen Richard Wagners“, Berlin 2000.

Schaulust, und Applaus gehört auch zur Oper: „Die grausame Gunst des Applaus“ hat Dombois ihren Beitrag genannt. Bis zum Ende des zweiten Teils hat er Leser genügend Material und Information bekommen, um den folgenden Teil über die Zusammenhänge von alten und die Neuen Medien sachgerecht einschätzen zu können. Klein legt einen Thesaurus der Träume Richard Wagners vor, und Dombois führt „Neue Technologien im klassischen Musiktheater“ unter dem Titel Scheinschwangerschaften vor: „IV. Technik ist Entbergung und Entbergung ist Kunst“. (S. 382 ff) Dann R. Klein: „Wagners Medientechnologie – wie Friedrich Kittler sie sieht“: (Literaturhaus Stuttgart, 31.05.06, 20.00 Uhr > Liebe romantisch Friedrich Kittler Veranstaltungsreihe: Romantik. Vortrag. Fotos Heiner Wittmann)

Meine Zusammenfassung dieses Buches? Auf in die Oper.

Johanna Dombois ist Opernregisseurin; seit 1995 experimentelles Musiktheater und Medienkunst u.a. am Musiktheater Amsterdam, Akademie der Künste Berlin, Semperoper Dresden, ZKM Karlsruhe. 2001-05 Künstlerische Leiterin der »Bühne für Musikvisualisierung« des Beethoven-Hauses Bonn.

Richard Klein ist freier Autor, Musikphilosoph; Herausgeber der Zeitschrift »Musik & Ästhetik« (Klett-Cotta), 1998-2001 wissenschaftlicher Beirat beim »Stuttgarter Ring«, Bücher u. a. zu Wagner, Adorno und Bob Dylan.

Johanna Dombois Richard Klein
> Richard Wagner und die Medien. Für eine kritische Praxis des Musiktheaters
1. Aufl. 2012, 531 Seiten, Klappenbroschur mit Fadenheftung und Goldprägung, 50 farbige und s/w Abbildungen
ISBN: 978-3-608-94740-3