Digital und kostenlos? Open Access

Noch immer lese ich in Peter Kaedings Buch > Die Hand über der ganzen Welt. Johann Friedrich Cotta – Der Verleger der deutschen Klassik, wie Cotta mit seiner Tätigkeit als Verleger zwischen Lesern und Autoren vermittelt und ganz ohne Internet deren Werke bekannt macht. Man muss schon eine starke Überzeugung von den Wohltaten des Internets haben, um Cottas Wissen und Erfahrungen unterschätzen zu können. Und mitten in dieser Lektüre über den Verleger von Goethe und Schiller taucht der > Heidelberger Appell auf, in dem Roland Reuß die Beibehaltung der Publikationsfreiheit anmahnt. In diesem Zusammenhang wurde auch Open Access erwähnt. Ein Vortrag von Christian Hauschke > Open Access an der Fachhochschule Hannover vermittelt einige notwendige Erklärungen. Zitat: „Was ist Open Access? „Open Access meint, dass diese Literatur kostenfrei und öffentlich im Internet zugänglich sein sollte, so dass Interessierte die Volltexte lesen, herunterladen, kopieren, verteilen, drucken, in ihnen suchen, auf sie verweisen und sie auch sonst auf jede denkbare legale Weise benutzen können, ohne finanzielle, gesetzliche oder technische Barrieren jenseits von denen, die mit dem Internet-Zugang selbst verbunden sind.“ Der Autor spricht von „dieser Literatur“, die in der Kürze der hier zitierten Vortragsfolien nicht genauer umschrieben wird – möglicherweise sind nur bestimmte Schriften gemeint? Ich vermute mal, der Autor meint Schriften, deren Abfassung nicht von ihren Autoren selbst finanziert, sondern von z. B. einer Wissenschaftsorganisation (teil-)finanziert worden ist. Wie auch immer, man gewinnt den Eindruck, es geht um die Aufgabe des Urheberrechts und vielleicht auch um mehr, das von diesem Verfahren suggeriert wird. Nehmen wir an, ich würde eine finanzielle Unterstützung von einer Wissenschaftsorganisation für den Zeitraum erhalten, in dem ich > mein letztes Buch erstellt habe. Müsste ich dann dieses Buch der Wissenschaftsorganisation kostenlos mit allen Rechten übereignen? Ein Buch, das aufgrund eines Vorwissens und vieler anderer Fähigkeiten, Vorträge und Erfahrungen entstanden ist, die mit der Unterstützung einer Wissenschaftsorganisation – die ich im übrigen gar nicht habe – nichts zu tun hätte? Auch wenn ich eine Förderung für die Übersetzung erhalten hätte, wäre das noch lange kein Grund, die Urheberrechte für dieses Buch einfach freizugeben.

Vielleicht wird die digitale Kopierbarkeit und das Internet hinsichtlich der bessereren wissenschaftlichen Verbreitung von Forschungsergebnissen überschätzt? Solange Suchmaschinen sich anmaßen, durch Algorithmen die Qualität von Texten ausrechnen zu können, muß doch den Autoren vieler digital im Internet veröffentlichter Texte klar sein, das sie gegenüber der Technik noch ziemlich machtlos sind. Die allergrößte Gefahr ergibt sich durch die kollektive Intelligenz bei Webprojekten, wo jeder anonym hineinschrieben kann und wo Argumente, die sich an mehrheitlich vereinbarten Richtlinien orientieren, wissenschaftliche Argumente ersetzen.

Open Access wird eingerichtet, weil die Technik es erlaubt und nahelegt, obwohl die Autoren wissen, dass in ihren Werken viel mehr drinsteckt, als eine Wissenschaftsorganisation temporär finanzieren kann. Es wird auch das „Lizenzmodell „Creative Commons“ • Namensnennung • Keine Bearbeitung • Nicht kommerziell • Weitergabe unter gleichen Bedingungen“ ( > Christian Hauschke) gewählt. Aber auch hier fürchte ich, dass eines Tages eine Kontrolle der Texte, vielleicht erst eine Anpassung an die Orthographie und dann vielleicht noch andere Änderungen vorgenommen werden. Das ist ganz unmöglich wird man mir sagen. Meine Wikipedia-Erfahrungen lehren mich etwas anderes. Anonyme Kritiker haben dort meinen Beitrag zerpflückt, diskutiert und schließlich hat ihn ein anonymer Benutzer gelöscht. Wer in Wikipedia reinschreibt, kennt Kaeding: Johann Friedrich Cottadieses Problem, obwohl Freunde von mir total erstaunt waren, dass andere es sich anmaßen, in ihre Artikel einfach reinzuschreiben.

Genug. Ich lese jetzt Peter Kaedings Buch über > Johann Friedrich Cotta – Der Verleger der deutschen Klassik weiter. Eine ganz andere Zeit als heute. Gerade hat Kurfürst Friedrich die Nummer 286 der Allgemeinen Zeitung verbieten lassen. Zensur nannte man das – bei Wikipedia heißt das nur „gelöscht“ -, und der Verleger sorgt dafür, dass die Zeitung weitererscheint – im Ausland, nämlich in Ulm.

Zu Open Access:

Christoph Drösser > Das Denken ist frei, DIE ZEIT, 9. April 2009

Uwe Jochum, „Open Access“ gepusht. Rösser und Reiter.

Rudolf Walther > Mythos digitale Bibliothek. Open Enteignung“ durch GoogleBooks „Wissen zum Nulltarif, Demokratisierung durch Google? Das Schlagwort ‚Open access‘ klingt gut, doch auf dem Spiel steht die Bewahrung des Wissens unserer Gesellschaft“, www.taz.de, 20.3.2009 mit bis heute 58 Kommentaren.

P.S. Nachdem dieser Beitrag als „besonders dümmlich“ bezeichnet wurde, möchte ich nochmal auf die bibliographischen Angaben zu diesem Beitrag hier hinweisen, und an die > Kommentare zum ersten Beitrag dieses Themas erinnern. Die Website der > Informationsplattform Open Access ist mir gut bekannt. Wer mir also nachsagt, mich nur bei C. Hauschke zu informieren, der im übrigen ziemlich viel zu diesem Thema schreibt, hat hier nicht genau gelesen oder sucht sich etwas, um meine Beiträge zu kritisieren. Die Sache verdient aber bessere Argumente.