Philipp Meyer hat mit > Rost seinen Debütroman vorgelegt, der heute bei Klett-Cotta in der Übersetzung von Frank Heibert erschienen ist. Zwei Freunde, Isaac und Poe, entschließen sich, ihr Provinznest zu verlassen. Die Stahlindustrie liegt danieder, die vielen Fabrikschließungen haben den Bewohnern alle Hoffnungen genommen. Kurz bevor beide ihre Reise antreten kommt es in einer alten Fabrikhalle zu einem Zwischenfall, Isaac tötet aus Notwehr einen Mann, aber Poe wird an seiner Stelle verhaftet. Alle Beteiligten, Poes Mutter, seine Schwester, Isaacs Vater, ein Polizist werden in die folgenden Ereignisse hineingezogen. Jeder reagiert mit seinen Wünschen und Befürchtungen anders, und der Leser kann genau verfolgen, wie das Verhalten der einen das der anderen verändert. Die Geschichte entwickelt sich auch aufgrund der Umstände, in die Isaac auf seinem Weg nach Kalifornien gerät, oder in die Poe nach seiner Verhaftung gerät. Alle denken auch über das Los der anderen nach und auf diese Weise ist es Philipp Meyer eindrucksvoll gelungen, die Beweggründe der Personen mit den Ereignissen im Roman zu verknüpfen. Die Kapitel, werden gegen Ende der Geschichte kürzer, und sie verstärken das Gefühl des Cross-cuts, der zum Höhepunkt oder zur Lösung der Geschichte führt.
Die Umstände, die zum Ausreißen der beiden führen, wird durch die Situation ihrer Stadt erklärt, aber auch viele persönliche Erinnerungen spielen bei ihrem Entschluss eine Rolle. Zwischendurch fallen zumindest am Anfang immer wieder Bemerkungen über ihre Ausbildung. Poe hat seine Schwester Lee als Vorbild. Aber sie machen nichts aus ihren Chancen? Sind es reale Chancen oder hat der Niedergang der Stahlregion ihnen definitiv die Zukunft vermasselt? Inwiefern hat die Einstellungen der anderen für ihre Entscheidungen eine Bedeutung? Oder lassen sie sich treiben?
(Der Internet Explorer 7 mag > das Buch zum Blättern nicht anzeigen?) Den Rückhalt, den viele Familien mit dem Niedergang der Stahlwerke verloren haben, die rasant um sich greifende Arbeitslosigkeit, der soziale Abstieg mit ihren negativen Folgen, bietet den beiden Freunden keine Perspektiven mehr, aber sie müssen auch erleben, dass die Menschen um sie herum, auch nahe Verwandte ihnen kaum helfen können. In diesem Sinne schildert Rost das soziale Auseinanderbrechen einer ganzen Region. Das Buch ist auch eine Anklage. Eine Region, die wirtschaftlich dermaßen am Ende ist, kann nur schwer ihren Bewohnern eine Perspektive bieten, wenn ihnen nicht nachhaltig geholfen wird. Bleiben den Freunden dann nur die Züge, die nach Kalifornien fahren? Nur einem von beiden scheint dieser Versuch zunächst zu gelingen. Aber die Widrigkeiten und die Abenteuer, die er erlebt, sind nicht geeignet, seine Lage zu verbessern.
Philipp Meyer erzählt eine spannende Geschichte. Er lässt die Personen seiner Handlung alleine erzählen. Die vielen Kapitel konzentrieren sich immer auf die Gedanken und die Erlebnisse einer Person, die über ihre Empfindungen berichtet und nur im Kontakt mit anderen werden Urteile über oder Empfindungen für andere vermittelt. Diese vielen Einzelbeobachtungen verdichten sich zu einem spannenden Roman.
Es wird Lesungen mit Tom Schilling (»Elementarteilchen«) in Köln, > Stuttgart: Dienstag, 14. September, 20 Uhr, München, Berlin und Hamburg geben.
> Philipp Meyer
Rost
Roman, aus dem Amerikanischen von Frank Heibert (Orig.: American Rust)
1. Auflage 2010 – 464 Seiten – ISBN: 978-3-608-93893-7