Lesebericht Sachbuch Bryan Sykes, Darwins Hund Die Geschichte des Menschen und seines besten Freundes

Bryan Sykes sucht in seinem Buch „Darwins Hund“ nach Antworten auf diverse Fragen über die Genetik des Hundes, das bei Klett-Cotta erschienen ist. Er war Professor für Humangenetik am Wolfson College in Oxford.  Sein Spezialgebiet ist die moderne Genetik.

Der Hund ist schon seit langen Zeiten ein besonderer Begleiter des Menschen. Doch wie lange schon? Eine Studie aus dem Jahr 2013 sagt zwischen 19.000 – 32.000 Jahren (S. 55), während z.B. Knochenfunde darauf schließen lassen, dass diese besondere Beziehung noch früher begann. Auf jeden Fall kann man sagen, dass in dieser Zeit einiges passiert ist, sowohl in der Entwicklung des Menschen als auch in der Entwicklung des Hundes. Vom Jagen und Sammeln zum Schlendern im Supermarkt und vom wilden ungezähmten Wolf bis hin zum Chihuahua in der Handtasche. „Diese denkwürdige Entwicklung gehört zugleich zu den wichtigsten und am wenigsten beachteten in der Geschichte nicht einer, sondern gleich zweier Arten.“ (S.9)

Doch warum bindet sich der Hund, ein wilder Fleischfresser, so an den Menschen, einen hochentwickelten Primaten? Genetisch haben diese Spezies wenig gemeinsam. Worin besteht also die Verbindung, die so viele Jahrtausende anhält und selbst in einer so digitalen Welt weiterhin ununterbrochen Bestand hat? Wie hat sich der Wolf evolutionär so verändert, dass daraus eine ganz eigene Art entstand? Und wie war es möglich, dass diese noch einmal so viele optische Formen und so viele verschiedene Rassen vom wolfsähnlichen Husky bis zum schweratmenden Mops hervorbrachte?

Sykes erläutert in seinem Buch seine These zur Koevolution des Hundes zusammen mit dem Homo Sapiens. Seinen Überlegungen nach sind Menschen und Wölfe eine Art Symbiose bei der Jagd eingegangen. Die Wölfe hetzten das Tier und trieben es in die Enge, während die Menschen es schließlich mit Waffen erlegten. Danach wurde das Fleisch kameradschaftlich geteilt. Diese Form der Jagd wäre für beide Arten von Vorteil gewesen, da die Wölfe sich großen Gefahren aussetzten, wenn sie tatsächlich den Versuch unternahmen das oft wild strampelnde Tier zu töten. Menschen hingegen fiel es vergleichsweise leicht, das Wild mit ihren Speeren zu erlegen, aber es war für sie um ein vielfaches schwieriger das Tier zu hetzen. Tatsächlich hätte diese Form der Jagd für beide Spezies eine Erleichterung dargestellt und sie würde auch erklären, warum sich die Wölfe so an die Dörfer der Menschen banden. Außerdem liefert es eine Erklärung, warum sich der Homo Sapiens gegen die anderen Hominiden beispielsweise die Neandertaler durchsetzte. Diese Form des Nahrungserwerbs fiel deutlich lukrativer aus, was die Zahl der Nachkommen vergrößerte. Die bislang vorherrschende Meinung ist, dass Wölfe um die Stätten der Menschen auf Nahrungssuche umherzogen und Abfälle stahlen und sich so immer mehr dem Menschen annäherten. So soll dann nach einiger Zeit auch die Domestizierung gelungen sein. Das erklärt aber nicht, die bis heute andauernde partnerschaftliche Verbindung der sich so unterscheidenden Spezies und wieso sich dann weder eines der anderen Tiere, also Bär, Dachs oder Kojote dem Mensch so annäherte. Dies hält Sykes somit aus mehreren Gründen für unwahrscheinlich. (S.71-72)

Sykes legt einige Studien dar, die dem Leser anschaulich zeigen, dass der Hund nur vom Wolf abstammt und nicht von anderen Canoidean wie dem Schakal oder Kojoten. Auch beschreibt er anschaulich den genetischen Übergang vom Wolf zum Hund. Sowohl in Wölfe als auch in ihren nächsten Verwandten den Hunden liegt ein Gespür, „durch Beobachtung des Menschen unmittelbar zu erkennen, was er will“ (S. 100). Das fällt zum Beispiel dem Schimpansen, einem der Primaten die dem Menschen genetisch am ähnlichsten sind, deutlich schwieriger. Das liegt an der generellen Fähigkeit zur Erkennung von kleinsten Zeichen der einzelnen Rudelmitglieder, was bei der Jagd natürlich äußerst hilfreich ist. „Ob es uns gefällt oder nicht: Alle Eigenschaften des Hundes, seine äußere Erscheinung, seine Sinne, sein Verhalten, leiten sich vom Wolf ab, wenn auch durch Jahrtausende der Selektion abgeschwächt oder verstärkt.“ (S. 99)

Ein weiterer höchst interessanter Faktor des Buches ist die Zucht der Rassehunde. Unter Zucht versteht man eine kontrollierte Form der Fortpflanzung, die es sich zum Ziel nimmt, bestimmte äußerliche und/oder charakterliche Eigenschaften zu stärken, bzw. abzuschwächen. Von der modernen Hundezucht spricht man ab der Mitte des 19. Jahrhunderts. In fast jedem Land gibt es mittlerweile Verbände, die die Zucht aller Rassen regeln, in Großbritannien ist dies der Kennel Club in Deutschland der Verband für das Deutsche Hundewesen (kurz VDH). Das Problem an der Zucht der Rassehunde ist, das fast ausschließlich Hunde miteinander verpaart werden, die ohnehin durch die Zugehörigkeit einer Rasse, einen ohnehin äußerst eingeschränkten Genpool haben. Oft lassen sich ganze Rassen auf einige einzelne Hunde zurückführen. Dies schafft dann die perfekte Grundlage für Inzucht und somit auch für einige spezielle Erbkrankheiten. Und leider ist den Verbänden und den Züchtern bis heute das Aussehen das Wichtigste, da auf den Hundewettbewerben hauptsächlich dieses beurteilt wird. Sykes erläutert diese genetische Problematik genau, so dass es jeder verstehen kann.

Durch zahlreiche Interviews, die fast alle von Sykes  Frau geführt wurden, mit ganz verschiedenen Typen von Hundebesitzern versucht der Genetiker, sich selbst und dem Leser ein Bild der Beziehung der Menschen zu den Hunden zu vermitteln. Dabei wiederholten sich einige Fragen sehr oft und vor allem die Frage nach der Liebe zu diesem Haustier. Dabei antworteten alle Hundebesitzer, dass sie ihren Hund sehr liebten. Dabei war es egal, ob es Menschen waren, die ihren Hund einfach auf der Basis eines Hobbies als Haustier hielten oder jene deren Berufe von den Hunden abhängig waren. Die Beziehung zwischen Mensch und Hund ist oft eine ganz besondere. (S. 281)

Das vorletzte Kapitel des Buches handelt vom Klonen, dem Sykes eher vorsichtig und mit einiger Kritik gegen übersteht. Seit im Jahr 1997 Dolly geklont wurde, war das Interesse der Hundebesitzer groß, auch den eigenen Hund wiederzubekommen. Ein Klon ist eine (künstlich hergestellte) genetische Kopie z.B. ein eineiiger Zwilling. Ein großes Problem des Klonens ist, dass die Erfolgsquote immer noch relativ gering ist und auch oft das Leben vieler anderer Hunde opfert (S. 289). Außerdem sind die Kosten dafür noch gigantisch.

„Darwins Hund“ von Bryan Sykes zeigt eine auch für Laien verständliche Erklärung der Genetik und der Beziehung zwischen Menschen und ihren besten Freunden. Jedoch schaden einige Kenntnisse der Genetik vor der Lektüre dieses Buches nicht, da sie den Einstieg und das Verständnis in das Thema wahrscheinlich erleichtern. Jedoch ist es so erklärt, dass es auch den interessierten Laien das Thema nahebringt. Sykes selbst bezeichnet sich als „kein Hundemensch“ (S.11) und wohl als einer der wenigen, die trotzdem ein Buch über Hunde geschrieben haben. Sykes macht sehr deutlich, wie ähnlich der Homo Sapiens dem Hund beziehungsweise dem Wolf ist. Beide Arten können alleine als Individuum kaum überleben und sind auf eine Gemeinschaft, ein Rudel, angewiesen. Dieses Buch zeigt, welch faszinierende Lebewesen Hunde und natürlich ihre Vorfahren die Wölfe sind. Keinem Tier fühlte sich der Mensch je so verbunden. Kein anderes Tier hat die Erfolgsgeschichte des Homo Sapiens so vorangetrieben wie der Hund.

Bryan Sykes
> Darwins Hund
Die Geschichte des Menschen und seines besten Freundes
Aus dem Englischen von Anne Emmert (Orig.: The Wolf Within)
1. Aufl. 2019, 319 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, mit Abbildungen
ISBN: 978-3-608-96448-6