Wolfram Eilenberger, den wir gerade zu seinem Buch Feuer der Freiheit interviewt haben, hat jetzt das Buch Bin das ich? Kleine Menschen, große Fragen vorgelegt: „Wie erstaunlich und seltsam sie sind – unsere Kinder,“ steht auf der U4. Sie fordern uns heraus, durch beständiges Nachfragen, teilen sie uns mit, wie sie die Welt sehen, wie sie sie entdecken und lassen uns daran teilhaben. Hören wir genau hin, dann entdecken wir spannende Geschichten. Und wenn wir unsere Kinder wirklich erst nehmen, verstehen wir die Entwicklung von grundlegenden Einsichten.
Alle fundamentalen Fragen werden in diesem Buch gestellt, die Frage nach dem eigenen Ich, nach dem Verbleib Opa oder die berühmte Frage, was wäre, wenn? Warum bin ich ein ein Mädchen, warum bin ich ein Junge? Wolltet ihr mich wirklich, so wie ich bin? Oder schaut mir Gott gerade zu? Alle Geschichten, die Eilenberger hier erzählt, sind auch unsere Geschichten und lassen sich mühelos mit unseren eigenen Kindheitserinnerungen verknüpfen. Wie oft bin ich ermahnt worden, jetzt doch endlich mal aufzuräumen. Auch damals fielen mir alle möglichen Argumente ein, warum dazu jetzt gerade mal keine Zeit ist. Entweder gaben die Großen auf oder sie setzten sich durch, was sich aber auch nicht immer günstig auf das Aufräumen auswirkte.
Warum ist man krank? Oder die Angst vor dem Licht ausmachen, lässt Du das Licht im Flur an? Bleibst du bei mir? Und dann gehen Mama oder Papa doch heimlich weg. Hat sie geflunkert, als sie versprach, da zu bleiben?
In allen Kinderbüchern können Hunde sprechen und entwickeln Persönlichkeiten. Nur im wirklichen Leben bellen sie nur und Papa muss sich schon ein paar gute Argumente zurechtlegen, um dem Nachwuchs plausiblel zu machen, dass Hunde nicht sprechen können. Aber im Dialog mit dem Sohn entdeckt man dann doch, wie er die Kommunikationsanstrengungen des Familienhundes versteht und vor allem, was für ein erstaunliches Sensorium Kinder dafür haben.
Ist was danebengegangen, können wir uns entschuldigen, das heißt, wir können darum bitten, dass andere uns entschuldigen. Das ist aber gar nicht so einfach. Eilenberger versucht es mit Blick auf den Volksschullehrer und Philosophen Wittgenstein „Philosophieren ist Erinnern zu einem Zweck“ (S. 85) und erinnert hier ganz nebenbei aber umso deutlicher, dass in den Fragen der Kinder, werden sie ernst genommen, die Richtung zur Philosophie gewiesen wird. Das ist der Kern dieses Buches. Der wird auch illustriert mit Kapitel „Willst du mitspielen?“ Es geht um eine Partie „Mensch ärgere Dich nicht“ – aber auch um das „gesamtpädagogische Paket“: lesen, würfeln, zählen, aber auch „Frotzeln, Sprickeln, Täuschen“ (S. 89) – sozusagen die Kür – und Regeln. Im Spiel wird für das Leben gelernt. Auf einer Seite deutet Eilenberger den Zusammenhang von Regeln und Spiel (S. 91): Überlegungen wie diese machen dieses Buch zu einem kleinen aber wichtigen Vademekum für Erzieher/innen.
Und was sagen Sie ihrem Kind, wenn es fragt, was wäre, wenn Du Mama nicht getroffen hättest? Es gibt natürlich noch eine weite Dimension in diesem Buch. Man kann ja auch mal die Kinder wieder fragen: „Wie kommst du eigentlich auf die Frage?“- „Nur so.“ (S. 99) Also auch mal anders und geschickter fragen.
Zank und Streit belasten und es gehört pädagogisches Geschick dazu, Missverständnisse aufzulösen, Wogen zu glätten und ein Einverständnis wieder herzustellen. geht am bestem im Gespräch: vgl. S. 109 ff.). Und immer wieder ein Seitenblick auf die Philosophie, die in diesem Buch so geschickt ganz nebenbei und doch bedeutsam eingeführt wird: „Es ist nämlich nach Aristoteles so: Freunde sind vor allem den eigenen denken förderlich, weshalb sie, recht verstanden, auch das höchste Gut im Leben eines Menschen sind.“ (S. 111)
„Papa, du hast mehr Bücher als ich.“ Und wie alle Fragen „Hast du die alle gelesen?“ Und warum gibt es so viele Bücher? „Weil unsere Wirklichkeit offenbar einiges zu wünschen übrig lässt,“ lautet der Kommentar.
Wolfram Eilenberger
Bin das ich?
Kleine Menschen, große Fragen
1. Aufl. 2021, 128 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-608-96462-2