Die Hauptpersonen werden auf der ersten Seite vorgestellt. Georg Trakl und seine Schwester sitzen zusammen in ihrem „elften“ Zimmer der Dachkammer des 10-Zimmerhauses der Familie Trakl am Waagplatz in Salzburg. Die beiden rauchen da oben und rücken einander näher. „Zwei Tage später stolzierte Gretes Klavierlehrer August Brunetti-Pisano wie ein Pfau durch seinen grünen Salon,“ … durch den zerrauchten Salon, präzisiert der Erzähler. Die Bewunderung der Geschwister ist ihm sicher, hatte er „früher einmal den Mut gehabt, aufs Ganze zu gehen, auf die Kunst zu setzen mit allen Konsequenzen.“ Beim Würfelspiel besprechen die Eltern das Schicksal ihrer Kinder. „Wurschtikusse“ sind die Schuld der Mutter, hält ihr Gatte ihr vor, und es läge doch an ihr, wenn Georg und Grete so unberechenbar seien. Und dann ist da der Dichterkreis, den Georg mit Schulkameraden gegründet hatte. Beim Vorlesen schmuggelt Georg einen Text von Nietzsche in die Runde, der zunächst ausgepfiffen wird, und Grimm deckt den wahren Autor des Texte auf. Ein anderer aus der Runde, Erhard Buschbeck, hat ein Auge auf Grete geworfen.
Martin Beyer hat aus einem bekannten Stoff statt einer ausführlichen Biographie einen wunderbar spannenden Roman erdacht. Den Einfluss der Familie, der Schwester, der Freunde und das leidenschaftliche Verhältnis zu seiner Schwester Grete stehen im Mittelpunkt der Geschichte. Alle drei gehen verschiedene Wege zwischen Salzburg, Wien und Berlin auf der Suche nach ihrer Kunst. „In Salzburg stand alles still,“und „Die Verwesung war in vollem Gange,“ dennoch eilt Georg zu seinem Apothekerpraktikum.
Während zu Hause mit dem Tod des Vaters, das Elternhaus im Salzburg dem Ende entgegengeht, muss Wilhelm das Familienregiment übernehmen und seine Halbgeschwister betreuen. Ein Familienrat endet mit einem Eklat. Georg kämpfte sich, die Matura hatte er aufgegeben, mit Schwierigkeiten durchs Studium, erreicht aber einen Magister der Pharmazie. Schließlich landet er in Innsbruck, und seine Mutter ist jetzt einverstanden, dass Grete nach Berlin zu Arthur Langen zieht, eine Verbindung, die mit einem Fiasko endet. „Er (= Georg) sagte oft, die Gedichte seien seine Sünde.“ (S. 100) Exzesse, Alkohol, Drogen bestimmen wie die Kunst das Leben der drei, – „Die Kunst ist Leben. Die Kunst spricht die Sprache des Lebens,“ schreibt Grete an Erhard – das schließlich mit einer Tragödie endet, als Österreich-Ungarn mobil macht, Georg Militärapotheker wird und die Gräueltaten des Krieges hautnah miterlebt. Er landet mit einem Nervenzusammenbruch im Garnisonsspital, wo ihn Erhard noch einmal besucht.
Klett-Cotta bietet auf der Website des Verlags einen Leseproben-Podcast (mp3-Datei, 9 MB) an zum reinhören an.
Martin Beyer
> Alle Wasser laufen ins Meer
Auflage: 1. Aufl. 2009
Ausstattung: gebunden mit Schutzumschlag
240 Seiten
ISBN: 978-3-608-93609-4