Es ist ein Vergnügen, das Juni-Heft zur Hand zu nehmen, und die einzelnen Artikel zu lesen, um die folgende Zusammenfassung zu schreiben. Seit gestern habe ich beinahe alle Beiträge gelesen und empfehle diese Ausgabe nachdrücklich zur Lektüre. Viele augenblicklich aktuelle Themen werden hier mit ihren Hintergründen erläutert: Interessant ist auch die Rezension von Reichholfs jüngstem Buch.
Das neue Heft beginnt mit einem Essay des Rechtsphilosophen Bernhard Schlink über den Verrat, dem jeder in irgendeiner Form als Verräter, als Verratener oder als Nutznießer des Verrats bgegnet. Das ist der Stoff von Dramen, Tragödien und gebochenen Loyalitätsverhältnissen. Martin Kloke untersucht unter dem Titel > „Das zionistische Staatsgebilde als Brückenkopf des Imperialismus“, wie vor vierzig Jahren die neue deutsche Linke antiisraelisch wurde. Dimitri Zakharine ist Privatdozent am Fachbereich Soziologie und Geschichte des Universität Konstanz und geht der Frage nach, welchen Einfluß gemeinsame Saunagänge auf die russische Politik ausüben. Nebenbei geht Zakharine aber auch auf die „Reinigungsvorstellungen“ für die Gesellschaft und dei Wirtschaft des heutigen Russlands ein. Er ist überzeugt: „Vom Standpunkt des westlichen Rationalismus aus gesehen, erlebt Russland eine heilsame Wandlung, indem es zum okzidentalen Ideal des Rechtsstaats und der juristischen Sauberkeit einen eigenen Weg findet.“ „Auf eine Reformation folgt eine Gegenreformation“ meint Paul Krugman und schreibt ein ein Porträt des großen Ökonomen Milton Friedman. Uwe Jan Heuser betrachtet in seiner „Ökonomiekolumne“ das Erbe von Milton Friedmann (1912-2006) und John Kenneth Galbraith (1908-2006).
Christian Demand fordert in seiner „Ästhetikkolumne“ „Mehr Licht!“ und bespricht mehrere jüngst erschienene Bücher, die sich mit Kunst und auch mit ihrer öffentlichen Darstellung auseinandersetzen. Bernhard Schulz hat neue Bücher zur Geschichte des Dritten reiches (Hans-Ulrich Wehler, Peter Longerich, Götz Aly, Richard J. Evans) gelesen: Der Blick bleibt weiterhin auf die Frage gerichtet, ‚wie es geschehen konnte‘.“ Cord Riechelmann rezensiert die gerade erschienene Naturgeschichte Josef H. Reichholfs Naturgeschichte, die es für ihn ohne den Menschen nicht gibt. Damit greift er alle Klimabesorgten an, denn das Klima war nie stabil: „Mit den Instrumenten von Reichholfs Naturgeschichte sieht man in den gegenwärtigen Naturszenarien klarer, was tatsächlich geschieht,“ lautet das Urteil des Rezensenten.
In den Marginalien folgen noch drei Beiträge: Frederick Crews prangert religiöse Versuche Sinnlosem Sinn zu geben an. Jacob Hessing meint in „Ödipus und Ungeziefer“ „Siegmund Freund und Franz Kafka haben ein Vater-Sohn-Problem“. Und schließlich erinnert Jens Malte Fischer an Karl Kraus‘ Hitler-Buch, das so grandios missverstanden wurde.
> Merkur