Warum mag Richard Wagner keine Blogs?

Wenn meine Blogs zahlenmäßig jeden Tag die Zuschauerzahl in der Stuttgarter Liederhalle mit Besuchern übertrifft, die durch die Vermittlung von Suchmaschinen gekommen sind, dann sind diese Blogs keinesfalls „hermetische Communities“, wie Richard Wagner in der FAS am 2. November schreibt. Entgegen den Regeln journalistischer Kunst belegt Wagner seine Ausführungen nur mit einem einzigen Portal. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse verallgemeinert er und macht die, die auf Internet-Seiten schreiben zu „Internetfreaks“, die wie Flöhe ihre Speise durch Saugen erhalten: „mehr oder weniger geschickt plazierte Verweise“ nennt Wagner das und will damit suggerieren, sie seien zu mehr nicht in der Lage. Wagners Charakterisierung von Bloggern, „bei denen es zu einer Festanstellung“ nicht gereicht hat“, ist unfein – aber auch irgendwie eingängig, da Außenseiter es in diesem Land nicht nur in der Politik und in den Medien immer schwer haben, erfolgreiche Seiteneinsteiger zu werden, weil die Parteien und viele andere Institutionen und Organisationen nur zu gerne schnell die Reihen schließen. Blogger als „arbeitsweltliche Asoziale“ zu bezeichnen, ist noch unfeiner und läßt vermuten, dass Wagner bisher bei der Auswahl und Lesen von Blogs Pech gehabt hat. Auch in der Medienlandschaft gibt es weniger gelungene Produkte. Ob er unter die Blogger auch > die rund 60 französischen Abgeordneten zählt, die in Blogs ihre Arbeit dokumentieren, wie das Blog > Vues d’Europe des Staatssekretärs Jean-Pierre Jouyet oder > Jean-Pierre Raffarin, der in seinem Blog über die Arbeit im Senat berichtet, um nur einige Beispiele aus der französischen Blogosphäre zu nennen? Natürlich werden von „Abermillionen“ Blogs hierzulande wenig gelesen, weil nur ein kleiner Teil von ihnen auf Deutsch verfasst wurde. „Hier lernt man nichts. Aber es wird endlos gelabert,“ lautet der Untertitel der Glosse von Richard Wagner. Glossen dürfen sicher in die ein oder andere Richtung übertreiben, um die Kritik zu unterstreichen und mal ironisch manches überhöhen. Aber in Bausch und Bogen alle Blogger unisono mieszumachen, das führt mehr den Autor der Glosse als die Blogger vor.

> Blogs sind interessanter als ihr Ruf

Richard Wagner, Lauter Blogwarte. Hier lernt man nichts. Aber es wird endlos gelabert, in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 2. November 2007