Nachgefragt: Wie schreibt man einen Roman oder einen Kriminalroman?

Das ist keine sehr einfache Frage. Jean-Paul Sartre benötigte in seinen > Untersuchungen über Künstler 2801 (+ ein vierter Band aus seinem Nachlass) mit dem Titel L’Idiot de la famille. La vie de Gustave Flaubert de 1821à 1857 , um herauszufinden, wie > Gustave Flaubert – im Mai 2009 hat unsere Redaktion ihn in Rouen besucht – sich in die Lage versetzen konnte, um Madame Bovary. Mœurs de Province (1857) verfassen zu können, von dem Sartre sagte, er und Flaubert seien heute am Schnittpunkt all unserer Fragen, die sich um den modernen Roman drehen. Flauberts Neurose mag dabei eine Rolle gespielt haben und auch die Art und Weise, wie er eine Strategie entwickelte, um mit seiner Krankheit zu leben. Er und alle anderen Künstler, über die Sartre geschrieben hat von Baudelaire über Mallarmé, Genet und Tintoretto, haben alle für Ihre Zeit etwas Neues gegen den Strom vorherrschender Kunststile geschaffen.

So wie Sartre uns einen Blick in die Werkstätten der von ihm untersuchten Kunstwerke vermittelt, so bot der Besuch beim > Sommerfest von Tropen im Literaischen Colloquium am 31.8.2019 für unsere ganze Redaktion das Glück, insgesamt sechs Interviews zu führen gemäß unserer Blogdevise: Lesebericht Nachgefragt. Zuweilen stellt unser Chefredakteur auch mal

ähnliche Fragen, so ging an Thomas Palzer > Nachgefragt: Thomas Palzer, Die Zeit, die bleibt. Kriminalroman die Frage, ob der Plot zu Beginn der Niederschrift des Romans feststehe und er erklärte, wie die Geschichte sich beim Schreibprozess entwickeln kann, wie im richtigen Leben. Hier guckt der Schriftsteller zu, wie sich die Charaktere entwickeln oder ob sie am nächsten Morgen, wenn der Autor sich wieder an seine Schreibmaschine sitzt, noch da sind, oder ob neue hinzugekommen sind. Wir zeigen hier einen Auszug aus dem Interview mit dieser Frage und der Antwort von Thomas Palzer.

Ganz anders, Stuart Turton, der auf die Frage, – das ganze Interview: > Nachgefragt: Stuart Turton, Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle – ob er im

Schreibprozess weitere Personen einbauen bzw. erscheinen lassen können, ein deutliches Nein aussprach: Überall Stickers, gar eine große Excel-Datei, wo jede Figur mit ihren Handlungen genau festgelegt ist. Dann wird geschrieben. Und er hat uns im Interview versprochen, unserer Redaktion einen Auszug aus dieser 120-seitigen Datei zu schicken, damit unsere Leser auf diese Weise einen Blick in seine Werkstatt werfen können.

So betreiben wir hier auf dem Blog mal ein bisschen Komparatistik: Palzer beobachtet, Turton plant. Was passt besser zu einem Krimi? Palzer hat keinen allwissenden Erzähler, weil der am Anfang überhaupt gar nicht weiß, was da auf ihn zukommt, was da passieren wird, wer die Bösen sind und schon gar nicht wie der Fall gelöst wird. Spannung pur. Aber ohne den Vergleich jetzt zu weit zu treiben: Turtons Buch ist nicht weniger spannend. Zwar hat er einen allmächtigen Erzähler, der das Ende in allen Details perfekt kennt, der aber sehr im Hintergrund gehalten wird; das nimmt aber nichts von der Spannung, die wir in unserem > Lesebericht: Stuart Turton, Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle untersucht haben. Und dennoch könnte man sich auch über die Ereignisse genauer unter die Lupe nehmen: Turton kennt sie im voraus, Palzers Erzähler gibt sich manchmal überrascht, wobei Turton den Überraschungsmoment für den Leser nicht minder wirksam zubereitet.

Thomas Palzer
> Die Zeit, die bleibt
Kriminalroman
1. Aufl. 2019, 251 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-608-50415-6

Stuart Turton
> Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle
Aus dem Englischen von Dorothee Merkel (Orig.: The Seven Deaths of Evelyn Hardcastle)
Tropen
1. Aufl. 2019, 605 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-608-50421-7