Andrew Sullivan hat einen Aufsatz über das Bloggen geschrieben. Auf dem Frankreich-Blog habe ich unter der Überschrift > Michel de Montaigne est-il le précurseur des blogueurs ? auf Sullivans wunderbaren Aufsatz hingewiesen, den jeder lesen muss, der mich fragt, wieso ich blogge. Eduard Kaeser berichtet über Google und erklärt, wieso diese Suchmaschine uns eigentlich nur zur ständigen Verzettelung führt. Überhaupt, das Ehrlichste an Google ist, finde ich, es als eine Suchmaschine zu bezeichnen, niemand spricht von einer Findmaschine, weil Google das auch nicht ist, nicht kann, es nur vorgoogelt. Der Anspruch, die Qualität von Inhalten durch einen Algorithmus auszurechnen, der mal so dann wieder ganz anders funktioniert hat etwas mit – da fehlen mir immer noch die Worte – Informationsdiktatur zu tun. Schüler und Studenten verlernen, oder lernen gar nicht erst mit den Instrumenten einer Bibliothek umzugehen, weil das Googeln ja so wunderbar praktisch ist, und irgendwas wird man schon finden. Information verkommt zur Beliebigkeit. Google verbirgt vor dem Nutzer, wieso diese oder jene Seite oben angezeigt wird, es suggeriert durch den ersten Platz die Relevanz einer Seite. Warum bietet Google die Websites zu den > deutsch-französischen Beziehungen in dieser willkürlichen Rangfolge an? Ein System ist nicht zu erkennen, das ist die pure Willkür, oder vielleicht doch ein Hinweis darauf, dass die Bundesregierung nicht doch so viel für die deutsch-französische Zusammenarbeit tut, wie dies bei jedem Gipfel mit Frankreich versprochen wird? Und wir lassen uns alle von Google einlullen. Es heißt nicht Textverbesserung oder Überdenken der Inhalte sondern man spricht von SEO und meint Search Engine Optimization und denkt sich alle möglichen Tricks aus, um sich und seine Seite bei Google einzuschmeicheln. Ein kleiner Lichtblick. Ein bisschen Gerechtigkeit gibt es bei Google: > Argumente für Französisch.
Zurück zum MERKUR. Michael Rutschky untersucht den Zusammenhang von Presse und Prophetie seine Gedanken: Der Angriff der Zukunft auf die übrige Zeit, sein Aufsatz erinnert mich daran, wie der SPIEGEL auf seiner Website besonders in den ersten Monaten der Finanzkrise immer mehr dazu überging, aus der Zukunft zu berichten. Vielleicht wird man eines Tages das Schüren der Krise durch die Medien besser verstehen.
Und jetzt kommen zwei glanzvolle Aufsätze für Germanisten. Heinrich Detering interpretiert Goethe Dornburger Gedichte und führt dabei vor, was philologische Feinmechanik so überzeugend leisten kann. Chaim Noll untersucht den Einfluss der biblischen Landschaften auf Thomas Manns Josephsromane, und jetzt kommen die Historiker dran, G. W. Bowersock lässt das alte Byzanz Revue passieren und erklärt, warum es unser Europa ohne Byzanz gar nicht gäbe.
Peter Furth hat sich Gedanken über unsere politische Verfassung gemacht: > Über Massendemokratie. Ihre Lage bei Panajotis Kondylis. Er beginnt mit einem Zitat aus Alexis de Toqueville“ De la démocratie en Amérique, der nach einer Bezeichnung für die Unterdrückung suchte, die sich in der Demokratie entwickeln könnte. Und Tocqueville umschrieb diesen Zustand mit der drohenden Gleichheit, dem Verlust an Individualismus, einer „ungeheuren Vormundschaftsgewalt“, die sich um den ganzen Lebensgang ihrer Untertanen kümmert, bis sie uns eines Tages „die Last zu denken und die Mühe zu leben vollends abnimmt“. Ich denke nur daran, wie bürokratisiert das Studium geworden ist. Wieviel Energie müssen alle Beteiligten aufbringen, bevor sie wirklich lernen und forschen dürfen! Wieviel Freiheit ist in den Unis durch die wohlmeinende Fürsorge des Staates schon in den letzten Jahrzehnten verloren gegangen! Oder wieviele Plaketten ich auf mein Auto kleben muss, damit ich damit fahren darf? Oder, und hier tun sich ganz andere Abgründe auf, wie der Staat oder sogar nur einzelne Bundesländer sich durch Schulempfehlungen in die Zukunftschancen der Kinder einmischen und den Grundschullehrern das Recht gibt, die Lebenschancen der Kinder bestimmen zu dürfen. Prüfungen als Ergebnis eines Lebensabschnitts sind ok, sie dürfen aber nicht zur Tombola für das künftige Leben werden. Mir fällt beim Wort Massendemokratie auch die > Kollektive Intelligenz ein, die in Online-Enzyklopädien für die Wahrheit und eine Gleichheit des Denkens sorgt. Unterschiede und Besonderheiten werden von ihr abgeschliffen, so wie die Massendemokratie das Zusammenspiel von Privatheit und Öffentlichkeit nicht mehr versteht: Vgl. Richard Sennett, Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität (S. Fischer, Frankfurt/M. 1983). Und man kann gleich auch nochmal fragen > Wo führen uns soziale Netzwerke hin? oder Sind soziale Netzwerke wirklich sozial?. (Das sind die Links, die Andrew Sullivan in seinem Aufsatz rühmt.)
Jürgen Kocka berichtet über schlaue Dissertationen zur Geschichte. Kolumnen über Geschichte. Da lohnt es sich echt, mal genau hinzugucken. Ulrich Schacht rezensiert die Studie von Terrence Des Pres über die Vernichtungslager des 20. Jahrhunderts.
Und am Schluß stehen die fünf Gewinnertexte des MERKUR-Essaywettbewerbs „Unter dreißig“. Glückwunsch. Kurze Essays, die es in sich haben und sehr lesenswert sind.
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