Wir arbeiten unser > Leseprogramm ab. Die Vielfalt bei Klett Cotta. Diesmal ein Sachbuch: > Der Mensch, der Bonobo und die Zehn Gebote. „Woher kommt die Moral?“ steht auf U4. Frans de Waal, der weltbekannte Primatenforscher, erklärt aus seiner Sicht die Zusammenhänge zwischen Moral und Religion mit einem Blick auf Primaten und andere Tiere. Ihr Universum ist gottlos, aber diese Menschenaffen handeln überraschend gerecht, kooperativ und empathisch. Aus seinen Beobachtungen schließt de Waal, Moral muss älter sein als Religion. Trotzdem ist er überzeugt, dass Religion und Humanismus einen Beitrag zu einer funktionsfähigen Gesellschaft leisten.
„Glaubt irgendwer im Ernst, unserer Vorfahren hätten keine sozialen Normen gehabt, bevor sie die Religion entdeckten? (S. 11) „Ich bezweifle jedoch, dass Moralität von oben verordnet werden muss. Kann sie nicht von innen heraus kommen?“ (S. 30)
Boschs berühmtes Triptychon Der Garten der Lüste (1503-1504) zeigt die ganze Ausgelassenheit der Figuren vor dem Sündenfall oder der ist gar nicht vorgesehen. Eine Welt ohne Gott? Welche Stellung hat die Religion? Und ist unsere Humanität in uns angelegt? De Waal ist überzeugt, dass Tiere „sehr wohl über Dispositionen verfügen, die wir als moralisch bezeichnen“ (vgl. S. 12) Um seine These zu erläutern, berichtet er über seine Beobachtungen hinsichtlich des Altruismus und der Empathie (bes. auch S. 180 ff.) in der Tierwelt. De Waal kann mit seinem Wissen und seinen Erfahrungen, die aus unendlich vielen Tierbeobachtungen stammen, den Leser beeindrucken. Hinsichtlich unserer Verwandtschaft mit den Menschenaffen ist Demut angesagt: „…Wir haben Computer und Flugzeuge, aber unser psychologische Verfassung bleibt die eines sozialen Primaten,“ (S. 29) stellt er fest, wenn es um den Vergleich von Grundbedürfnissen bei Menschenaffen und uns geht. Unsere moralischen Empfindungen und Intuitionen, so de Waal, zeigten eine besondere Kontinuität mit anderen Primaten. (vgl. S. 31)
Der Gemeinschaftsgeist (S. 35) unter den Schimpansen sieht er als Beweis dafür an, das die Elemente der Moral älter sind als die Menschen. Andererseits will er aber mit dieser Bemerkung keinesfalls die Religion aus unserer Gesellschaft verbannen. Ihm geht es darum, „das Bedürfnis nach Religion zu verstehen, als es zu entwerten.“ (S. 35)
„Reziproker Altruismus“ (S. 49) ist eines der Stichwörter, das aus de Waals Tierbobachtungen resultiert und er lässt die Ergebnisse früherer Forscher Revue passieren, um seine eigenen Erkenntnisse einzuordnen. Besondere Aufmerksamkeit lässt de Waal den Bonobos zukommen (bes. S. 90-116). Seine Versuche belegen seine These, dass Schimpansen am Wohl der anderen interessiert seien (vgl. S. 165). De Waal folgert aus seinen Versuchen und Beobachtungen: „Inzwischen lässt sich kaum noch leugnen, dass prosoziales Verhalten keine rein menschliche Eigenschaft ist, sondern auch bei anderen Tieren vorkommt.“ (S. 168) Seine Gegenbeweise erschüttern die „Vorstellung, dass nur Menschen am Wohlergehen der anderen interessiert seien…“ (S. 169) Fotos zwischen S. 176-177 !
Seine Beobachtungen von Gruppenprozessen unter Schimpansen zeigt ihm, wie „Unterdrückung von Impulsen funktoniert“ (S. 204): hier ist für de Waal der Ausgangspunkt für die menschliche Moralität angelegt: „Impulskontrolle ist der Schlüssel zur Moral.“ (S. 204) Vgl. auch Sozialkodex: S. 212 ff. mit seinen Vorschriften: S. 220 ff. De Waal weist auf eine zweite Kraft hinter der Moral hin: Unser hierarchisches Wesen und unsere Angst vor einer Bestrafung. De Waal will nicht missverstanden werden, denn er unterstreicht, dass Menschenaffen nicht im gleichen Sinn moralisch seien wie wir, aber sie zeigten sehr wohl Bestandteile von Moralität: vgl. S. 251. Den Menschen werde das moralische Prinzip keinesfalls von außen aufgestülpt, sondern es stamme aus tief verwurzelten Werten, die schon immer vorhanden gewesen seien. (vgl. S. 306)
Frans de Waal
> Der Mensch, der Bonobo und die Zehn Gebote
Moral ist älter als Religion
Aus dem Amerikanischen von Cathrine Hornung (Original: The Bonobo and the Atheist. In Search of Humanism Among the Primates)
1. Aufl. 2015, 365 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, Tafelteil
ISBN: 978-3-608-98045-5