Lesebericht: Für ein partnerschaftliches Miteinander in der Schule
Disziplin ohne Tränen

Disziplin ohne TränenDie Autoren dieses Buches berufen sich auf die Werke von > Rudolf Dreikurs und auf die Arbeiten von > Alfred Adler (> Grundlagen und Ziele der Individualpsychologie, Alfred Adler Institut
8050 Zürich). Zwischen einer „permissiv geführten Klasse“, die zur „Anarchie im Laisse-faire-Stil“ führt und den „straff und autokratisch geführten Schulklassen“ (S. 11) möchten sie Methoden für „demokratische und partnerschaftliche Umgangsformen“ (S. 12) definieren. Die Stichworte, die ihren Ansatz prägen, sind Gleichberechtigung und Respekt, der zu einem „Bündnis aus Eltern, Lehrern und Kindern“ (S. 16) führen soll. Zuerst wird dem Lehrer eine Selbstprüfung vorgeschlagen: „Welcher Typ Lehrer sind Sie?“ (S. 25-35) Ob unsere Lehrer sich diese Fragen ab und zu gestellt haben? Jeder kann bestimmt viele Situationen aufzählen, unter denen er gelitten hat oder an die man sich gerne erinnert. Als mein Französischlehrer während meinem ersten langen Referats nach der ersten Intervention durch einen meiner Klassenkameraden und der dann folgenden Diskussion, du kannst die ganze Stunde haben, einwarf, war – wie man so schön sagt – mein Knoten für Französisch geplatzt. Anerkennung in Form eines „Jetzt bist du mal dran, mach mal,“ war wunderbar. Aber die Autoren dieses Buches verzichten trotzdem nicht auf eine gewisse Lenkung und betrachten Disziplin „als den Dreh- und Angelpunkt“ schulischer Erziehung,“ die sich mit einer „Gleichwertigkeit“ im Sinne einer „Lebensweise“, die zu einer „Freiheit aber nicht Regellosigkeit“ (S. 36) führt. In diesem und dem folgenden Kapitel geht es auch um das Selbstvertrauen des Kindes, hier wird der Einfluss des Adlers Individualpsychologie am deutlichsten.

Die Überlegungen zum kindlichen Fehlverhalten mit seinen Zielen „Aufmerksamkeit, Macht, Rache und der Eindruck von Unfähigkeit“ (S. 52) erscheinen zu schematisch, besonders wenn „Beispiele aus der Erziehungspraxis“ (S. 157-166) etwas vereinfachend solchen Zielen zugeordnet werden. Bei genauerem Hinsehen kann man allerdings den Erklärungswert eines solchen Ansatzes nicht übersehen. Genauso wie Lehrer sich an Lernerfolgen der Schüler als Verursacher mitfreuen dürfen, so sind sie auch bei vielen Formen des Fehlverhaltens nicht ganz unschuldig. Falsche Reaktionen machen manches nur noch schlimmer. In diesem Zusammenhang empfehlen die Autoren die Lehrer-Eltern-Sprechstunde. Hier beschreiben sie, was z. B. das > Mädchengymnasium St. Agnes in u.a. in Form seiner Elternseminare seit vielen Jahren mit großem Erfolg praktiziert. Der ständige Dialog zwischen Lehrern und Eltern gehört in dieser Schule mit dazu und reduziert den Kontakt zwischen Schule und Elternhaus nicht auf die seltene Lehrersprechstunde, in der oft nur die Sünden der Zöglinge aufgezählt werden.

Die Ziele kindlichen Fehlverhaltens im Überblick, ihre Korrekturmöglichkeiten wie die Liste der „unausgesprochenen Botschaften und Signale Ihres Kindes und wie Sie sie richtig interpretieren“, sind bedenkenswert und resümieren in knapper Form und gelungener Form den Ansatz dieses Buches.

Die Kritik der Autoren am Konkurrenzdenken, das sie am liebsten aus dem Klassenzimmer verbannen wollen, muss man nicht so recht teilen. In jeder sozialen Situation gibt es das Konkurrenzdenken, und es wird ja auch in der Grundschule z. B. in Baden-Württemberg durch die Grundschulempfehlung – die auch Lebenswegbestimmung heißen könnte, gefördert. Es ist richtig, dass die Autoren eine Rückbesinnung auf die Kooperation im Klassenzimmer fordern, sind sie dennoch auf dem richtigen Weg, indem sie den Lehrern partnerschaftliche Ansätze vorschlagen: „Ermutigung ist nicht das, was man sagt oder tut, sondern die Art und Weise, wie man es tut.“ (S. 98). Wenn auch das Konkurrenzdenken zugunsten des partnerschaftlichen Verhalten einfach verworfen wird, so bieten die folgenden Kapitel zur „Ermutigung im Unterricht“, über „Logische Konsequenzen statt Strafen“ und über das Gemeinschaftsgefühl in der Klasse eine reichhaltige Sammlung an wohlüberlegten Vorschlägen, mit denen partnerschaftliche Ansätze verwirklicht werden können.

Als Diskussionsgrundlage für ein Lehrer-Eltern-Seminar, als Lektüre zur Selbstprüfung für Lehrer, als Ausblick ins Berufsleben für Studienreferendare, als Lektüre für manches Pädagogik-Seminar liefert der Band interessante Diskussionsansätze.

Und hier können Sie in > Disziplin ohne Tränen mal bättern.

Rudolf Dreikurs / Pearl Cassel / Eva Dreikurs Ferguson
> Disziplin ohne Tränen
Mit einem Nachwort von Jan Uwe Rogge, aus dem Amerikanischen von Susanne Stopfel (Orig.: Discipline without tears. How to reduce conflict and establish cooperation in the classroom)
176 Seiten
ISBN: 978-3-608-94598-0

Weitere Bücher von > Rudolf Dreikurs bei Klett-Cotta.