Unsere Redaktion hat am 28. Januar 2016 einen > Lesebericht: Boris Johnson, Der Churchill-Faktor, ohne, das müssen wir zugeben, zu wissen, dass der damalige Bürgermeister von London, Boris Johnson, als Brexiter den Ausstieg der Briten aus der EU vorantreiben würde. Wir haben zuerst nur das Buch gelesen und u.a. geschrieben:
„So jetzt kommen wir zu der Frage, warum hat Boris Johnson dieses Buch geschrieben?
Erstmal natürlich um diesen erstaunlichen Politiker und seine Karriere zu würdigen. Loyal, integer, auch wenn er manchmal nicht nur für die Opposition sondern auch für die eigenen Gefolgsleute über die Stränge schlug, immer nicht nur im Krieg an vorderster Front, zweimal musste der König ihn schriftlich bitten, die Landung am D-Day nicht von einem der ersten Schiffe aus zu beobachten. Ein ungeheurer Sprachschatz stand Churchill zur Verfügung, der ihn zu einer beeindruckenden Produktion von Texten verleitete. Aber nochmal, warum schrieb Johnson dieses Buch?
Europa lautet das Stichwort. Gerade hadert England mal wieder mit der EU, und es steht sogar ein Volksentscheid an. Da kommt es wie gelegen, dass Johnson mit dem Kapitel 20 „Churchill, der Europäer“, an das „sperrige Thema der britischen Beziehungen zu ‚Europa’“ (S. 334) erinnert. [… ziemlich lang…]
Die Gegner Europas haben es leicht, bei Churchill ihre Argumente zu finden, solange sie auswählen und nicht alles lesen: 1930 steht in einem Zeitungsartikel von Churchill etwas über die drei Rollen Großbritanniens: Europäische Nation, Mittelpunkt des British Empires und Partnerland der englischsprachigen Welt – alles gleichzeitig. (vgl. S. 347)… Wäre Churchill 1948 Premierminister geworden, dann hätte er Europa seinen Churchill-Faktor aufgedrückt, dann wäre ein EU-Modell entstanden, angelsächsischer orientiert und demokratischer. (vgl. S. 348) Also, aus diesem Buch können Europakritiker in England lernen, wieso die EU und der Gedanke der Vereinigten Staaten von Europa wichtig ist, und die Befürworter können lernen, wie sie ihre Position noch besser vertreten können.“
Nun, es kam alles anders. Am 27. Juni 2016 stimmten 52 % für den Brexit. Und gestern abend hat das britische Unterhaus die Vereinbarung mit der EU mit den Stimmen von 432 gegen 202 Stimmen abgelehnt. Jetzt ist guter Rat nicht nur teuer, sondern alle Beteiligten wissen auch gar nicht, wo der herkommen könnte. Die Uhr anhalten? So dass der jetzt programmierte Austritt am 31.3. angehalten wird? Aber am 26. Mai wird die EU-Wahl durchgeführt, sollen/müssen die Briten dann mitwählen? Oder Großbritannien tritt aus und reicht am 2. April einen Aufnahmeantrag in die EU ein und führt eine Volksabstimmung durch.
Hintergründe:
Hans-Werner Sinn war von 1999 bis 2016 Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung: