Lesebericht: Charles Darwin, Der Ursprung der Arten

Unsere Redaktion hat die erste Neuübersetzung seit 100 Jahren von Charles Darwin, > Der Ursprung der Arten, die bei Klett-Cotta erschienen ist, zum schönsten Buch 2017 bei Klett-Cotta auserkoren. Der Schuber! 610 Seiten, von Eike Schönfed übersetzt, mit einem Nachwort versehen von Josef H. Reichholf, richtig gebunden, auf wunderbarem Papier, natürlich mit Lesebändchen ausgestattet und perfekt gesetzt!

1836 kommt Charles Darwin (1809-1882) von seiner Weltreise mit der HMS Beagle zurück. Nun war er sich sicher. Die Schöpfung und die Unveränderlichkeit der Arten war nur noch eine Glaubensangelegenheit. Für ihn stand nun fest: Alle Lebewesen lassen sich auf einen gemeinsamen Ursprung zurückführen. Für ihn lautete das Stichwort „Evolution“, das ihn zur Veröffentlichung von > On the Origin of Species by Means of Natural Selection, or the Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life begleitete. Als Wissenschaftler erntete er weltweite Anerkennung für seine Evolutionstheorie und zugleich heftigsten und unduldsamen Widerstand gegen seine Thesen. 1872 erschien die sechste bearbeitete Auflage. Sie wurde von Klett-Cotta in neuer Übersetzung herausgegeben.

Die erste Auflage war von 1250 Exemplaren war am Tag ihres Erscheinens am 24. November 1859 aufgrund der Vorbestellungen sofort vergriffen. Darwins Thesen war auch brisant genug. Zunächst formulierte er die These der Evolution und damit postulierte er die „Veränderlichkeit der Arten“, das war die Grundlage für ihn, um die gemeinsame Abstammung aller Lebewesen verständlich zu machen. Große Sprünge in der Evolution sah er nicht, sondern kleinste Schritte, der Gradualismus, leiteten die Veränderungen über längere Zeiträume ein. Er richtete sein Augenmerk auf die Populationen, die die Artbildung, also die Vermehrung der Arten überhaupt erst ermöglichten und dann benannte er auch die natürliche Selektion als eines Prinzipien der Evolution. Es war u.a. auch gerade der Gedanke der Selektion, der seine Gegner antrieb, seine Theorie abzulehnen: Noch bei seinem hundertsten Geburtstag traute sich kaum jemand, diese These zu teilen.

Kaum ein anderes Werk gibt einen solch fundierten, spannenden wie auch gut verständlichen Einblick in die Mechanismen der Natur, in die Ausbildung der Instinkte, der komplexen Organe und der Pflanzenwelt: „eine einzige lange Beweisführung“. (S. 538) Der Historische Abriss, S. 15-26 und das Kapitel XV Rekapitulation und Fazit vermitteln die Grundlage und die Verteidigung dieses Werkes. Der Abriss enthält eine präzise Skizze des Forschungsstandes und deutet tan, wie seien Vorgänger sich allmählich an sein Thema herantasteten. Das ist eigentlich ein geschicktes Vorgehen, zeigen doch deren Arbeiten die wachsende Zwangsläufigkeit und die Evidenz, die Darwin zu der Überzeugung der Richtigkeit seiner Thesen führen. Z. B.: war es Isidore Geoffroy Saint-Hilaire, der den Wandel der Lebewesen beobachtete , wenn die Bedingungen ihrer Umwelt sich ändern.  (vgl. S. 21)  In der Einleitung (S. 2-31) erläutert Darwin den Aufbau seines Buches und unterstreicht eine Ziel : „Es ist daher von höchster Bedeutung, zu einer klaren Kenntnis der Mittel von Modifikation und Anpassung zu gelangen.“ (S. 29)    Das letzte Kapitel ist besonders wichtig, da Darwin hier seine eigene Beweisführung kommentiert, Einwände erläutert und zurückweist. Das ist auch ein Text – wir nennen ihn hier naturwissenschaftliche Feinmechanik – der einen Meilenstein in der Wissenschaftsgeschichte darstellt. Erinnern wir uns, der englische Titel On the Origin of Species by Means of Natural Selection, or the Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life ist lang aber äußerst präzise, weil er alle Thesen des Buches nicht nur enthält, sondern sie auch in die Abfolge stellt, die er mit seiner Untersuchung belegen möchte. Im Nachwort (S. 571-603) erläutert Josef H. Reichholf die Gründe für die Neuübersetzung. Außer der exakten Begriffsbildung, deren Vernachlässigung manche Leser das lesen lässt, was ihnen gefällt, gibt es auch politische Aspekte, nämlich den Vormarsch fundamentalistischer Strömungen, der Kreationisten, die sich ganz massiv gegen die Evolution und jedes natürliche Werden wenden.

Dieses Buch ist auch ein Handbuch für den heutigen Biologieunterricht, (vgl. S. 575 f.) lehrt Darwin doch mehr als manches Biochemiebuch, Schüler/innen wissenschaftliches Denken: Formulierung von Hypothesen, Versuche, Beweisführung und die Präsentation der Ergebnisse. Dieses Verfahren betrifft nicht das ganze Buch, sondern die vielen Abschnitte in diesem Buch, in denen Darwin immer wieder von neuem wissenschaftliches Arbeit demonstriert. Dazu empfehlen wir die Lektüre des Inhaltsverzeichnisses dieses Buches, dass sich wie ein knappe Zusammenfassung seiner Thesen liest und echt Lust auf das Blättern und Weiterlesen macht. „Tatsachen und Überlegungen“ (S. 559) haben Darwin dazu gebracht, „die Arten auf einem langen Weg der Abstammung“ zu beobachten und ihre Modifikationen nachzugehen. Er war sich der Einwände von religiöser Seite sehr wohl bewusst, sieht aber „keine vernünftigen Grund, warum die in diesem Band dargelegten Ansichten religiöse Gefühle verletzen könnte.“ (S. 560) Er bleibt ganz gelassen; „Der Glaube, Arten seien unveränderliche Schöpfungen, war beinahe unerträglich…“ (s, 561)

„Manch lange Zeitverzögerung in der biologischen Forschung hätte sich vermeiden oder wesentlich verkürzen lassen, wäre auf Darwin zurückgegriffen oder eingegangen worden,“ (S. 576) schreibt Reichholf in dem Absatz, wo er auch die „hochaktuelle ‚evo-devo'“ erwähnt, denn schon Drawin war sich klar, dass Evolution keine Einbahnstraße sein muss. Noch ein Anreiz mehr, sich in dieses Buch zu vertiefen. Wir versichern Ihnen, die Lektüre dieses Buches  würde hier zu mehreren spannenden Blogartikeln führen. Und Darwin selbst verfolgt exemplarisch Entwicklungsstränge, die sich nebenan viel tausendmal mit unterschiedlichen Varianten ereignet haben. Das Buch ist auch ein Protokoll, wie sehr Darwin um die Darlegung seiner eigenen Thesen gerungen aht: Kapitel VI: Schwierigkeiten der Theorie.  Er benennt die Schwierigkeiten, konstruiert eine Einteilung für sie, bildet Analogien und findet so den Weg zur Theoriebildung. Im folgenden Kapitel beantwortet er Einwände gegen die Theorie der natürlichen Selektion. Dann folgt eine erste Systematisierung auf der Grundlage des Instinktes in Kapitel VIII.  Danach nimmt er die Mischbildung in den Blick. Fehlen die Zwischenvarietäten, könnte seine Theorie ins Wanken geraten: Kapitel X Zur Unvollständigkeit der geologischen Zeugnisse. Wie entstehen aber neue Arten: Zur geologischen Aufeinanderfolge von Lebewesen. Und nicht nur nebenbei diskutiert Darwin, den bis dahin bekannten Forschungsstand zu den von ihm genannten Themen.

Charles Darwin
> Der Ursprung der Arten
Mit einem Nachwort von Josef Helmut Reichholf,
aus dem Englischen von Eike Schönfeld (Orig.: On the Origin of Species)
1. Aufl. 2018, 612 Seiten, Leinenband mit Prägung im Schuber, Fadenheftung, Lesebändchen, 10 Illustrationen, Innenteil mit Schmuckfarbe gedruckt
ISBN: 978-3-608-96115-7