Lesebericht: Die Beatles und die Philosophie

Im Frühjahr ist bei Tropen der Band > Die Beatles und die Philosophie und dem Untertitel Klüger werden mit der besten Band aller Zeiten, erschienen, den Michael Baur und Steven Baur herausgegeben haben und der von Susanne Held und Christoph Trunk übersetzt worden ist. Welch ein Lesevergnügen! Schon bei den ersten Kapiteln bin ich wieder im alten Partykeller und höre die Songs der Beatles „A Day In the Life“, „A Hard Day’s Night“, „Don’t Let Me Down“, „Fixing a Hole“, „I’ve Got A Feeling“, „Mr. Moonlight“, „Strawberry Fields Forever“, „Yellow Submarine“, und so viele andere. Dann nach etwa 80 Seiten hielt ich es doch nicht mehr aus und holte mir dem Zeitalter gemäß die CDs mit den Beatles-Songs, die ich aus Nostalgie schon vor einigen Jahren gekauft hatte.

Die Frage, ob Philosophen über die Beatles schreiben können, braucht gar nicht gestellt zu werden. Und ob sie das können. Alle Autoren dieses Bandes ist es wunderbar gelungen, die Ohrwürmer von damals zu entschlüsseln und dabei einen spannenden Aus- und Einblick in die Philosophie zu vermitteln. David Detmer hat den Skeptizismus und die Erkenntnistheorie bei den Beatles untersucht. Es geht in vielen ihrer Songs um Wissen und Erkenntnis, genau genommen um die Frage, wie Wissen erlangt wird. Grund genug, dass ein Epistemologe, der einen Hauptzweig der Philosophie vertritt, sich die Liedtexte der Beatles genauer ansehen sollte: „I’m a Loser“, die Dinge sind manchmal nicht so, wie sie scheinen. Es geht auch um die Selbsttäuschung: „Nowhere Man“, der nur sieht, was er will. Michael Baur untersucht den idealistischen Monismus in Zusammenhang mit den Beatles. Der Monismus will den Zusammenhang von Allem mit einem großen Ganzen zeigen. Baur geht aber hier über sein Thema hinaus und erklärt Zusammenhänge zwischen der Popkultur und der Philosophie. Das ist spannend, weil er gleichzeitig Parallelen zu anderen Themen der Beatles herstellt und immer wieder ihre Songs als Belege für seine Ausführungen nennt. DIe Verbundenheit aller Dinge kommt z. B. in „All you Need is Love“ zum Ausdruck.

Hegel, Liebe und Gemeinschaft ist das Thema von Jacob M. Held: „I am a Walrus“:“Ich bin hier und du bist hier, und du bist ich und wir sind alle zusammen, bringt hier die Liebe auf den Punkt. Peggy J. Bowers hat „She’s a Woman“ wiedergehört und hat sich die Beatles und die feministische Ethik der Fürsorge angesehen. Notieren Sie sich die philosophischen Begriffe, die in diesem Buch genannt werden, und Sie haben nach der Lektüre den Index eines Philosophie-Lehrbuchs vor sich liegen. Oder andersherum, die Autoren dieses Buches schieben Ihnen ganz nebenbei, während Sie sich beim Lesen an die Songs der Beatles erinnern, ein Lehrbuch der Philosophie unter. Das machen sie ganz unaufdringlich und sehr geschickt. Sie ertappen sich dabei, gerne mehr über die Philosophie wissen zu wollen. Hegel, Schelling, Nietzsche, Heidegger, Sartre u.a. Philosophen kommen vor und ergänzen mit ihren Gedankengebäuden die Lebendigkeit der Beatle-Texte. Die > Beatles-Songs – das waren Zeiten! – und die Philosophie verweisen beide aufeinander. Nebenbei erzählt Peggy J. Bowers, wie sich die Beatles Ende der 50er Jahre zusammengefunden haben. Sie erzählt von dem „prickelnden Lebensgefühl“: „Here comes the Sun“, und wie George sich an seine Freundin wendet: „Liebling, das Lächeln kehrt auf ihre Gesichter zurück. Liebling, es war doch jahrelang verschwunden. Hier kommt die Sonne. Hier kommt die Sonne. Alles ist gut.“ Aber ihre Liedtexte erzählen auch von Gleichgültigkeit und bemerken sehr wohl das Nebeneinander in den sozialen Beziehungen: „I’m looking through you“.

Dann kommt die Sozialphilosophie dran. Scott Calef untersucht die Kritik der Beatles an der Konsumkultur „You Say that You’ve Got Eyerything You Want“. Im Rauch des Konsums geht die Solidarität verloren. Die Beatles setzen diesem Verlust Ihr „Come together“ entgegen oder „Getting better oder auch „I’m fixing a Hole“. Steven Baur hat einen interessanten Beitrag über Karl Marx und die Beatles verfasst. Marx ist es auch, der als einziger Philosoph es auf ein Cover der Beatles geschafft hat: Sergeants Pepper’s Lonley Harts Club Band: „We all want to Change your Head.“ Oder sie melden sich mit „I’m Only Sleeping“ zu Wort, um der pausenlosen Geschäftigkeit einen Ruhepool entgegenzusetzen.

Und dann das großartige Kapitel über die Existenzphilosophie: „Think for Yourself“. Michel H. Hoffheimer und Joseph A. Hoffheimer über George zu Sein und Etwas: „A Day in Life“ und die Parallelen zur Philosophie > Jean-Paul Sartres steht hier im Mittelpunkt. „Savoy Truffle“ schriebt George 1968 und behauptet „Man ist, was man isst.“ Und der Autodidakt sagt zu Roquentin in La Nausée (1938): „Das Leben hat den Sinn, den sie ihm geben.“ Die Unaufrichtigkeit, die Sartre 1943 in L’être et le néant
definiert, wird von ihm mit einem Beispiel illustriert: Eine Frau lässt sich verführen tut aber so, als merke sie nicht, dass der Mann sie zu verführen versucht, während sie genau das will: „Norwegian Wood“. Sartre erläutert, dass der Mensch für sich selber und sein Handeln verantwortlich ist: John und Paul sagen 1965 in „The Word“ „Sag das Wort, und du wirst frei sein.“

Ronald Lee Ziegler beschreibt die Beatles als Ersatzgurus östlicher Philosophie: „Realize It’s All Within Yourself“. Jere O’Neill Surber hat sich „I’d Love to Trun You on“ und die Ethik der Beatles einer Bewußtseinserweiterung angesehen. Hier geht es auch wieder um Sartre und Heidegger, aber Surber meint die Beatles gehen u. a. auch mit ihren kosmischen Visionen noch über beide hinaus: „Here, There and Everywhere“. James B. Southe schreibt über Die Beatles und die Praxis der Philosophie: „But I Can Show You a Better Time“. James Crooks untersucht Die Postmoderne der Beatles: „Take a Sad Song and Make It Better“, und Rick Mayrock hat Parallelen zwischen Nietzsche und den Beatles entdeckt.

Im letzten Teil geht es um „Number Nine, Number Nine, Number Nine“: Das Spiel der Beatles mit Sprache und Unterschieden. Alexander R. Eodice hat sich „And of Course Henry the Horse Dances the Waltz“ vorgespielt und analysiert Lennons lyrische Sprachspiele. Richard Falkenstein und John Zeis tragen ihre Überlegungen unter dem Titel Vielfältiges Spiel mit Unterschieden vor, und schließlich hat Michael Caputo versteckte Hinweise auf den Tod von Paul McCartney gesammelt.

Schade, das Buch hätte auf meinem Lesestapel ganz oben liegen müssen. Vielleicht hatte ich keine Daumenprobe gemacht. Beatles und Philosophie? Denkt sich wohl auch mancher im Buchladen. > Blättern sie mal in dem Buch!. Ein IPad zeigt die Leseprobe nicht an. Dann hier: > Leseprobe. Hören Sie ihre Songs? Nein, dann blättern Sie ein bisschen weiter. Jetzt? Sehen Sie, so ging es mir auch.

Nachgefragt: > Tom Kraushaar über die Beatles und die Philosophie

Michael Baur / Steve Baur
> Die Beatles und die Philosophie
Klüger werden mit der besten Band aller Zeiten
Auflage: 1. Aufl. 2010
Ausstattung: gebunden ohne Schutzumschlag
319 Seiten
ISBN: 978-3-608-50402-6