Lesebericht: Eberhard Straub, Der Wiener Kongress

straub-wiener-kongressSchon im letzten Jahr erschien der Band von Eberhard Straub > Der Wiener Kongress mit dem Untertitel Das große Fest und die Neuordnung Europa. Auf dem Wiener Kongress wurde getanzt. ( vgl S. 80 ff.) Es war wieder Frieden in Europa, obwohl > Napoleon noch einmal wieder kam.

Aber trotz aller Festivitäten in Wien, bei denen sich die gekrönten und noch nicht gekrönten Häupter, Prinzessinnen und Prinzen unter das Volk mischten und eine ganz neue Art von Öffentlichkeit schufen, wurde auch gearbeitet. Man rekonstruierte ein Gleichgewicht des Friedens in Europa: „Die Neuordnung Europas“ steht im Untertitel dieses Buches. Alles wurde getan, (vgl. S. 65 f., 71, 74 ff.), um Frankreich nicht zu demütigen, sondern ihm einen würdigen Platz im Konzert der Großmächte zu erhalten.

Das besondere Verdienst dieses Buches ist die Darstellung der Vorgeschichte des Wiener Kongresses vom 18. September 1814 bis zum 9. Juni 1815, seiner Durchführung, seiner Ergebnisse und ihrer Wirkung bis 1914/1918. Er sicherte Europa – mit Unterbrechungen – bis 1914 einen Frieden (vgl. S. 16), der mit dem 1. Weltkrieg, der auch die politische Einheit Europas vernichtete, (vgl. S. 222) zerbrach. Der Autor ordnet den Wiener Kongress in die europäische Geschichte des 19. Jahrhunderts ein. Und so wie Eberhard Straub zu bescheiden eine > Kleine Geschichte Preußens verfasst hat, so hätte dieses Buch auch (umständlich) Eine kleine Geschichte der europäischen Staaten von 1815-1918 heißen können. Darum geht es nämlich: Wie lange wurden die Prinzipien des Wiener Kongresses von den Europäischen Staaten beachtet, wie lange waren sie tragfähig, um Europa den Frieden zu sichern? Straub vermittelt auf diese Weise interessante Einsichten und deckt Zusammenhänge auf, die sein Buch für auch für Studenten und Schüler äußerst hilfreich macht.

straub-wiener-kongressStraub beginnt im Ersten Kapitel „Die französische Revolutionen gegen die Vernunft der Staaten“ – die Titel seiner Kapitel sind mit Bedacht gewählt – mit den Napoleonischen und dann den Befreiungskriegen, aus denen die Monarchie gestärkt hervorging (vgl. S. 43 f.): Die „ästhetisierte Monarchie“ (S. 94 ff.) In Wien wurde „Ein Frieden ohne Sieger und Besiegte für ein neues Sicherheitssystem in Europa“ vereinbart, zu dem Russland selbstredend dazugehörte. (Kapitel 2) Dieses „Europa war weiterhin durch und durch französisch,“ (S. 50) während Großbritannien auf die ihm eigene Art „einmal mehr Außenpolitik mit Kraftsport verwechselte.“ (S. 55) Diese letzte Zitat ist etwas aus dem Zusammenhang gerissen, aber es deutet dennoch an, wie lehrreich dieses Buch von Straub für jeden ist, der sich heute um Europa Gedanken macht, auch der britische Außenminister Robert Stewart, Viscount Castlereagh (1769-1822) (vgl. bsd. S. 139) hat von Metternich viel über Europa gelernt und angenommen. Ganz wichtig ist die „Gemeinschaft der Staaten, nicht der Nationen“ (S. 57 ff.). Im Nationalismus liegt der Quell allen Übels, als nämlich dieser 1914 den Frieden der europäischen Staaten untereinander unmöglich macht. (vgl. S. 209). Frankreich wurde als „notwendige Großmacht“ (S. 61) weiterhin gebraucht, schon allein um die Stabilität in Europa nicht zu gefährden. (vgl. S. 64) Nochmal: Kapitel 4: „Keine Chance für ein Europa der Nationen“ (S. 107-115): „Nationen konnten jede Ordnung unmöglich machen…“ (S. 115).

Im 5. Kapitel geht es um die „Legitimität eines Systems kollektiver Sicherheit“ (S. 134 ff), das Verhältnis von England und Frankreich und die Orientalische Frage (vgl. S. 159 ff.), die europäischen Staaten nicht in den Griff bekamen, mit allen unabsehbaren und verheerenden Folgen – bis heute: Der Historiker kann die Gründe für politische Entwicklungen bis in unsere Tage erklären. Das Kapitel 6 „Von den orientalischen Fragen zur Julikrise 1914“ wiederholt die Grundthese dieses Buches: „Das europäische Konzert war eingerichtet worden, um Europa vor der Destabilisieung durch Nationalstaaten zu bewahren.“ (S. 171). Es folgt eine kurzgefasste Anlyse des Bismarckschen Bündnissytems, das in seiner Tragweite, Chancen und Gefahren nur zu verstehen ist, wenn man das Sicherheitspolitik des 19. Jahrhunderts im Blick behält. Im Kapitel 7: „Der Große Krieg und die Unfähigkeit zum Frieden“ berichtet über den Kriegsausbruch und die Unfähigkeit aller Beteiligten einen Frieden zu schließen. Sehr lehrreich ist hier die Vergleich 1815/1918 (S. 211-223).

Eberhard Straub
> Der Wiener Kongress
Das große Fest und die Neuordnung Europa
1. Aufl. 2014, 255 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag und 8 Seiten Tafelteil
ISBN: 978-3-608-94847-9


<<< In unserem > Lesebericht: Eberhard Straub, Wagner und Verdi. Zwei Europäer im 19. Jahrhundert hieß es: „Straubs Doppelbiographie erklärt die Lebenswege der beiden Komponisten und zeigt vor allem auch die Beziehungen zwischen der Musik und der Politik ihrer Zeit. Besonders interessant ist das Kapitel, das den Einfluss der Musik als gemeinsame „Sprache“ auf zerrissene Italien vor seiner Einigung 1861 schildert, (S. 30-63): „Die einzige gemeinsame Sprache, die bislang von Catania bis Venedig jeder verstand, war die Sprache der Musik…“ (S. 33) „Die Geburt des radikalen Antibürgers Richard Wagner“ (S. 69 ff.) lautet eine Kapitelüberschrift,…“ > Bitte weiterlesen.