Lesebericht: Jürgen Overhoff, Friedrich der Große und George Washington

Jürgen Overhoff hat mit seiner Parallelbiographie > Friedrich der Große und George Washington. Zwei Wege der Aufklärung eine faszinierende Geschichte des 18. Jahrhunderts verfasst.

Der preußische König Friedrich der Große (1712-1786) und George Washington (1732-1799) kamen aus völlig verschiedenen Verhältnissen. Friedrich musste in seiner Jugend bis zu seinem Regierungsantritt 1840 unter dem strengen Regiment seines Vater Friedrich Wilhelm I. (1688-1740), der ab 1713 regierte, leiden. Der Versuch, sich dem Vater zusammnen mit Hans Hermann von Katte durch Flucht zu entziehe, wurde verraten und Katte wurde auf Anordnung des Königs 1730 hingerichtet. 1732 wird George Washington geboren und erlebt in den jungen amerikanischen Kolonien eine ganz andere Kindheit, wird Landvermesser, Soldat und Abgeordneter. Im Siebenjährigen Krieg (1756–1763) kommandiert er ein Regiment in Pennsylvania gegen die Franzosen. Zugleich beobachtet er genau die Erfolge Friedrichs, der ihm in Europa den Gefallen tat, die französischen Truppen zu binden und zu schwächen. (S. 10)

Am 10. Mai 1786 – wenige Monate vor Friedrichs Tod -schreibt Washington auf seinem Landsitz Mont Vernon einen Brief an Lafayette. Damit beginnt Overhoff die Biographie des Königs und des amerikanischen ersten Präsidenten:

in: The Writings George Washington, Being his Correspondance, Adresses, Messages, and other Papers, Official and Private, hrsg. v. JK. Sparks, Bd. 9, Boston 1835, S. 160.

Wer sich für die politische Geschichte der Aufklärung im 18. Jahrhunderts interessiert, wie in zwei Staaten mit unterschiedlichen Gesellschaftssystemen die Ideen der Aufklärung in Preußen u.a. zur Religionsfreiheit und auf dem amerikanischen Kontinent zur Bildung der USA führen, wird mit diesem Buch ein sehr lohnende Lektüre finden. Friedrich als Gesprächspartner von Voltaire (1694-1788) und George Washington als Mitbegründer eines parlamentarischen Systems und schließlich als erster Präsident der USA – er hält seine Inaugural Speech am 30. April 1789 – stehen zusammen für zwei so unterschiedliche Herrschaftsformen. Die aufgeklärte Monarchie in Preußen mit einem König, der sich etwas anderes als seine Alleinherrschaft nicht vorstellen kann, und auf der anderen Seite des Atlantiks, der Soldat und Feldherr, der seinen entscheidend Beitrag zur Unabhängigkeit, Freiheit und Selbstbestimmung der Kolonien in der Neuen Welt leistet: „Ein virginischer Farmerssohn, der schon als Jüngling Halbwaise geworden war und sich fortan als Landvermesser sein Brod verdienen musste, hatte aus eigener Kraft geschafft, die Stellung des weltweit bekannten Landesverteidigers der Vereinigten Staaten von Amerika einzunehmen, des obersten und allseits geachteten Schutzherrn einer ganz neuartigen demokratisch-republikanischen Bürgergesellschaft.“ (Overhoff, S. 324)

Eine wichtige Einführung ist das 2. Kapitel „Ein Sonnenaufgang (1701)“, mit dem die Grundlagen und die Entwicklung der Aufklärung im 18. Jahrhundert geschildert werden, dann die Entwicklung Preußens mit dem Bericht über das schwierige Sohn-Vater Verhältnis im Kontrast zu der Jugend George Washingtons. Bemerkenswert mit welcher Klarheit Overhoff den Einfluss von Autoren, die über Staats- und Verfassungsrecht schrieben, wie Hobbes, Montesquieu oder auch Leibniz skizziert. „Hobbes hatte gelehrt, dass ein tragfähiger Gesellschaftsvertrag entweder eine demokratische oder eine monarchische Struktur aufweisen konnte. Preußen war schon seit seinen Anfangstagen den Weg der auch von Leibniz favorisierten monarchischen Verfassung gegangen, und da Friedrich auf dieser vorgegebenen Bahn erstaunliche Erfolge erzielt hatte, sah er weniger denn je einen Grund, am preußischen Kurs der politischen Aufklärung zu zweifeln.“ (Overhoff, S. 255)

Auf den letzten Seiten schildert Overhoff wie eine „lose Konföderation von Einzelstaaten“ sich eine neue Verfassung gibt. Das waren andere Zeiten als die, die heute die Brüsseler Verhältnisse bestimmen, die nur noch Finanzkrisengipfel kennen aber kaum noch Visionen entwickeln können.

Overhoff ist es vorzüglich gelungen, die Visionen des Königs und des Politikers und Feldherrn Washington miteinander zu vergleichen, zu zeigen, wie beide aufgrund ihrer Abstammung, Erziehung und Ausbildung andere Gesellschaftsmodelle verfolgen, wie beide auf ihre Weise nachhaltigen Erfolg haben, wenn auch die Zeit des Einen abgelaufen schien, der Andere Präsident wird, während in Europa mit der Erstürmung der Bastille eine ganze Epoche zu Ende geht, und in der Alten Welt erst 1848 mit Louis-Napoleon ein Staatspräsident direkt vom Volk gewählt wird.

Mit diesem Band vervollständigt Klett-Cotta die Reihe seiner Bücher zur Geschichte, in denen nicht nur ein Thema, sondern eine ganze Epoche in ihren Auswirkungen bis in unsere Zeit erklärt wird.

> George Washington letters for the years 1754 thru 1796

Jürgen Overhoff
> Friedrich der Große und George Washington. Zwei Wege der Aufklärung
1. Aufl. 2011, 365 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, mit ca. 25 Abbildungen
ISBN: 978-3-608-94647-5