Zuerst müssen wir wohl mal über die Auswahl der Präsidenten sprechen, deren Biographien Ronald D. Gerste in seinem Buch > Trinker, Cowboys, Sonderlinge. Die 12 seltsamsten Präsidenten der USA vorstellt. Warum diese und nicht andere? Nach der Lektüre wurde in unserer Blog-Redaktion die Idee diskutiert, ob die Schrulligkeiten der Protagonisten und Charaktere in diesem Band nicht vielleicht doch irgendwas mit dem derzeitigen Mieter des Weißen Hauses zu tun haben könnten? Eine verkappte Biographie von Donald Trump? Einige in unserer Redaktion fanden diesen Gedanken nicht gut, andere, die das Buch auch ganz gelesen hatten, fanden diese Idee charmant.
Oft war die Wahl in das höchste Staatsamt mit vielen Zufällen auch mal äußerst knapp verlaufen, einigen Amtsinhabern war das Präsidentenamt nun wirklich nicht in die Wiege gelegt worden, viele haben sich durch alle Instanzen durchgekämpft um als Krönung ihrer Karriere das Weiße Haus beziehen zu können. Bei fast allen spielten unglaubliche Zufälle die Rolle auf dem Weg in das Präsidentenamt.
Aber alle haben das Amt und ihre Politik sehr nachhaltig geprägt – nicht nur aufgrund der eigenen Persönlichkeit, ihres Vorwissens und ihren Erfahrungen – auch aufgrund ihres Umfelds ihrer Berater.
Ihr Blick ins (bitte jetzt) > Inhaltsverzeichnis enthebt unsere Blog-Redaktion von der Pflicht, alle in diesem Buch vorgestellten US-Prasidenten jetzt hier mit ihren Lebens- und Amtsdaten aufzulisten. Die Untertitel der Kapitel! Auf die kommt es an, weil sie die Amtsinhaber wunderbar charakterisieren: Andrew Jackson der Unbeherrschte, Grover Cleveland, der integre Sturkopf, JFK, der Zügellose. Was für eine Vielfalt und jeder von ihnen hat Geschichte gemacht. Wobei wir bei der Frage sind, die die Historiker so oft umtreibt: Wer oder was ist für das Voranschreiten der Geschichte verantwortlich? Kann ein Einzelner tatsächlich einen so großen Einfluss ausüben, so dass die Geschichte an bestimmten Stellen anders abbiegt, als erdacht oder vorhergesehen? Oder hat nicht auch im Fall des US-Präsidenten sein Berater-Stab einen mindestens ebenso großen, wenn nicht größeren Einfluss als sein Chef? Wie frei ist dieser bei seinen Entscheidungen? Man sieht das gerade bei Donald Trump, der sich dem Anschein nach von einigen Beratern gar nicht gut beraten ließ und dies nun gemerkt hat. Twittert er eigentlich selber? (Bei allem Respekt, darf man doch anmerken, dass die präsidentiellen Tweets nicht immer von seinem Beraterstab auf Fehler geprüft worden sind, oder hat der Präsident sie vor der Veröffentlichung nicht geprüft? Michiko Kakutani > Der Tod der Wahrheit. Gedanken zur Kultur der Lüge)
Und das Interesse oder Desinteresse der Frauen, das Amt der First Lady zu bekleiden, hat auch oft die Amtsführung des Präsidenten beeinflusst.
Eine kurzgefasste Geschichte der USA hat Ronald D. Gerste verfasst. Und hier finden wir ein weiteres Kriterium für die für diesen Band ausgewählten Präsidenten. Sie stehen in besonderer Weise für entscheidende Wegmarken der amerikanischen Geschichte. Das haben ihre Wähler geahnt oder verstanden, wenn sie ihnen manche dunkle Flecken in ihrer Biographie verziehen haben, in dem sie sie in das höchste Staatsamt schickten. Und Gerste erklärt uns die Verfassungswirklichkeit, also wie die Präsidenten durch ihre Amtsführung verfassungsmäßige Vorschriften oder Gewohnheiten gegenüber den Usancen anders interpretierten und damit z. B. wie Andrew Jacksons das Gleichgewicht der checks and balances verschoben. (vgl. S. 43). Jede Amtszeit dieser Präsidenten hatte ihre Besonderheiten: Das Kabinett unter Franklin Pierce erfuhr in den vier Jahren keine Veränderungen. In seiner zweiten Amtszeit wurde das dann ein wenig anders. Ulysses S. Grant = U.S. Grant war erst spät erfolgreich: der Feldherr, der Präsident wurde. Rutherford Birchard Hayes erlebte eine besondere turbulente Wahl, wie so mache seiner Nachfolger. Über manche Präsidenten wie Chester Alan Arthur muss erst wieder geschrieben werden, damit man sich an sie wieder erinnert. Grover Cleveland sagte an die Adresse Trumps „Tell the truth“. Manchmal ist die Flucht nach vorn das Allerbeste – das wäre auch ein Rat an die Adresse Trumps -, man gesteht Fehler ein, die andere sich als Kritik gerade zurechtlegen wollen. (vgl. S. 130). Vom Haudegen und Bücherwurm Theodore Roosevelt als Naturschützer (vgl. S. 157) könnte Donald Trump viel lernen. William Howard Taft besaß eine beeindruckende Menschenfreundlichkeit (cf. S. 169) Von seiner Führung der Außenpolitik mit ruhiger Hand sollte Trump einiges lernen. Vizepräsident Calivn Coolidge kam durch den Tod seines Chefs am 2. August 1923 ins Amt: „America’s business is business“ (S. 189) und er meinte sich da nicht einmischen zu müssen. Harry Truman wurde am 12. April 1945 der Nachfolger von Franklin D. Roosevelt, der gerade zum vierten Mal gewählt worden war. Als Präsident erlaubte Truman der beiden Atombomben über Nagasaki und Hiroshima. John F. Kennedy und die Kuba-Krise. Ein Beispiel für den persönlichen Einsatz eines US-Präsidenten, um die Welt vor einem neuen globalen Krieg zu schützen oder ein geschicktes Management seines Beraterstabes, das Trump anscheinend so abgeht? Richard M. Nixon hatte mehr vom Klimaschutz verstanden als Donald Trump: vgl. S. 243, bevor andere davon sprachen. Er musste zwar wegen der Dummheit Watergate und dessen Folgen zurücktreten aber ihm gelang es auch den Vietnam-Krieg zu beenden und er unternahm eine beeindruckende Annäherung an China. Ist er ein Beispiel für einen Präsidenten, der wirklich zu gestalten wusste?
Ronald D. Gerste
> Trinker, Cowboys, Sonderlinge
Die 12 seltsamsten Präsidenten der USA
1. Aufl. 2019, ca. 272 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, mit s/w-Abbildungen
ISBN: 978-3-608-96445-5