Lesebericht: Millenium: Die Jahrtausendwende und das 11. Jahrhundert

Pauls, Die VergangenheitWas geschah um das Jahr 1000 in Europa, in Konstantinopel und in Bagdad? Wie hingen diese Ereignisse miteinander zusammen? Welche Ängste löste das Warten auf den Antichrist aus? Wie entwickelte sich das Verhältnis von weltlicher und geistiger Herrschaft in Europa? Studenten brauchen einen Überblick, in den sie die Erkenntnisse aus den Seminaren und Vorlesungen verankern können. > Millenium hätte ich gerne auch schon im Studium gehabt.

Der Leser lernt hier vor allem, dass es einen abgegrenzten Blick nur auf die europäische Geschichte im Mittelalter gar nicht geben kann. Nein, es ist noch keine Globalisierung, aber er wird sich darüber im klaren werden, dass die Ansprüche aller anderen Reiche ganz ohne Zweifel an der Geburt der europäischen Geschichte der Neuzeit ganz besonders eng beteiligt sind. Und je aufmerksamer man dieses Buch lest, so genauer wird man merken, dass heute eine Beurteilung des Islams ohne die historischen Kenntnisse, die in diesem Buch vermittelt werden, also der Jahrhunderte vor und nach dem Jahr 1000 nicht möglich ist. In dieser Zeit entstehen die die politischen und die geistigen Begriffe, die heute noch die Auseinandersetzung zwischen dem Christentum und dem Islam prägen. Auf diese Wiese führt dieses Buch auch die besondere Bedeutung der Geschichte und ihrer Kenntnisse für die heutige Politik in sehr lebendiger Form vor.

Manchmal gibt es die ein oder andere Länge zugunsten einiger Detailschilderungen, die zum Gesamteindruck der Ängste vor dem Jahr 1000 gehören. Sehr eindrucksvoll hat Holland im ersten Teil die Versuche von Papst und Kaiser beschrieben, jeweils mehr Macht als der andere zu beanspruchen. Die Trennung zwischen weltlicher Politik und geistigen Ansprüchen sind im Westen weit vor dem Jahr 1000 entstanden. Holland übersieht auch nicht die Macht einzelner Gelehrte und die herausragende Rolle der Klöster wie Cluny. Und er lässt das eigene Engagement der Herrscher, der Könige ud Kaiser lebendig werden.

Lässt man sich auf dieses Leseerlebnis ein, bekommt man als Lohn ein historisches Gerüst für die Zeit vor und nach dem Jahr 1000, das für ein Weiterlesen und eine Vertiefen einzelner Themen motiviert. Europäische Geschichte wird meist immer in einem eng begrenzten Rahmen betrieben, Selten wird zugleich auch Konstantinopel oder gar Bagdad mit berücksichtigt. Aber auch wer angeben, kann, mit der europäischen Geschichte des Mittelalters vertraut zu sein, kann einiges zur englischen Geschichte dieser Jahrhunderte lernen. Holland bietet dafür Grundlagenwissen. Im Studium haben wir immer regional und zeitlich begrenzte Themen behandelt. Hier wird eine Gesamtschau der europäischen Geschichte um 1000 geboten.

Was für ein > Lesewochenende! An einigen wenigen Stellen stehen einige zu saloppe Übersetzungen, das schadet aber dem Gesamteindruck nicht. Noch besser wird dieses Leseerlebnis mit einem > Atlas zur Weltgeschichte, ist der gerade nicht zur Hand, ist das nicht tragisch, der Band von Holland enthält auch einige Karten, die bei der Lektüre aber doch mal mit einem Geschichtsatlas ergänzt werden könnten.

Überblickswissen ist Wissen, das auch die Zusammenhänge erläutert, und das bietet Tom Holland.

Tom Holland
> Millennium. Die Geburt Europas aus dem Mittelalter
Aus dem Englischen von Susanne Held (Orig.: Millennium. The End of the World and the Forging of Christendom)
Auflage: 1. Aufl. 2009
Ausstattung: gebunden mit Schutzumschlag, 14 Karten, 32 Abb., Lesebändchen
518 Seiten
ISBN: 978-3-608-94379-5