Nachgefragt: Johannes Willms, Der Mythos Napoleon. Verheißung . Verbannung – Verklärung

Napoleon I. (1769-1821), General, Konsul und Kaiser der Franzosen beschäftigte seine Zeitgenossen und ihre Nachfahren mehr als jede andere Persönlichkeit im 19. Jahrhundert. Sein Aufstieg war grandios – einige Zufälle kamen gerade recht – aber es war auch sein persönlicher Machtwille wie auch die Gabe seines strategischen Denkens, seine militärischen Erfolge wie auch die mit großer Energie durchgeführte Reform der Verwaltung, sein Bemühen Frankreich nach der Revolution wieder zu einen, was alles zusammengenommen vor (!) und nach seinem Tod auf St. Helena am 5. Mai 1821 zu der Verklärung seiner Person beitrug.

Das Buch von Johannes Willms > Der Mythos Napoleon ist gerade bei Klett-Cotta erschienen. Der Untertitel erklärt diesen Mythos mit Verheißung, Verbannung, Verklärung. Seine militärischen Erfolge, sein politischer scharfer Instinkt führten ihn zum 18. Brumaire und 1804 als Kaiser an die Spitze Frankreichs. Seiner unbeschränkten Herrschaft folgte im April 1814 der jähe Absturz und die Verbannung nach Elba…“ hieß es in unserem > Lesebericht: Johannes Willms, Der Mythos Napoleon. Verheißung, Verbannung, Verklärung.

Unter günstigeren Umständen hätten wir heute auf dem Stand von Klett Cotta auf der Frankfurter Buchmesse unser > transportables TV-Studio aufgebaut und dann das Interview mit Johannes Willms begonnen. Wegen der unangenehmen  Umständen sind wir im Büro geblieben und arbeiten per Videofernübertragung:

Wir haben Johannes Willms folgende Fragen gestellt:

In unserem Lesebericht auf dem Klett-Cotta-Blog steht: „Napoleon I. (1769-1821), General, Konsul und Kaiser der Franzosen beschäftigte seine Zeitgenossen und ihre Nachfahren mehr als jede andere Persönlichkeit im 19. Jahrhundert. Sein Aufstieg war grandios – einige Zufälle kamen gerade recht – aber es war auch sein persönlicher Machtwille wie auch die Gabe seines strategischen Denkens, seine militärischen Erfolge wie auch die mit großer Energie durchgeführte Reform der Verwaltung, sein Bemühen Frankreich nach der Revolution wieder zu einen, was alles zusammengenommen vor (!) und nach seinem Tod auf St. Helena am 5. Mai 1821 zu der Verklärung seiner Person beitrug.“ Können Sie da Ordnung reinbringen? Was hat am meisten zu seinem kometenhaften Aufstieg, zum Erfolg seiner Regierungszeit beigetragen?

Welches waren die größten Erfolge seiner Regierungszeit?

Was waren die mittelbaren und der unmittelbare Anlass für Napoleons Sturz?

Seine Person stand schon zu Lebzeiten für einen Mythos, warum wurde trotz seiner eklatanten Misserfolge seiner Person nach seinem Tod am 5. Mai 1821 so verklärt?

Sie wollen mit Ihrem Buch den Versuch unternehmen, die Gründe für die „kontroverse Faszination“ dieses „historischen Phänomens Napoleon“ (S. 8) zu nennen. „Kontrovers“, weil er schon zu Beginn und während seiner Regentschaft heftige Kritiker hatte und „ein historisches Phänomen“ wurde er sehr schnell, beinahe bevor er 1894 sich zum Kaiser krönte. Erfolg weil er schon ein Mythos war? Jemand, an dem Widerspruch abprallt?

Die Verfassungsväter der Verfassung des Jahres III wollten eine erneute Diktatur wie unter Robespierre verhindern und im Nachhinein kann man erkennen, wie sie Napoleon Bonaparte den Weg ebneten. Dieser erkannte seine Chance und schrieb sein eigenes Drehbuch. Ist das zu verkürzt?

Aber nochmal an Kritikern mangelte es nicht? Wie ging er mit ihnen um?

Napoleon hatte nicht allein Erfolg, daran waren auch andere Generäle beteiligt. Er nicht mehr nur Glück, Napoleon hatte schnell gelernt, sein eigenes Charisma geschickt zu formen und einzusetzen. Wie hat er das gemacht?

„Aber auch hier gilt, dass Strategie und Fortuna voneinander abhängen  Napoleon wusste, wie er Fortuna in Schach halten konnte. Machiavelli hatte das ja in seinem Buch vom Fürsten genau erklärt. Und dann kam die Medienpropaganda hinzu, die so einen starken Eindruck mit „Holzschnitten, Kupfern und Ölgemälden“ (S. 48) machte, deren Kompositionen seinen Ruhm nur noch verherrlichten:“ Die Macht des Bildes, was spielt das für eine Rolle?

Napoleon oder „Die Inszenierung der Macht“ hätte man ihr Buch auch nennen können. Hat Napoleon diese Inszenierung ganz bewusst durchgeführt, welches waren die wesentlichen Stichwörter seines Regiebuches?

Wie dachten die Zeitgenossen über ihn? Deren Gedächtnis ist ja zuweilen nicht von Dauer, Wohltaten werden schneller als Missetaten vergessen?

„Gare à l’opinion publique: Bonaparte musste stets auf der Hut sein: „Die wenigen Wochen, die er sich nach seiner Rückkehr aus Italien in Paris aufhielt, hatten ihm gezeigt, dass die Lorbeeren hier rasch welkten. Dieser Prozess wurde noch dadurch beschleunigt, dass die Gemüter der Zeitgenossen infolge der revolutionären Gärung noch immer heftig moussierten und sie deshalb in raschem Wechsel ihre Idole verschlissen.“ (S. 138) Heute gefeiert, morgen gefeuert und vergessen,“ steht auf meinem Blog, so geradlinig war sein Aufstieg nun auch wieder nicht.

Nach den Herrschaft der Hundert Tage und der Schlacht von Waterloo folgte die endgültige Verbannung nach St. Helena, wohin ein kleiner Hofstaat von dreiundfünfzig Personen ihm folgte. Inwiefern hat er zu Verklärung seiner Person beigetragen oder hat er nur noch die Akten geordnet?

„In der Julimonarchie beginnt neue Phase der Napoleon-Legende. Eine Verklärung seiner Person, die so mächtig wurde, dass Kritiken am Kaiser immer leiser wurde. Waterloo wurde allmählich vergessen, die Schriftsteller gewannen die Oberhand und der Mythos und die Legende, die sich um die großen Taten des Kaisers rankten, wurden immer populärer.“ Historische Sehnsucht, Unzufriedenheit mit dem Regime des Bürgerkönigs Louis-Philippe, worauf gründete sich der posthume Erfolg des großen Kaisers?

Johannes Willms
> Der Mythos Napoleon
Verheißung, Verbannung, Verklärung
1. Aufl. 2020, 384 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, mit zahlreichen s/w Abbildungen
ISBN: 978-3-608-96371-7


> Lhunecke-napoleons-rueckkehresebericht: Volker Hunecke, Napoleons Rückkehr

Noch heute sind achtzig Prozent der Besucher des Schlachtfeldes von Waterloo, wie Jürg Altwegg heute in der FAZ: „Eine glorreiche Niederlage“ berichtet, Viele Besucher des Schlachtfeldes seien heute noch davon überzeugt, Napoleon habe diese Schlacht für sich entschieden. Sein Genius war gar nicht in der Lage, so eine Schlacht zu verlieren. Auch nach seinem Tod am 5. Mai 1821 in der Verbannung, haben wohl viele eine solche Schreckensmeldung mit der Antwort: Napoleon könne nicht sterben, abgetan….

Volker Hunecke
> Napoleons Rückkehr
Die letzten hundert Tage – Elba, Waterloo, St. Helena
1. Aufl. 2015, 256 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-608-94855-4