„Gerhard Roth ist Professor für Verhaltensphysiologie und Entwicklungsneurobologie. Bis zu seiner Emeritierung war er am Institut für Hirnforschung der Universität Bremen tätig und somit ist er ein Spezialist für alle Themen, die mit Bildungsfragen in einem Zusammenhang stehen. Mit dem Titel dieses so erfolgreichen Buches > Bildung braucht Persönlichkeit wird die Hauptthese von Gerhard Roth glasklar und präzise formuliert: Bildung gelingt nur, wenn Persönlichkeiten aufeinandertreffen, das gilt offenbar genauso für Lehrer wie für Schüler. Nur wenn diese beiden Seiten sich im Unterricht respektvoll in Bezug auf alle Möglichkeiten der Persönlichkeitsbildung begegnen, kann Lernen erfolgreich sein, ja überhaupt erst stattfinden. Jeder Leser dieser Zeilen erinnert sich unwillkürlich an die eigenen Schulzeit und kann gleich mal darüber nachdenken, was davon hängengeblieben ist….“ so begann der > Lesebericht: Gerhard Roth, Bildung braucht Persönlichkeit. Wie Lernen gelingt auf unserem Blog.
Heute hatten wir das Glück, Professor Roth in unserem Homeoffice per Videoübertragung zu empfangen und unsere Redaktion hat ihm eine Reihe von Fragen gestellt:
Mit dem Titel Ihres so erfolgreichen Buches Bildung braucht Persönlichkeit wird Ihre Hauptthese glasklar und präzise formuliert: Bildung gelingt nur, wenn Persönlichkeiten aufeinandertreffen, das gilt doch genauso für Lehrer wie für Schüler?
Ihr Buch ähnelt einem Lehrgang: Es erklärt Grundsätze der Art und Weise, wie wir lernen und scheut sich nicht, das notwendige neurobiologisch-psychologische Wissen zu vermitteln, damit die Mechanismen des Lernens verstehbar werden. Wird im Verlauf der gesamten Lehrerausbildung diese Art von Wissen unterschätzt?
Wie sieht es heute mit dem Transfer von theoretischem Wissen aus der Uni und den Lehrerseminaren in den Unterricht aus? Sie deuten an, dass da nicht viel ankomme. Stimmt es, dass viele Lehrer Einzelkämpfer sind?
Liegt die Misere daran, dass uni, Lehrerseminar und Ausbildungsschule nicht viel miteinander zu tun haben?
In Ihrem 1. Kapitel. „Was soll Bildung, was kann Schule?“ steht ein Schlüsselsatz: „Alles Lehren und Lernen findet im Rahmen der Persönlichkeit des Lehrenden und des Lernenden und damit im Rahmen ihrer kognitiven, emotionalen und motivationalen Fähigkeiten statt.“ (S. 37) In vielen Lehrproben kommt dieser Aspekt nicht vor. Was verstehen Sie konkret unter emotionalen und motivationalen Fähigkeiten?
Sie vertreten die Ansicht, dass Lehrer unbedingt etwas über Erinnerung, Gedächtnisleistungen und Emotionen wissen müssten, um guten Unterricht zu machen. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie fragen, wie lauten Ihre Kriterien für einen guten Unterricht?
Sind die Lehrer von heute aufgrund ihrer Ausbildung in der Lage, die Persönlichkeit der Schüler in den Blick zu nehmen… immerhin, es gibt in vielen Schulen bemerkenswerte Ansätze, die Persönlichkeit zu fördern. Welches „Handwerkszeug“ ist dafür dringend notwendig?
Für die die erfolgreiche Lernorganisation, also für den erfolgreichen Unterricht muss man Grundkenntnisse, wie z. B. Arbeits- und das Langzeitgedächtnis funktionieren, besitzen, man muss etwas über Habituierung und Sensitivierung wissen. Wir haben gesehen, da gibt es Defizite, wie kann man dieses Wissen in die Schulen bringen?
Was ist das „emotionale Gedächtnis?“ Können Lehrer das fördern?
Kapitel 13 ist neu und befasst sich mit dem Einsatz digitaler Medien. Sie erinnern an die Klagen unzureichender medialer Ausstattung, die die Corona-Krise nochmal in das Bewusstsein aller Beteiligten gehoben hat: Und er legt die ganze Hand auf die Wunde. „Fast überhaupt nicht wurden und werden in diesem Zusammenhang, die Bedingungen guten Unterrichts diskutiert, in denen das Vertrauensverhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden und eine gute Strukturierung des Unterrichts als maßgebliche Erfolgsfaktoren berücksichtigt werden“ (S. 337) Mit anderen Worten, die neue Medienkompetenz übersieht oder vernachlässigt alle sozialen Kompetenzen.
Aber sie konzedieren dem Medieneinsatz auch positive Seiten, „Der größte Vorteil des Einsatz digitaler Meiden liegt vermutlich in der Förderung selbstregulierten Lernens.“ Reicht das, um ihren Einsatz zu rechtfertigen?
Gerhard Roth
> Bildung braucht Persönlichkeit
Wie Lernen gelingt
Vollständig überarbeitete und erweiterte Neuauflage
1. Aufl. 2021, 400 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-608-98072-1
Gerhard Roth, Nicole Strüber
> Wie das Gehirn die Seele macht
7. durchgesehene Druckaufl. 2017, 425 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, mit ca. 40 Abbildungen
ISBN: 978-3-608-96169-0
Gerhard Roth, Sebastian Herbst
> Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern
Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten
Unter Mitarbeit von Sebastian Herbst
3. Druckaufl. 2020, 464 Seiten, gebunden, mit ca. 10 Abbildungen
ISBN: 978-3-608-96456-1