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Nachgefragt und Lesebericht: Stefan Rebenich, Die Deutschen und ihre Antike Eine wechselvolle Beziehung

Aufgezeichnet von Heiner Wittmann
19.11.2021

tefan Rebenich wurde 2003 zuerst Professor für alte Geschichte an der Universität Bielefeld und nahm dann einen Ruf nach Bern an. Seit 2005 hat er an der Universität Bern den Lehrstuhl für Alte Geschichte und Rezeptionsgeschichte der Antike bis in das 20. Jahrhundert inne.
Von Stefan Rebenich ist gerade der Band > Die Deutschen und ihre Antike. Eine wechselvolle Beziehung bei Klett-Cotta erschienen. In einem ziemlich umfangreichen Band legt der Autor hier eine spannende Wissenschaftsgeschichte seines Faches von Wilhelm von Humboldt bis heute vor. Es ist eine Geschichte der akademischen Lehre in deutschen Universitäten, wie Alte Geschichte gelehrt und wie geforscht wurde. Große Namen zeigen, wie die akademischen Lehrer das Fach repräsentierten und des mit ihren Interessen weiterentwickelten, trotz widriger Ereignisse ihrer Epochen wie der Erste Weltkrieg oder die Nazidiktatur.

Im geteilten Deutschland standen die Kollegen in der DDR erneut unter verschärfter ideologischer Beobachtung. Was zunächst nach einer Geschichte der Lehrstühle für Alte Geschichte klingt, erweist als eine kluge Analyse des Verhältnisses von Wissenschaft und Bildung. Waren doch die unterschiedlichen Ansätze, das Erbe der antiken Welt zu sichten und zu katalogisieren nur möglich, wenn die Forscher wirklich über exzellente Sprachkenntnisse verfügten, dieses Merkmal führt heute, und das ist keinesfalls respektlos gemeint, zu einer Veränderung der Forschungsansätze. (Dazu deutliche Worte auf S. 375 und 377.)

Nachgefragt und Lesebericht: Stefan Rebenich, Die Deutschen und ihre Antike Eine wechselvolle Beziehung

Das Verhältnis von Lehre und Öffentlichkeit ist heute aktueller denn je, nicht nur weil es um die Rechtfertigung der Verwendung öffentlicher Gelder geht, sondern weil es auch darum geht, wie ein Fach sich im Fächerkanon der Universität auch qua Verbreitung seiner Forschungsergebnisse nicht nur durch die Lehre zu legitimieren weiß. So enthält der Band von Rebenich in den Fußnoten auf 100 Seiten umfangreiche Hinweise auf die Entwicklung der Literatur zur Alten Geschichte, mit der allein schon die Entwicklung des Faches, neue Einsichten und das Wechselverhältnis mit den politischen Regimen der Epochen der Autoren gezeugt werden kann. Dabei wird aber auch deutlich, wie es den Vertretern dieses Fach gelungen ist, ihre Forschungsinteressen weiterzuentwickeln und ihre Ansätze immer weiter zu diversifieren. Dabei stand lange die Herstellung einer Ordnung im Vordergrund, für die immense Mittel aufgewendet wurde, so wie manche Professoren wir Theodor Mommsen daraus ihr Lebenswerk gemacht haben.

Thesauri, Corpora, Lexika sind dabei die eine Seite, aber die Interpretation der Quellen, ihre Einordnung und Bewertung, die natürlich über das Sammeln hinausgeht. Hier geht es um das Nebeneinander von „Normativität und Historizität“ (S. 375) Hellas und Rom konnten nicht alleine Gegenstand der Altertumskunde bleiben. Die Ausweitung des Blicks auf die Antike eröffnete ganz neue Erkenntnisse auf Kontinuitäten und Brüche in der Antiken Welt.

Mit Recht verweist der Autor darauf, dass die 2500-jährige Wirkungsgeschichte der Antike ein eigenständiges Forschungsgebiet geworden ist, wodurch der Bildungswert der Antiken Welt für uns heute eine ganz neue Aktualität erhält. Es geht dabei sicher auch um den Bildungswert des lateinischen Sprache aber auch an ganz grundsätzliche Einsichten in die Bedingungen der Freiheit des Menschen, ganz im Sinne von Wilhelm von Humboldt, an dessen Idee, durch Bildung, dem einzelnen Bürger Selbständigkeit und Eigenverantwortung und damit Freiheit verleihen, erinnert Rebenich. Das sind Worte, die an die Aufklärung denken lassen. Schon in der Antike traten „freie Bürger in die Geschichte Europas ein“ (S. 375), Sätze wie diese lassen aufhorchen, denn sie spannen auf einfache wie eindrucksvolle Weise den Bogen von den Poleis, den politischen Diskussionen von damals im öffentlichen Raum zu unserer heutigen Debattenkultur, die von den Alten sehr viel Neues lernen könnte. Von Christian Meier stammt der Gedanke, den Rebenich zitiert: „Die Geburt der Kultur aus dem Geist der Freiheit.“ Darum geht es also auch in diesem Buch, die Beziehungen zwischen Freiheit und Kultur, und wie die Kultur immer wieder trotz Diktatur und Unterdrückung zur Freiheit drängt.

Heiner Wittmann

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Beteiligte Personen

Stefan Rebenich

Stefan Rebenich, geboren 1961, studierte von 1980 bis 1985 Klassische Philologie und Geschichte an der Universität Mannheim sowie Alte Geschichte an der U...

Stefan Rebenich, geboren 1961, studierte von 1980 bis 1985 Klassische Philologie und Geschichte an der Universität Mannheim sowie Alte Geschichte an der Universität Oxford. 2003 wurde Rebenich Professor für Alte Geschichte an der Universität Bielefeld. 2005 wechselte er auf einen Lehrstuhl für Alte Geschichte und Rezeptionsgeschichte der Antike bis in das 20. Jahrhundert an die Universität Bern. Er schreibt für die NZZ, SZ und FAZ.

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