Nachgefragt: Steffen Dobbert, Ukraine verstehen

Mit der Dauer des Krieges in der Ukraine steigt auch die Zahl der Veröffentlichungen, das Buch > Ukraine verstehen, das Steffen Dobbert, ein ausgewiesener Kenner der Ukraine vorlegt, fällt durch die Präzision der Darstellung auf.

Wie kam es zur Unabhängigkeitserklärung der Ukrainischen Volksrepublik am 24. August 1991, nachdem in einem Referendum 90 % der Bürger dafür gestimmt hatten? Zur Beantwortung dieser Frage greift der Autor bis auf das Mittelalter zurück und erläutert in einem zweiten Teil die heutigen Merkmale der ukrainischen Nation.

Erst wenn man die Geschichte, wie es zu einer ukrainischen Nation trotz ständiger Unterdrückung und Anfeindungen kam, kennt, ist der heutige so entschiedene Widerstand der Ukrainer gegen die russischen Angriffe zu verstehen….“

Steffen Dobbert stammt aus Wismar und lebte als Stipendiat des Internationalen Journalistenprogramms (IJP) in Odessa und Kyjiw. Er studierte im Vaasa (Finnland), in Lübeck und in Berlin und Abschlüsse als Diplom­-Betriebs­wirt BA und Master of European Studies M.E.S. Seit 2007 ist er als Autor und Redakteur für ZEIT ONLINE und DIE ZEIT tätig. 2017 wurde er mit dem Deutschen Reporterpreis ausgezeichnet.

Heute haben wir eine Gelegenheit gehabt, mit ihm über sein Buch zu sprechen:

Wie kamen Sie auf die Idee, dieses Buch in dieser Form zu verfassen? Wenn ich Sie jetzt fragen würde, „Wie kam es zur Unabhängigkeitserklärung der Ukrainischen Volksrepublik am 24. August 1991, nachdem in einem Referendum 90 % der Bürger dafür gestimmt hatten?“ werden Sie mich wahrscheinlich dran erinnern, dass man auch in mittelalterlicher Geschichte ein wenig bewandert sein muss, um die Ukraine von heute zu verstehen. Wieso ist das so?

Damit haben wir unseren Zuhörern den Plan Ihres Buches vorgestellt, denn erst der Rückgriff auf das Mittelalter und dann die heutigen Merkmale der ukrainischen Nation, schöpft sich aus diesem Verhältnis der Duchhaltewillen der Ukrainer?

Auf der Buchrückseite U4 steht die Frage „Warum haben wir so lange den Freiheitskampf der Ukraine nicht verstanden?“ Das ist keineswegs eine rhetorische Frage… weil das Verständnis und die Antwort auf dieses Frage erklärt, wieso die europäische Nachkriegsordnung auf dem Spiel steht, wenn das größte in Europa liegende Land in einen Krieg hineingezogen wird. Könnten Sie das Gefahrenpotential, das dahinter steckt, ein wenig präzisieren?

Ihr Buch beginnt mit Taras Schewtschenkos (1814-1862) Gedicht das Vermächtnis, in dem er sein Leiden, die Verbannung und seine Sehnsucht nach der Heimat zusammenfasst:
Wenn ich sterbe, so bestattet
Mich auf eines Kurhans Zinne,
Mitten in der breiten Steppe
Der geliebten Ukraine, –

Er sollte seine Heimat nicht wiedersehen.
Wieso haben Sie Taras Schewtschenko an den Anfang Ihres Buches gestellt?

Später ergeht es dem Hicxtoriker Mychajlo Hruschewskyj (1866-1934) kaum besser. Er legt eine zehnbändige Geschichte des ukrainischen Reiches vor. Noch heute ignoriert Putin Kyjiwer Rus und beharrt auf seiner Geschichtsfälschung. Entsteht das ukrainische Nationalbewusstsein trotz (oder gerade) wegen der Russifizierung ?

„Ein Krieg, der über die demokratischen Welt entscheidet.“ Ist die Überschrift des 18. Kapitels zu hoch gegriffen? Unsere Blog-Redaktion schriebt zu diesem Kapitel: „Die Europäische Union beruht u.a. auf der Aussöhnung Frankreichs und Deutschlands nach drei fruchtbaren Kriegen. Diese Nachkriegsordnung, mit der Verbannung des Krieges in Europa wird von Putin in seiner radikalen Art in Frage gestellt. Das dürfen sich die Staaten in Europa, die der Europäischen Union, die des Europarates und der Politischen Europäischen Union nicht gefallen lassen. Das meint Dobbert mit dieser Überschrift.“ Ist das so in Ihrem Sonne richtig

Steffen Dobbert
> Ukraine verstehen
Klett-Cotta, 1. Auflage 2022, 208 Seiten, Taschenbuch
ISBN: 978-3-608-96599-5